Reisen und Entdeckungen im südlichen Afrika. David Livingstone

Reisen und Entdeckungen im südlichen Afrika - David Livingstone


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ärgerte ich mich darüber, dass er, wenn auch absichtslos, den Anblick desselben zuerst gehabt hatte. Wir ließen uns nämlich nicht im Mindesten träumen, dass der lang ersehnte See noch mehr als 300 englische Meilen von uns entfernt war.

      Am 4. Juli zogen wir zu Pferd voraus und dem vermeintlichen See entgegen und glaubten ihn von Zeit zu Zeit wieder zu sehen; allein endlich gelangten wir an das Wasser und fanden, dass es der Zouga, ein nach Nordost strömender Fluss war. Ein Dorf der Bakurutse lag auf dem jenseitigen Ufer; diese wohnen unter den Batletli, einem Stamm, den Sebituane im Besitz großer Herden von Hornvieh fand. Sie scheinen der Hottentotten-Familie anzugehören. Als Oswell über den Fluss setzen wollte, blieb sein Pferd im schlammigen Ufer stecken. Zwei Bakuena und ich konnten dagegen neben einem Fischerwehr durchwaten. Die Leute im Dorf waren freundlich und teilten uns mit, dass dieser Fluss aus dem Ngami komme. Diese Nachricht erfreute uns außerordentlich, denn nun hofften wir mit Sicherheit, unser Ziel zu erreichen. Wie sie sagten, hatten wir noch einen Monat bis dorthin zu reisen; allein wir brauchten ja nur dem Zouga zu folgen, und mussten ja auf diesem Weg an das große Wasser kommen.

      Am anderen Tag, als wir in der besten Laune waren, kamen zwei von den Bamangwato, welche von Sekomi vorausgeschickt worden waren, um alle Buschmänner und Bakalahari fortzujagen, damit sie uns nicht helfen oder den Weg zeigen könnten, und setzten sich an unserem Feuer nieder. Wir hatten ihre Fußspuren noch ganz frisch auf dem Weg gesehen, sie aber hatten unser langsames Vorwärtskommen beobachtet und sich gewundert, dass wir ohne Hilfe eines Buschmanns den Weg nach dem Wasser gefunden hatten. Sie hatten Ramotobi früher noch nicht gesehen. »Ihr habt nun den Fluss erreicht«, sagten sie; wir lachten darüber, denn wir hatten gewonnenes Spiel und nahmen ihnen nichts übel. Auch sie schienen gegen uns nicht feindlich gesinnt; allein nach einer anscheinend ganz freundschaftlichen Unterredung brachen sie wieder auf, um die Befehle ihres Häuptlings genau zu erfüllen. Sie zogen vor uns her den Zouga aufwärts und verbreiteten das Gerücht, wir beabsichtigten, alle Stämme am Fluss und See zu plündern. Als sie aber ungefähr den halben Weg zurückgelegt hatten, erkrankte der Angesehenste von ihnen am Fieber, kehrte eine Strecke zurück und starb. Sein Tod hatte eine gute Wirkung, denn die Dorfbewohner schrieben ihn der Bosheit zu, die er an uns hatte verüben wollen. Sie durchschauten alle recht wohl, warum Sekomi das Fehlschlagen unseres Versuches wünschte, und obschon sie bewaffnet gekommen waren, so rief unser freundliches, wohlwollendes und friedliches Betragen bei ihnen doch vollkommenes Zutrauen hervor.

      Nachdem wir am Ufer dieses schönen Flusses ungefähr 96 Meilen weit hinaufgezogen waren und fanden, dass wir noch eine bedeutende Strecke vom Ngami entfernt seien, ließen wir alle unsere Ochsen und Wagen bis auf denjenigen Oswells, welcher der kleinste war, und bis auf ein einziges Gespann in Ngabisane zurück in der Hoffnung, sie würden sich für die Heimreise stärken, während wir einen Ausflug nach dem See machten. Der Betschuanenhäuptling des Landes am See, welcher Boten an Setschele geschickt hatte, ließ jetzt allen Leuten am Fluss den Befehl zukommen, uns zu unterstützen; und wir wurden von den Bakoba freundlich aufgenommen, deren Sprache beweist, dass sie mit den Stämmen im Norden verwandt sind. Sie selbst nennen sich Bayeiye, d. h. Männer; die Betschuanen aber nennen sie Bakoba, was ungefähr so viel wie Sklaven bedeutet. Man hat nie gehört, dass sie sich bekriegt hätten, und es geht auch unter ihnen wirklich die Sage, dass ihre Vorfahren bei ihrem ersten Versuch, Krieg zu führen, ihre Bogen aus der Palma-Christi verfertigt und, als diese zerbrachen, das Kämpfen alsbald aufgegeben hätten. Sie haben sich stets der Herrschaft jeder Horde unterworfen, welche das Land an den Flüssen einnahm, in deren Nähe sie am liebsten wohnen. Sie sind also die afrikanischen Quäker.

      Während wir so den schön bewaldeten Fluss hinauffuhren, kamen wir zu einem größeren Strom, welcher sich in ihn ergoss. Dies war der Fluss Tamunakle. Ich erkundigte mich, woher er komme. »Oh, aus einer Gegend voller Ströme – so vieler, dass niemand sie zählen kann – und voll großer Bäume«, hieß es. Dies war die erste Bestätigung der Aussagen jener Bakuena, welche bei Sebituane gewesen waren, dass nämlich das jenseitige Land nicht die »große sandige Hochebene« war, wie man vermutete.

