Der Televisionär. Группа авторов
gesagt: ›Gut, ich mache den Lokalreporter.‹«46
In dieser Zeit befreundete sich Menge nicht nur mit Axel Caesar Springer und seinem einflussreichen Generalbevollmächtigten Christian Kracht, er erprobte auch journalistisch, was er in England gelernt hatte, und schrieb erste umfangreiche Tatsachenberichte. Der unmittelbare Anlass dafür war sein Verlangen nach – natürlich britischen – Autos:
»Ich wurde auf die erste Automobilausstellung nach dem Kriege geschickt, die in Frankfurt stattfand. Da war ein Auto, ein MG, so schön, mit Speichenrädern, freien Scheinwerfern, Faltdach. Der Motor zum Scheibenwischer war ein Extra, der war eigentlich mit Handbetrieb [...] Man bekam sein Geld als Journalist damals ja gleich immer in bar, und das steckte ich immer in meine Hemdtasche. Wenn die Seite fertig war, dann wurde schon der Anstrich gemacht, da hat der Chef seine Honorare hingeschrieben, und man hatte ja jeden Tag etwas im Blatt. Da sind wir dann schon zur Kasse gegangen, noch bevor die Zeitung auf dem Markt war [...] Also, ich fasse in meine Hemdtasche und da waren ungefähr 400 Mark. Damit habe ich das Auto angezahlt und einen Wechsel unterschrieben [...] Und jetzt kam ich nach Hamburg und dachte, um Gottes Willen, wie kriegst du das Geld zusammen? Das waren neun-, zehntausend Mark, ein wahnsinniges Geld! [...] Und da habe ich dem Chefredakteur des Hamburger Abendblatts eingeredet, wir müssten mal so einen Tatsachenbericht machen – das kannte ich aus England. Der wusste gar nicht genau, was das ist, etwas in Folgen. Und dann habe ich irgendeine Mordgeschichte aus dem Hamburger Hafen mit Fortsetzungen gemacht, mit einem ordentlichen Honorar. [...] Und dann fand ich dieses Schreiben von Tatsachenberichten ganz lustig.«47
Gleichzeitig begann Menge, um seinen MG zu bezahlen, freiberuflich für den NWDR zu arbeiten. Zudem erfand er eine satirische Kolumne für das Hamburger Abendblatt, die er unter dem Pseudonym »Onkel Hugo« verfasste: »Die Idee war, über Meldungen zu schreiben, die normalerweise in den Papierkorb fallen, etwa ein Kleingärtner aus Lokstedt ruft an im Frühjahr, die erste Rose ist erblüht ...«48 Nach zweieinhalb Jahren jedoch endete sein Dasein als Lokalreporter abrupt: Im Hamburger Abendblatt erschien, mit Billigung des Verlegers, ein Beitrag von Karl Aloys Schenzinger, dem Verfasser des NS-Propagandaromans Hitlerjunge Quex.49 »Das konnte ich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren und habe dann als jüngster und erster überhaupt bei Axel Springer gekündigt.«50
Der NWDR beschäftigte ihn sofort als Festen Freien in der Redaktion »Unterhaltendes Wort«.51 Dort geriet Wolfgang Menge in eine andere Tradition, von der später auch seine Fernseharbeiten geprägt werden sollten: die des ›Kulturauftrags‹. Konstitutiv war für sie eine Verbindung von Bildung und Unterhaltung, wie sie vor allem die Radiopioniere Hans Bredow und Hans Flesch formulierten und wie sie das deutsche Radio seit der Mitte der 1920er Jahre und bis zur nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 kultiviert hatte.52 Nach dem Krieg suchte das bundesrepublikanische öffentlich-rechtliche System an diese Tradition anzuschließen. Menge hatte eine zweiwöchige Kabarettsendung namens Karussell zu betreuen und war nun seinem ursprünglichen Berufswunsch sehr nahe gekommen. Doch zufrieden war er nicht:
»Ich wusste nicht, was ich da machen sollte. Ich habe immer rumgesessen und in der Nase gebohrt. [...] Ich habe den Redakteur immer gefragt, es muss doch etwas zu tun geben? Aber der selbst tat überhaupt nichts und konnte mich nicht verstehen.«53
Aus »lauter Verzweiflung« und im Rückgriff auf seine ehemalige »Onkel Hugo«-Kolumne habe er, so Menge, dann die Radiosendung Adrian und Alexander entwickelt. Ihr berühmter Anfangssatz lautete »Hallo Nachbarn«. Das Publikum begeisterte sie nicht zuletzt auch durch die eklektische, sehr angelsächsische und von Menge verantwortete Musikauswahl: »Es war eigentlich eine Sendung, wie ich sie gerne gehört hätte.«54 Ihr wohl markantestes Element war die Stimme des Sidekicks, eines Homunkulus:
»Ich hatte mir in meiner jugendlichen Naivität ausgedacht, dass der Sprecher anschließend ein rückwärtslaufendes Band abspult und quasi mit diesem Band spricht. Denn dieses Geräusch hatte mir immer großen Spaß gemacht. [...] Das hat aber irgendwie nicht funktioniert. Ich habe dann den Regisseur, der bei den Aufnahmen ohnehin immer ein wenig gestört hat, dazu bewegen können, dass er diese Stimme nachmacht.«55
Öffentliches Aufsehen und auch Anstoß erregte die Sendereihe bald durch ihre humoristisch verpackte, aber dennoch ungewohnt freizügige politische Kritik. Mit ihr bewies Wolfgang Menge zum ersten Mal »seine besondere Begabung [...], politische Zeitprobleme auf dem Wege spannender Unterhaltung bewusst zu machen«.56 Bereits nach einem halben Jahr gab es zu der Sendung eine Anfrage ihm Bundestag:57
»Da kriegte der Redakteur Albin Stuebs, auch ein Emigrant aus London [...], den Auftrag, von nun an sich die Sendung – wir haben die immer Freitag abends gemacht und Samstag wurde sie ausgestrahlt [...] – gefälligst vorher anzusehen. Der hat vorher immer dagesessen, hat sich tot gelacht über die Sendung, und von dem Moment an, wo er sie offiziell angucken sollte, um Böses zu verhindern, hat er sich überhaupt nicht mehr geregt, hat mit stummem Gesicht dagesessen. Er hat aber nie irgendwie eingegriffen [...]«58
Mit Adrian und Alexander erschrieb sich Wolfgang Menge zum ersten Mal eine gewisse Prominenz. Nach etwas mehr als zwei Jahren verließ er den NWDR wieder, um in Berlin – nach der Restitution des von den Nazis enteigneten Ullstein Verlags im Jahre 1952 – beim Aufbau der Berliner Morgenpost und der BZ mitzuarbeiten. Als freier Mitarbeiter aber blieb er dem Sender noch fast ein Jahrzehnt verbunden. In Berlin kaufte er, da das Hamburger Geschäft seines Vaters damals in Schwierigkeiten geraten war, seinen Eltern ein kleines Hotel. »Es war seine Idee, diese Pension ABC zu nennen, damit sie im Branchenverzeichnis ganz vorne steht.«59
4 Journalismus II: Korrespondent, Abschied
1954 ging Wolfgang Menge als Auslandskorrespondent für die – zwar gerade von Axel Springer erworbene, aber mit Autoren wie Sebastian Haffner und Erich Kuby immer noch überwiegend liberale – Tageszeitung Die Welt nach Ostasien. Zunächst aus Tokio60, dann aus der britischen Kronkolonie Hongkong61 schrieb er über gut drei Jahre hinweg politische Berichte, große Reportagen und auch Hörspiele. Während dieser Zeit lebte er im obersten Stockwerk des Hongkonger Foreign Correspondents Club – als einziger Bewohner des gewaltigen Gebäudes. Ein zentrales Thema war die Entwicklung in Mao-Tse-Tungs kommunistischem China.62
Das Hörspiel Das Wiedersehen etwa thematisierte das Verhältnis von Privatheit und Öffentlichkeit, Liebe und Arbeit im Kommunismus chinesischer Prägung: Zwei junge Liebende vom Land werden dadurch getrennt, dass der Mann, der »Schmelzmeister Wei«, in eine aus dem Boden gestampfte Industriestadt umziehen muss. In dem halben Jahr seit ihrer Hochzeit hat das Paar sich nur zwei Tage sehen können. Nun darf die junge Hao ihrem Mann nachfolgen, weil beiden eine Wohnung in einem Neubau zugeteilt wurde. »Auf jedem Flur steht ein Lautsprecher... wir müssen ja die Vorträge gemeinsam hören können...«, schwärmt eine Mit-Bewohnerin.63 Doch als Hao am Bahnhof eintrifft, holt Wei sie nicht ab. Die Arbeit am Aufbau des sozialistischen Vaterlands geht vor. In der neuen, ihr noch unbekannten Wohnung muss Hao allein auf ihren Mann warten:
»Hao (für sich): Wie schön alles ist... (sie streicht über den Tisch) alles neu gestrichen... das Bett sogar aus Stahl... ein Küchenmesser ist auch da... nein, so was, ein Wasserklosett... (sie erinnert sich) einmal habe ich erst eins gesehen... im Kino in der Kreishauptstadt... und jetzt... für mich ganz allein... Aber das Schönste ist doch das neue Bildnis von Mao Tse-tung...«64
Während seiner Zeit als Korrespondent sammelte Wolfgang Menge auch erste Erfahrungen mit dem neuen Massenmedium Fernsehen:
»Ich war in Hongkong gewesen [...] und hatte dort für einen Freund bei ›movietone news‹, der von einer Segeltour nicht rechtzeitig zurückkommen konnte, eine Story über irgend so ein Schiff gemacht. Diese Sendung ist dann prompt auch bei uns im Fernsehen ausgestrahlt worden.«65
Primär aber verstärkte der Aufenthalt in der britischen