Der Televisionär. Группа авторов
und insbesondere der Geschichte des Fernsehens sowie mit Reflexionen auf thematische Schwerpunkte, um die seine künstlerische Existenz kreiste, insbesondere Fragen von Authentizität und Autorschaft. Die Darstellung seines Lebens und seines Werks teilt sich in fünf Abschnitte:
I Vor dem Fernsehen schildert Wolfgang Menges Kindheit, Jugend und seinen frühen Werdegang als Journalist für Print und Radio sowie als Drehbuchautor für den Film. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gelangte der junge Autor zunächst von Gedichten zu Nachrichten, von Erfundenem zu Gefundenem. Seine damaligen Erfahrungen mit dem ›britischen Stil‹ journalistischer Berichterstattung – verkürzt gesagt: mit der Insistenz auf Faktenrecherche statt Meinungsmache – sollten bis zuletzt sein künstlerisches Werk prägen. Zu dessen wichtigstem formalen Moment wurde die Konzentration auf semi-dokumentarische Formen und damit verbunden die Produktion von Authentizität beziehungsweise das mediale Spiel mit ihr.
II Im Fernsehen der 1950er und 1960er Jahre verfolgt Menges Wechsel vom – damals kulturell noch angeseheneren – Film zum Fernsehen und seine zweigleisige Karriere in dem neuen Medium: zum Ersten als Autor der ersten bundesdeutschen Kriminalserie und anderer erfolgreicher Kriminalspiele, zum Zweiten als Autor kritischer und formal innovativer Fernsehspiele zu aktuellen politischen Fragen.
III Im Fernsehen der 1960er und 1970er Jahre analysiert, wie Menge zwischen 1968 und 1973 TV-spezifische Formate wie Magazin oder Show narrativ für das Fernsehspiel nutzbar machte. Inhaltlich versuchte er damit gegenwärtige Zustände in denkbare Zukünfte fortzuschreiben. Zentral für den Erfolg dieser Fernsehspiele bei Kritik wie Publikum aber war der Rekurs auf mediale Mischformen aus Fakten und Fiktionen, wie sie bis dahin nur im angelsächsischen Radio, Film und auch Fernsehen existiert hatten.
IV Im Fernsehen der 1970er und 1980er Jahre beschreibt, wie Wolfgang Menges Interesse an liveness als besonderer Qualität des Mediums Fernsehen ihn in den frühen siebziger Jahren zu dreierlei Innovationen veranlasste. Zunächst importierte und adaptierte er das angelsächsische TV-Format der Talkshow und wurde damit zwischen 1973 und 1986 als Talkshow-Gastgeber selbst zum Fernsehstar. Nahezu zeitgleich importierte und adaptierte er auch die Form der vor Publikum live produzierten Sitcom – situation comedy –, um in ihr den sozialen und kulturellen Wandel so aktuell begleiten und satirisch kommentieren zu können, wie es sonst nur dem Kabarett möglich war. Gegen Ende der siebziger Jahre schließlich wendete er sich Themen der deutschen Geschichte zu und entwickelte dafür innovative Darstellungsformen, in denen sich wiederum Dokumentarisches und Inszeniertes mosaikhaft zu einer nicht mehr linearen Narration mischten.
V Jenseits des Fernsehens versucht, die Charakteristika von Menges Autorschaft zu bestimmen. Von entscheidender Bedeutung für seinen künstlerischen Erfolg scheint die Möglichkeit, im audiovisuellen Medium der Television eine Autorenrolle behaupten zu können, wie er sie aus den älteren Medien Print und Radio gewohnt war. Auf dieser souveränen Autorschaft basierte Menges Schaffen als Fernsehautor. Insofern war das Ende seiner TV-Karriere eng verbunden mit dem institutionellen Wandel und schleichenden Niedergang des öffentlich-rechtlichen Fernsehens selbst. Menges Kritik an der Selbstzerstörung des Fernsehens, wie er es kannte, begann in den späten 1970er Jahren und eskalierte sukzessive, bis ihm um das Jahr 2000 gewissermaßen das Medium abhanden kam, das seine künstlerische Karriere für fast vier Jahrzehnte bestimmt hatte.
1 Kracauer, Siegfried: Jacques Offenbach und das Paris seiner Zeit, Werke, Bd. 8, Frankfurt am Main: Suhrkamp 2005 (*1937), S. 11.
2 Ebd., S. 12.
3 Ebd., S. 10.
I Vor dem Fernsehen: Zeitung, Radio, Film
Das Verlangen nach Television scheint so alt wie die Menschheit. In der westlichen Neuzeit lässt es sich über die Jahrhunderte hinweg auf eine lange Reihe mechano-optischer Schauapparate zurückverfolgen.
