Reisen und Entdeckungen im südlichen Afrika. David Livingstone
ginge. Als ich mich aber entschieden weigerte, sein Anerbieten anzunehmen, so willigte er sehr ungern ein, mir Führer zu geben. Am folgenden Tage jedoch, als Oswell und ich uns anschickten, zu Pferd weiterzureisen, verweigerte er uns die Führer, und wie uns Sekomi Hindernisse in den Weg gelegt hatte, schickte auch Letschulatebe Leute zu den Bayeiye mit der Weisung, uns den Übergang über den Fluss zu verwehren. Ich versuchte mit großer Mühe, an einer schmalen Stelle ein Floß herzustellen, und arbeitete viele Stunden im Wasser; allein das dürre Holz war so wurmstichig, dass es nicht einmal eine einzelne Person tragen konnte. Ich hatte damals noch gar keine Ahnung von den vielen Alligatoren im Zouga und denke niemals an jene Arbeit im Wasser, ohne Gott herzlich dafür zu danken, dass ich ihrem Rachen entging. Die Jahreszeit war schon weit vorgeschritten, und da Oswell mit seiner gewohnten Großmut sich sofort aus freien Stücken erbot, nach dem Kap hinunterzureisen und ein Boot heraufzubringen, so beschlossen wir, uns wieder auf den Heimweg nach dem Süden zu machen.
Livingstone am Ngamisee
Als wir den Zouga hinunterfuhren, hatten wir vollauf Zeit, uns seine Ufer zu betrachten. Sie sind sehr schön und gleichen auffallend manchen Stellen am Clydefluss oberhalb von Glasgow. Sie bestehen aus weichem Kalktuff, der überhaupt den Boden dieses ganzen Beckens bildet. Die Ufer sind an derjenigen Seite, nach welcher sich das Wasser wendet, senkrecht – an der anderen bilden sie eine grasige Böschung. An diesen Letzteren bringen die Bayeiye die Gruben an, in welchen sie die wilden Tiere fangen, wenn sie trinken wollen. Zwei ungeheure Baobab-Bäume oder Mowanas stehen nahe an der Mündung des Zouga in den See, wo wir die geografische Breite (20° 20′ südlich) berechneten. Die Länge des Sees vermochten wir nicht zu bestimmen, da unsere Uhren nicht richtig gingen; sie mag zwischen 22° und 23° östlicher Länge betragen.
Wir fanden Elefanten in erstaunlicher Menge am südlichen Ufer. Sie kommen nachts zur Tränke, und wenn sie ihren Durst gelöscht haben, wobei sie eine reichliche Quantität Wasser über sich gießen und vor Vergnügen laut aufschreien, laufen sie aus Furcht vor den Fallen in gerader Linie nach der Wüste und geben diese Richtung nicht eher auf, als bis sie 7 oder 8 Meilen vom Fluss entfernt sind. Sie sind hier kleiner als in den südlicheren Gegenden. Am Limpopo z. B. waren sie mehr als 12 Fuß hoch; hier nur 11, und weiter nach Norden gar nur 9 Fuß hoch. Die Kudu oder Tolo schienen ebenfalls kleiner zu sein als diejenigen, welche wir bisher gewöhnlich sahen. Wir entdeckten eine ganz neue Antilopen-Art, die sogenannten Letsche oder Letschwi. Es ist eine schöne Wasserantilope von hellbraungelber Farbe.
Bei unserer Rückkehr zu den Bakurutse fanden wir, dass ihre Fischerkähne nur zusammengeschnürte große Schilfbündel waren. Ein derartiger Kahn würde einen sehr brauchbaren Ponton abgeben, um ohne Vorbereitung viele über jeden Fluss zu setzen, welcher schilfreiche Ufer hat.
Nach meiner Rückkehr nach Kolobeng blieb ich daselbst bis zum April 1850 und reiste dann in Begleitung meiner Frau, meiner drei Kinder und des Häuptlings Setschele, welcher sich jetzt einen eigenen Wagen gekauft hatte, aufs Neue ab, um den Zouga an seinem unteren Ende zu überschreiten, dann auf seinem nördlichen Ufer bis zur Mündung des Tamunakle hinaufzugehen, hierauf diesem Fluss zu folgen und Sebituane im Norden einen Besuch abzustatten. Sekomi hatte Weisungen erteilt, die Brunnen zu verschütten, welche wir mit so großer Mühe in Serotli gegraben hatten; darum nahmen wir unseren Weg mehr östlich durch die Stadt der Bamangwato und zu Letlotsche. Dieser Häuptling fragte mich, warum ich ihn auf unseren früheren Reisen vermieden habe. Ich erwiderte ihm, dies sei einfach deshalb geschehen, weil ich mich nicht habe mit ihm zanken wollen. – »Je nun«, gab er mir zur Antwort, »du hast mich also besiegt, und ich bin zufrieden.«
Die neu entdeckte Wasserantilope
Wir verabschiedeten uns von Setschele an der Furt, da er durchaus Letschulatebe besuchen wollte, und zogen auf dem nördlichen holzreichen Ufer des Zouga mit großer Mühe vorwärts, da wir viele Bäume niederhauen mussten, um eine Bahn für die Wagen herzustellen. Auch erlitten wir große Verluste an Ochsen, welche in Fanggruben fielen. Die Bayeiye deckten freundlich ihre Gruben auf, als sie unsere Ankunft vernahmen; allein wenn dies nicht geschah, konnten wir es niemandem zum Vorwurf machen, wenn ein althergebrachter Landesbrauch unseren Interessen zuwider war. Als wir uns der Mündung des Tamunakle näherten, vernahmen wir, dass die sogenannte Tsetse-Fliege an seinen Ufern in Menge vorhanden sei. Dies war ein Hindernis, auf welches wir in keiner Weise vorbereitet waren; und da es uns unter Umständen hätte zwingen können, unsere Wagen in der Wildnis zurückzulassen, wo keine Nahrungsmittel für die Kinder zu bekommen waren, so sahen wir uns mit Widerstreben genötigt, noch einmal auf das andere Ufer des Zouga überzusetzen.
