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3/4: Aufführung digitalen Spielens in musealen Kontexten, ZKM_GamePlay
Abbildung 5: Aufführung digitalen Spielens in muse-alen Kontexten, Computerspielemuseum Berlin
Abbildung 6/7: Aufführungen digitalen Spielens im Bereich eSport, Intel Extreme Masters Brazil 2013 und IEM Championship Katowice 2014
Anders verhält es sich mit Szenarien, bei denen dezidiert die Aufführung computerspielerischen Handelns im Vordergrund steht. Diese sind meist durch eine feste Verteilung der Rollen von Spielern und Zuschauern gekennzeichnet; so etwa im Fall des eSports, der eine Professionalisierung computerspielerischen Handelns darstellt und über nationale und internationale Ligen organisiert ist.56 Obwohl viele Begegnungen online ausgefochten werden, sind besonders die Finals wichtiger Entscheidungen als Offline-Events konzipiert. Die Matches werden »live auf einer Bühne aus[getragen], die Ereignisse in den Computerspielwelten werden gleichzeitig über große Bildschirme übertragen, so dass sie für das Publikum sichtbar sind.«57 Auf diese Weise ergibt sich eine deutliche Bühnen-/Zuschauerraum-Trennung. Das im Zentrum der Aufmerksamkeit der Zuschauer stehende Geschehen schließt Aktionen der Spieler ebenso mit ein wie die In-Game-Handlungen. Beides wird gleichermaßen visualisiert (Abb. 6 und 7). Zusätzlich werden die einzelnen Aktionen von Kommentatoren (so genannten Castern) besprochen. Das Geschehen richtet sich an eine Zielgruppe, die als sehr spielkundig bezeichnet werden kann. Die Zuschauer wissen die Spielaktionen der Kontrahenten zu bewerten und nehmen damit die Stellung von Connaisseuren ein.
Ähnlich verhält es sich bei so genannten Demo-Partys, die zwar keine Spiele ausstellen, doch aber »programmierte, von einem Computer generierte, zeitbasierte audiovisuelle Präsentation[en].«58 Echtzeit-Paradigma und Technologie im Hintergrund erinnern an Computerspiele, wenngleich die Teilnehmer im Falle der Demo während der »Aufführung« das Geschehen nicht interaktiv beeinflussen können; die Performance wird vom Computer ohne weitere Eingaben generiert (Abb. 8 und 9).59
Dennoch handelt es sich um eine Live-Situation, weshalb in Beschreibungen der Szene die Nähe zum Theater deutlich zum Ausdruck kommt: »A theater performance (and a demo) is born in front of the viewer's eyes.«60
Der Zuschauer muss ein Verständnis von der Funktionsweise der Demos haben, um die Performance apperzipieren und verstehen zu können.
»Die Betrachtung einer Computerdemo unterscheidet sich wesentlich von der eines Films im Kino, Fernsehen oder Internet. Die Kopplung der Wahrnehmung an die Vorstellung von der Flexibilität der Hardware, auf der die Demo ausgeführt wird, führt zu einer Situation, in der der Zuschauer nicht als zufälliger Empfänger, sondern grundsätzlich als ›Eingeweihter‹ verstanden wird.«61
Dies stellt eine Parallele zur eSport-Veranstaltung dar, die ebenfalls ein mit der Materie sehr gut vertrautes Publikum adressiert. Anders verhält es sich bei einem weiteren noch sehr jungen Format, der so genannten »Spielung«, die von der Stiftung Digitale Spielekultur im Jahr 2013 im Rahmen des internationalen Literaturfestivals Berlin erstmals präsentiert wurde. Das Format wurde analog zu dem Format »Lesung« konzipiert, um die »Vermittlung und Diskussion interessanter Narrationen und Darstellungen in herausragenden Spielen«62 zu ermöglichen. Im Rahmen einer Spielung werden Computerspiele vor einem Publikum »von