      Zwölf Tage nach unserer Abreise von Ngabisane erreichten wir das nordöstliche Ende des Sees Ngami, am 1. August 1849 zogen wir miteinander nach dem breiten Teil desselben hinunter, und zum ersten Mal zeigte sich dieser prächtig anzusehende große Wasserspiegel europäischen Blicken. Der See schien sich nach dem Kompass in der Richtung von Nordnordost nach Südsüdwest zu strecken. Der südliche Teil soll eine Krümmung nach Westen beschreiben und den Teoughe von Norden her an seinem nordwestlichen Ende aufnehmen. Von dem Punkt aus, wo wir standen, konnten wir nach Südsüdwesten keinen Horizont erkennen; auch vermochten wir uns nur nach den Schilderungen der Einwohner dieses Landstrichs einen Begriff von der Ausdehnung des Sees zu machen. Da sie nämlich behaupteten, man könne ihn in drei Tagen umgehen, so würde dies, wenn man 25 englische Meilen auf die Tagesreise rechnet, ungefähr 75 englische oder etwas über 15 geografische Meilen Umfang ergeben. Seither hat man auch andere Vermutungen aufgestellt und seinen Umfang auf 70 bis 100 englische Meilen angegeben. Der Ngami-See ist seicht, denn ich sah später einen Eingeborenen seinen Kahn über eine Strecke von 7–8 Meilen am nordwestlichen Ende mit einer kurzen Ruderstange fortstoßen. Der See kann daher als Handelsstraße niemals von großem Wert sein. Er ist auch wirklich in den Monaten, welche dem jährlichen Wasserzufluss aus dem Norden vorangehen, so seicht, dass das Vieh sich nur mit Mühe durch sumpfige schilfbewachsene Ufer dem Wasser nähern kann. Die Gestade des Sees sind auf allen Seiten niedrig; auf der Westseite dagegen ist eine Stelle ganz frei von Bäumen, was beweist, dass sich das Wasser erst in gar nicht sehr ferner Vergangenheit von diesem Ort zurückgezogen hat, ein neuer Beweis der Austrocknung, welche in der ganzen Gegend sich so häufig erkennen lässt. Das Wasser des Sees ist vollkommen süß, solange er voll ist; bei niedrigem Wasserstand dagegen salzig. Das Wasser, welches im Tamunak’le herunterkommt, fanden wir so klar, kalt und weich, je höher wir hinanstiegen, dass wir unwillkürlich an schmelzenden Schnee dachten.

      Der Hauptzweck, weshalb ich nach dem See reiste, war ein Besuch bei Sebituane, dem großen Häuptling der Makololo, welcher noch ungefähr 200 Meilen jenseits des Sees wohnen sollte. Wir hatten jetzt einen Mischlingsstamm der Bamangwato, die Batauana, erreicht, denen ein junger Mann namens Letschulatebe als Häuptling vorstand. Sebituane hatte seinen Vater Moremi besiegt, und Letschulatebe war zum Teil als Gefangener unter den Bayeiye aufgewachsen. Sein Oheim, ein verständiger Mann, kaufte ihn los und legte, nachdem er eine Anzahl Familien versammelt hatte, die Häuptlingsschaft zugunsten seines Neffen nieder. Da Letschulatebe erst vor Kurzem zur Macht gelangt war, so glaubte er, seine Befähigung am besten dadurch zu zeigen, dass er in allem dem Rat seines Oheims zuwiderhandelte. Bei unserer Ankunft empfahl ihm sein Oheim, uns zuvorkommend zu begegnen, und darum beschenkte uns der hoffnungsvolle Jüngling nur mit einer Ziege. Es hätte ein Ochse sein sollen. Ich machte daher meinen Reisegefährten den Vorschlag, das Tier loszubinden und laufen zu lassen, als einen Wink für seinen Geber; allein sie wollten diesen nicht kränken. Ich verstand mich besser auf die Eingeborenen und ihre Bräuche und wusste daher, dass dieses schäbige Geschenk eine Beleidigung gegen uns war. Wir wollten einige Ziegen oder Ochsen kaufen – Letschulatebe bot uns Elefantenzähne an. »Nein«, sagten wir, »die können wir nicht essen, wir brauchen etwas, um unseren Appetit zu stillen.« – »Das kann ich auch nicht«, versetzte er; »aber ich höre, dass ihr Weißen diese Knochen sehr liebt, und darum biete ich sie euch an; meine Ziegen will ich selber essen.« Ein Händler, der uns begleitete, kaufte Elfenbein und gab für zehn gute große Zähne eine Muskete, die dreizehn Schillinge wert war. Diese Zähne wurden Knochen genannt, und an acht verschiedenen Orten sah ich mit eigenen Augen, dass man die Zähne samt den übrigen Knochen da verfaulen ließ, wo der Elefant gefallen war. Die Batauana wussten früher nichts von Märkten, allein kaum zwei Jahre nach unserer Entdeckung kannte ein jeder den großen Wert der Elefantenzähne recht genau.

      Am Tag nach unserer Ankunft am See wandte ich mich an Letschulatebe, um Führer zu Sebituane zu bekommen. Da er diesen Häuptling sehr fürchtete, so machte er Schwierigkeiten, denn es war ihm bange, es möchten noch andere Weiße dorthin gehen und Sebituane Schießgewehre liefern, während andererseits, wenn die Händler nur zu ihm allein kämen, der Besitz von Feuergewehren ihm eine solche Überlegenheit geben würde, dass Sebituane sich vor ihm fürchten musste. Vergebens erklärte ich ihm, ich wolle Frieden zwischen ihnen stiften – Sebituane habe an ihm und Setschele wie ein Vater gehandelt und wünsche ebenso


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