Setschele bot bei Letschulatebe seine ganze Beredsamkeit auf, um ihn zu bewegen, uns Führer zu leihen, damit ich »zu Ochs« Sebituane einen Besuch abstatten könnte, während meine Frau mit den Kindern am Ngami-See zurückblieb. Endlich gab Letschulatebe nach. Ich hatte eine ausgezeichnete Flinte, Londoner Fabrikat, ein Geschenk von Lieutenant Arkwright, auf welches ich den größten Wert legte, sowohl um des Gebers willen als auch wegen der Unmöglichkeit, mir wieder eine ähnliche Waffe zu verschaffen. Letschulatehe trug heftiges Verlangen danach und bot mir dafür so viele Elefantenzähne, wie ich nur immer wünschte. Ich selbst hatte eine wahre Sehnsucht nach Sebituane, und da er mir noch überdies versprach, während der ganzen Zeit unserer Abwesenheit meine Frau mit Fleisch zu versorgen, so veranlasste mich sein Drängen endlich, ihm die Flinte zu überlassen. Obschon Letschulatebe jetzt kein Elfenbein hatte, so sah ich doch ein, das Gewehr wäre unter solchen Bedingungen gut angewandt, und händigte es ihm ein. Als alles zu meiner Abreise fertig war, nahm ich meine Frau ungefähr 6 Meilen weit von der Stadt aus mit mir, um ihr doch auch den Anblick des breiten Teils des Sees zu verschaffen. Am nächsten Morgen aber hatten wir dringendere Dinge zu besorgen, als voneinander zu scheiden, denn unsere Kinder hatten das Fieber bekommen. Am folgenden Tag legten sich auch alle unsere Dienstboten mit derselben Krankheit nieder, und da in derartigen Fällen nichts besser ist als eine Luftveränderung, so war ich genötigt, für dieses Jahr die Hoffnung, Sebituane zu sehen, aufzugeben. Ich ließ also mein Gewehr als Abschlagszahlung für die Führer im künftigen Jahre, und wir brachen auf, um die reine Luft der Wüste aufzusuchen.
Als mein zweiter Versuch, zu Sebituane zu gelangen, vereitelt war, kehrten wir wieder nach Kolobeng zurück, wohin uns bald eine Anzahl Boten von diesem Häuptling selbst folgten. Sobald er nämlich von unseren Versuchen, zu ihm zu kommen, gehört hatte, sandte er drei Abteilungen seiner Leute mit dreizehn braunen Kühen an Letschulatebe, mit dreizehn weißen Kühen an Sekomi und dreizehn schwarzen an Setschele ab, mit der Bitte an jeden, sie möchten den weißen Männern behilflich sein, zu ihm zu gelangen. Ihre Politik war jedoch, ihn ganz unberücksichtigt zu lassen und als seine Agenten zu handeln, von welchen er mit seinem Elfenbein kaufen musste, wessen er bedurfte. Dies ist ganz afrikanisch; und da dieser Kontinent keine Meerengen und Meeresarme hat, so sind die Stämme im Inneren stets von dem Verkehr mit Europäern ausgeschlossen gewesen, weil dieser sich allgemein nur auf die an den Küsten wohnenden Völkerschaften erstreckte.
Bevor wir unsere dritte Reise zu Sebituane antraten, war es notwendig, Kuruman zu besuchen; und da Setschele um des Gewinnes willen sehr viel daran lag, das Elfenbein dieses Häuptlings in seine eigene Hand zu bekommen, so erlaubte er allen Boten, noch vor unserer Rückkehr abzureisen. Sekomi war jedoch ungewöhnlich gnädig und versorgte uns sogar mit einem Führer, allein niemand kannte den Weg jenseits Nrschokotsa, welchen wir einschlagen wollten. Als wir diesen Ort erreichten, fanden wir, dass die Schlagfeder an der Flinte eines seiner Leute; welcher mit den Buschmännern der Gegend, die wir passieren mussten, wohl bekannt war, zerbrochen war. Niemals übernahm ich die Reparatur eines Gewehrs mit größerer Bereitwilligkeit, als in diesem Falle, denn der Besitzer dieses Gewehrs versprach als Lohn für die Ausbesserung uns den Weg zu zeigen, und unter seiner Führung wandten wir uns nun nach Norden, anstatt westwärts. Alle übrigen Führer wurden von Oswell aufs Freigebigste belohnt.
Wir passierten schnell eine harte, vollkommen flache Gegend. Auf einer Ausdehnung von mehreren Hundert Meilen liegt nur wenig Humus auf Kalktuff, auf welchem schönes, süßes, kurzes Gras sowie Mopane- und Baobab-Bäume