Gamern, Journalisten, Entwicklern und Autoren vorgestellt, gespielt und besprochen«63 (Abb. 10 und 11). Auch hier bleibt somit die deutliche Trennung zwischen Spieler- und Zuschauerrolle bestehen, wenngleich die Anwesenheit der Zuschauer die Spielsituation überhaupt erst entstehen lässt und sie durch ihre spezifischen Eigenheiten im Ablauf beeinflusst. In Bezug auf die Verbindung von digitaler und physischer Ebene kann festgestellt werden, dass die Ausstellung digitaler Spiele als Artefakte eher mit der Verschleierung der digitalen Ebene für die beobachtenden Teilnehmer arbeitet, während bei der Aufführung spielerischen Handelns die Einsehbarkeit beider Räume bzw. von physischem und datenbasiertem Körper gleichermaßen gegeben ist. Eine Bühnensituation lässt sich in beiden besprochenen Varianten des digitalen Spielens im teilöffentlichen Raum ausmachen. Während im Fall der Ausstellung digitaler Spiele die Zuschauer die Entstehung des szenischen Zeichensystems durch ihre Interaktion entscheidend mitbestimmen, findet sich ihr Mitwirkungsfaktor im letzteren Fall reduziert auf das Apperzipieren und Verstehen der szenischen Handlungen.
Abbildung 8/9: Aufführungssituation in der Demoszene, Evoke 2010
Abbildung 10/11: Spielung, Gamefest 2014, Computerspielemuseum Berlin
AUFFÜHRUNGEN DIGITALEN SPIELENS IM ÖFFENTLICHEN RAUM
Während das digitale Spiel in teilöffentlichen Räumen verstärkt in Verbindung mit einer deutlichen Trennung von Bühnen- und Publikumsraum einhergeht und an reservierten Orten auftaucht, verzichtet digitales Spiel im öffentlichen Raum vornehmlich auf die Kennzeichnung der mit ihm einhergehenden Handlungen als spielerisch.
Häufig findet es unter Verwendung mobiler Endgeräte statt. Neben Handheld-Konsolen, die noch eindeutig der Domäne des Spielerischen zuzuordnen sind, werden immer häufiger auch Smartphones und Tablet-PCs eingesetzt. Diese ermöglichen über die Ausstattung mit Positionserkennungsdiensten, Kamera und mobilem Internet die Integration der physischen Umgebung in das digitale Spielgeschehen. Diese Verbindung von physischen und digitalen Räumen ist aufgrund der Nichteinsehbarkeit der Bildschirme häufig nicht für alle Personen an einem Ort wahrnehmbar.
Zusätzlich sind die für das digitale Spiel verwendeten Geräte nicht länger sichtbar als Spielzeuge codiert. Mit ihnen stattfindende Interaktionen werden daher von Beobachtern in erster Instanz meist nicht mit der Sphäre des Spielerischen verbunden. Dennoch oder gerade deswegen können die über das digitale Spiel auf Mobilgeräten hervorgerufenen Handlungen der Spieler für das Publikum der Stadt einen Performance-Charakter einnehmen, wenn vermeintlich alltägliche Handlungen – wie von Brecht im epischen Theater gefordert – ein »Moment des Auffälligen« bekommen. Dabei entsteht ein verständnisgenerierender Entfremdungsprozess.64 An die Stelle der problemlosen Identifikation spielerischer Handlung tritt Unsicherheit.65
Durch die Integration der räumlichen Umgebung und die damit verbundene Öffnung für ein vorher nicht bestimmbares Publikum setzt sich die teil-digitale Handlung dem Eintreten von Zufälligkeiten aus.66 Gleichzeitig wird die Einmaligkeit des Eintretenden betont.67 Auf diese Weise wird das Transitorische des Schauspiels68 aufgegriffen und zugleich eine Abschaffung von Bühnen- und Publikumsraum vollzogen, wie sie von Artaud zur Ermöglichung einer direkten Verbindung von Zuschauern und Darstellern gefordert wurde69 oder sich in Schechners Environmental Theatre wiederfindet.