Tempowahn. Winfried Wolf

Tempowahn - Winfried Wolf


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45

JahrNordamerikaEuropadarunter Deutschland
184045342925462
185014.51523.5045.875
186049.2925186211.157
187085.139104.91418.810
1880150.717168.90334.500
1890268.409223.71443.000
1900311.094283.87851.678
1925420.580310.00057.684

      In den vier Jahrzehnten von 1840 bis 1880 entwickelten sich die Netze auf dem europäischen und dem nordamerikanischen Kontinent noch weitgehend parallel. Und als 1870 und 1880 Nordamerika hinter Europa zurückzufallen schien, war dies vor allem dem Amerikanischen Bürgerkrieg (1861−1865) geschuldet. Danach allerdings beginnt in Nordamerika ein drei Jahrzehnte andauernder Eisenbahnbau-Boom, der auf der Welt einmalig ist und eine Ausdehnung des Streckennetzes mit sich brachte, hinter der das europäische am Ende um rund 100.000 Kilometer Netzlänge zurückblieb. In diesem Zeitraum wurden im Jahresdurchschnitt 7500 km neue Bahnstrecken erstellt. Auch Deutschland, das in Europa ab dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts über das größte Schienennetz verfügte, fiel gegenüber den USA von Jahrzehnt zu Jahrzehnt deutlich zurück. Während das Schienennetz auf deutschem Boden 1860 noch gut 22 Prozent des US-amerikanischen entsprach, waren es 1925 nur noch knapp 14 Prozent.

      Auch wenn heute das Auto als Massenprodukt mit dem US-amerikanischen Kapitalismus verbunden wird, so lässt sich doch sagen, dass am Beginn der US-Hegemonie auf dem Weltmarkt dieses Land über das mit Abstand größte Eisenbahnnetz verfügte und dass diese Eisenbahnen erheblich die Stärke der US-Wirtschaft bestimmten. Autos und auch die Autoindustrie selbst spielten damals, 1925, im Verkehrswesen und insbesondere beim Gütertransport noch eine untergeordnete Rolle.

      Ein entscheidender Grund für den Erfolg der Eisenbahnen bestand in der Temposteigerung. Alle bisher genannten Charakteristika der Eisenbahnen – Art der Streckenführung, Preisrevolution und extreme Formen der Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft – trafen auch auf die Transporte auf Kanälen und auf den schiffbaren Flüssen und Strömen zu. Die qualitative Geschwindigkeitssteigerung allerdings ist ein neues Element in der Verkehrsgeschichte, das erstmals mit den Eisenbahnen auftauchte. Zwei Jahrtausende lang hatten sich die Transportzeiten und Reisegeschwindigkeiten kaum verändert. Die im dritten Jahrhundert vor Christus unter Alexander dem Großen gebauten Straßenverbindungen, die bis nach China reichten, das unter Gaius Julius Cäsar stark erweiterte und bis zu 80.000 Kilometer umfassende Netz römischer Straßen und das unter Napoleon 1811 errichtete System der »routes impériales« wiesen eine vergleichbare Qualität auf. Die Geschwindigkeit des zivilen Verkehrs auf denselben – auch das Tempo beim Vormarsch und Rückzug der Heere – hatte sich über diese zweitausend Jahre hinweg kaum verändert. Entscheidender Grund dafür war, dass die Antriebskräfte beim Personen- und Güterverkehr mit Mensch, Esel und Pferd zu Lande und Mensch, Pferd und Wind zu Wasser dieselben geblieben waren.

      Nun


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