1 Zur Vorgeschichte der Television: Sehnsüchte
Grundsätzlich gliedern sich die televisionären Bestrebungen in zwei Varianten. Zum einen galt die Suche technischen Apparaturen, die – wie etwa das von Galileo Galilei im frühen 17. Jahrhundert entwickelte Fernrohr – Blicke auf ferne Realitäten ermöglichten, die das bloße Auge nicht mehr erkennen konnte, die jedoch dem Prinzip nach zeitgleich existierten. Zum anderen entstanden technische Apparaturen, die – wie der seit dem 17. Jahrhundert bekannte und seit dem 18. Jahrhundert äußerst populäre Guckkasten – Blicke auf Realitäten ermöglichten, die malerisch oder drucktechnisch erzeugt und über Lichteffekte optisch inszeniert oder auch animiert wurden, also dem Prinzip nach nicht vorgaben, zeitgleich zu existieren. Unter ihnen lassen sich wiederum faktisch und fiktional orientierte Darstellungen unterscheiden, also einerseits Inszenierungen von Orten und Ereignissen, welche die Macher aus eigener Anschauung kannten, wie etwa Nachempfindungen ferner Landschaften oder Städte, und andererseits Inszenierungen von historischen oder fiktiven Orten und Szenen, die frei gestaltet wurden, wie z. B. die Nachstellung von Szenen aus der klassischen oder christlichen Mythologie.
Deutlich zeichnen sich so in den Vorläufermedien des industriellen Fernsehens bereits seine beiden hauptsächlichen Leistungen und Aufgabenfelder ab: die Live-Übertragung und das Transportieren beziehungsweise Versenden von vorproduziertem Material, sei es fiktional oder non-fiktional.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts setzten dann Anstrengungen ein, mittels fortgeschrittener technischer Mittel und Medien dem In-die-Ferne-Sehen eine neue industrielle Gestalt zu geben: Bilder und später auch Töne sollten nun in Echtzeit von einem Ort an einen anderen transportiert werden.1 Zweierlei ist an diesem Ursprung der Television – der Terminus selbst wurde erst um 1900 geprägt2 – medienhistorisch auffällig. Zum einen kamen Versuche zur Fernübertragung von stehenden und laufenden Bildern gleichzeitig in mehreren Ländern auf: »This was a typical case of simultaneous conception; inventors followed, drawing on similar educations and inspiration by scientific discoveries and technological developments in the last quarter of the nineteenth century.«3 Zum anderen verliefen die ersten Versuche, das Fernsehen als Medium für den Transport von Bildern über den Raum zu erfinden, parallel zu neuen und ebenfalls auf industrieller Technologie beruhenden Bemühungen um die Erfindung des Films – eines Mediums also, das reale Ereignisse in Form bewegter Bilder speichern und damit nicht nur über den Raum, sondern auch über die Zeit transportieren konnte.
Den technologischen Weg für die Television hatte seit den 1830er Jahren eine Reihe außerordentlicher Erfindungen bereitet, insbesondere die Telegrafie, die Fotografie beziehungsweise Chronofotografie, die Anfänge des Bildfaxes, die Telefonie und die Verbesserung elektrischer Birnen.4 In ihrer Summe führten sie dazu, dass um 1880 eine Vielzahl von Wissenschaftlern und Hobbyisten in mehreren Zentren der Industrialisierung – insbesondere in England, Deutschland, Frankreich und den USA – zu der Ansicht kam, die Fernübertragung laufender Bilder, wie sie wenige Jahrzehnte zuvor noch fantastisch erschien, sei in den Bereich des technisch Möglichen gerückt. Gedacht war zu diesem Zeitpunkt noch an einen Transport über Kabel nach dem Modell von Telegrafie und Telefonie, da die Existenz elektromagnetischer Wellen erst 1887 von Heinrich Hertz bewiesen und ihre Übertragungsfähigkeit erst Mitte der 1890er Jahre von Guglielmo Marconi demonstriert wurde.
Dabei stellte sich den Fernseh-Forschern bis in die 1920er Jahre hinein ein dreifaches Problem: Wie lässt sich am Sendepunkt Licht in elektrische Signale umwandeln? Wie können diese elektrischen Signale für die Übertragung genügend verstärkt werden? Wie lassen sich die elektrischen Signale am Empfangspunkt gleich wieder in Licht zurückverwandeln?5 Zwei prinzipielle Lösungsansätze konkurrierten miteinander: der mechanische und der elektronische. Während der mechanische Ansatz zu den ersten Erfolgen führte – einige experimentelle Sender nahmen 1929 in den USA und England sowie 1932 in Deutschland ihren Betrieb auf –, setzten sich im Laufe der 1930er Jahre dann elektronische Verfahren durch, basierend auf der 1897 erfundenen Braunschen Röhre.6
2 Jugend ohne Fernsehen: Medien, Krieg, Flucht, Frieden
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