Great Green Thinking. Jennifer Hauwehde
HOEDER
Schreiben. Es klingt pathetisch, aber genau das war Ciani-Sophia Hoeders Ziel. Vielleicht ist es ein natürlicher Prozess, als junge Frau all die großen und kleinen Gedanken zu Papier zu bringen? Heute nennt man es Journaling, damals Tagebuch schreiben, für Ciani war es: Den Sinn und Unsinn des Lebens zu begreifen. Deshalb hat sie das Schreiben zur Berufung gemacht. Heute ist Ciani-Sophia Hoeder freie Journalistin, SZ-Magazin-Kolumnistin, schreibt an der Ariane Alter Show bei ZDF Neo mit, Gründerin des ersten Online-Lifestylemagazins für Schwarze Frauen im deutschsprachigen Raum namens RosaMag, Solopreneurin, frisch gebackene Grimme Online-Nominierte und wurde vom Medium Magazin zu den 30unter30 ernannt. Sie schreibt, Video editiert und berichtet nicht nur über den alltäglichen und den institutionellen Rassismus, sondern auch über Gesellschaftsthemen sowie politische Debakel, über das Dasein eines Millennials, intersektionalen Feminismus und die Für- und Widrigkeiten der Popkultur.
Kommen wir zurück zu der Ausgangsfrage: Warum sind nachhaltige Bewegung so weiß? Wenn ich als – vermutlich einzige BIPoC – in eine solche Bewegung hineinginge, müsste ich viele Menschen dort dekolonialisieren. Ich wäre eine kostenlose Antirassismus-Coachin. Ich müsste ihnen erklären, dass Rassismus nicht immer explizit ist. Dass Rassismus komplex ist. Er ist eine Ideologie, die besagt, dass Menschen mit bestimmten äußerlichen Merkmalen weniger wert seien als andere. Rassismus geschieht zugleich ganz konkret, nebenbei, unbewusst, gedankenlos. Das Gesicht einer Bewegung wird von einer weißen Person bevorzugt, da es als professioneller und glaubwürdiger angesehen wird als ein Schwarzes. Rassismus ist auch, wenn eine Schwarze Person aus einem Bild geschnitten oder aus einem herausgenommen wird. Diesen Vorgängen waren wir – Schwarze als auch weiße Menschen – über Jahrhunderte ausgesetzt. Das Resultat ist, dass weiße Menschen automatisch weiße Gedanken und Meinungen bevorzugen. Rassismus raubt Zeit und Energie. Er findet auf individueller als auch auf institutioneller Ebene statt. Er ist tief mit der Kolonialgeschichte, mit den staatlichen Strukturen und eben auch mit der Klimabewegung verwoben.
Versteht mich nicht falsch. Ich nehme den Klimawandel sehr ernst. Nachhaltigkeit ist ein essenzielles Thema in meinem Leben. Privat wie auch beruflich. Sie ist ein grundlegender Bestandteil meines Magazins RosaMag – ein Online-Lifestyle-magazin für Schwarze Frauen im deutschsprachigen Raum. Trotzdem fällt es mir bis heute schwer, mich mit den Initiativen und Organisationen rund um die Klimabewegung und der nachhaltigen Szene zu identifizieren. Aus den besagten Gründen, aber auch aufgrund des Umstands, dass das Wegwerfen aller äußeren Zeichen von Status und Identität ein Luxus ist, den sich nur diejenigen in der Gesellschaft leisten können, die nicht anhand ihrer Hautfarbe beurteilt werden.
Rassismus wurde nicht von Schwarzen Menschen erfunden. Er ist das Problem von Weißen. Trotzdem müssen wir uns mit ihm herumschlagen. Es gibt viele BIPoC, die sich um den Klimawandel sorgen. Einige haben Verwandte, die davon betroffen sind, wieder andere erleben die Auswirkungen hier vor unserer Nase, zum Beispiel durch den mangelnden Zugang zu Naturerholungsgebieten, und dann gibt es noch diejenigen, denen das Thema, ohne persönlich involviert zu sein, einfach am Herzen liegt.
Letzteres betrifft nicht nur den Klimawandel, sondern umfasst auch die Fragen rund um Klassismus und Rassismus. Doch die beiden Aspekte sind ein integraler Bestandteil des Klimawandels und sind dementsprechend ein Imperativ, um die Debatte – wie wir zu einer umweltgerechteren Welt gelangen – mit diskutieren zu können. Jede klimaaktivistische Person, die sich nicht bemüht, die eigenen internalisierten Rassismen zu dekolonalisieren, muss sich fragen, wie ernst sie es meint. Ist das Klima wichtiger als Rassismus? Angesichts der Tatsache, dass Rassismus, Kapitalismus und Klassismus so eng miteinander verwoben sind, sollte die Frage eigentlich überflüssig sein. Trotzdem wird so wie bisher weitergemacht, an der Oberfläche des Problems gekratzt, betretene Konversationen darüber geführt, dass man sich in der Bewegung ja doch schon BIPoC wünscht, und gleichzeitig aber nie über die eigenen Rassismen diskutiert. Es werden nicht die Ärmel hochgekrempelt, um die Strukturen so zu verändern, dass eben auch BIPoC teilhaben können. Es wird bedauert, nicht verbessert. Es wird gesprochen statt gehandelt. Wenn sich das nicht ändert, bleibt die Bewegung vor allem eines: weiß.
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