New Game Plus. Группа авторов
beim Spiel mit digitalen Mobilgeräten die Trennung zwischen Akteuren und Zuschauern zunächst über die wissentliche Beteiligung am Spiel beibehalten wird, kommt es über »die prinzipielle Offenheit des Raumes, die Zurschaustellung der spielerischen Handlungen und die wechselnden Personen […] zu einer ständigen Aushandlung und Aktualisierung der beteiligten Rollen.«71 Die Passanten sind von vornherein als »mitspielender Faktor« im Game Design berücksichtigt. Ihr Einfluss auf das szenische Zeichensystem variiert in dem Maße, indem sie sich auf das mobile Spiel einlassen.
FAZIT
Die Ausführungen haben gezeigt, dass sich die Kollusion des Theaters auf den Bereich des Computerspielens übertragen lässt und eine Erweiterung um die digitale Ebene erfährt. Durch die Verbindung digitaler und physischer Räume bei gleichzeitiger Zusammenführung von Spiel- und Zuschau-Akten im Kontext einer Live-Performance kann der Prozess des digitalen Spielens als Hybrid Reality Theatre eingestuft werden.
Dabei fallen die Rollen von Spieler und Zuschauer fallweise in einer Person(a) zusammen, die sich in Datenkörper und physischen Körper aufsplittet. In dieser Hinsicht wird die Beteiligung des Zuschauers als »vierter Schöpfer« stärker ausgelebt als im Theater. Ohne seine aktive Beteiligung kann die spielerische Handlung nicht vollzogen werden.
Umfasst digitales Spielen mehr als eine Person, lassen sich die Teilnehmer in beobachtende und spielende unterscheiden. Ein Rollentausch ist prinzipiell jederzeit möglich und taucht vor allem im privaten Raum und in Bezug auf die Ausstellung digitaler Spiele als Artefakte auf. Steht die Aufführung spielerischen Handelns im Vordergrund, verschwindet die Möglichkeit des Wechsels. Zusätzlich wird die Trennung von Bühne und Publikumsraum betont. Dies geht einher mit einer gleichzeitigen Sichtbarmachung von digitaler und physischer Ebene – repräsentiert durch Datenkörper und physischen Körper. Beim digitalen Spiel im öffentlichen Raum wird in entgegengesetzter Richtung auf eine Bühnensituation verzichtet, und auch die digitale Ebene wird der Wahrnehmung durch Beobachter nicht unmittelbar preisgegeben. Dies stellt den Zuschauer in Bezug auf die Kollusion vor Herausforderungen. So muss die szenische Information erst als solche identifiziert werden, bevor überhaupt mit den »sensuellen, imaginativen und rationalen Zuschau-Akte[n]«72 begonnen werden kann, die Theater nach Lazarowicz konstituieren. Dennoch bestimmt die »spürbare, unmittelbare, ›lebendige‹ Kommunikation«73 zwischen beobachtenden und spielenden Teilnehmern, wie sie von Grotowski als essentiellstes Merkmal des Theaters herausgearbeitet wurde, alle beschriebenen Szenarien digitalen Spielens und rechtfertigt damit eine Einordnung der Aktivitäten in das Konzept Hybrid Reality Theatre.
LITERATUR
Ackermann, Judith: Gemeinschaftliches Computerspielen auf LAN-Partys. Kommunikation, Medienaneignung, Gruppendynamik, Münster: LIT 2011.
Ackermann, Judith: »Dekonstruktion einer Immersion. Der Avatartod als distanzierendes Moment im Computerspiel«, In: Rudolf Inderst/Peter Just (Hg.), Build ‘em up – Shoot ‘em down: Körperlichkeit in Digitalen Spielen, Boizenburg: vwh 2013, S. 365-380.
Ackermann, Judith: »Mobile Location Based Gaming in der Stadt –Spielerische Eroberung des urbanen Raums und Hybrid Reality Theatre«, in: Thomas Bächle/Caja Thimm (Hg.), Mobile Medien – Mobiles Leben. Neue Technologien, Mobilität und die mediatisierte Gesellschaft, Münster: LIT 2014, S. 104-130.
Adamus, Tanja: »Virtuelle Kulturen des Agon – Die Reproduktion der gesellschaftlichen Bedeutung des Wettbewerbs im E-Sport«, in: Diego Compagna/Stefan Derpmann (Hg.), Soziologische Perspektiven auf Digitale Spiele. Virtuelle Handlungsräume und neue Formen sozialer Wirklichkeit, Konstanz/München: UVK 2013, S. 133-150.
Artaud, Antonin: Das Theater und sein Double. Das Théâtre de Séraphin, Stuttgart: S. Fischer 1969.
Ascott, Roy: »Behaviourist Art and the Cybernetic Vision«, in: Randall Packer/Ken Jordan (Hg.), Multimedia. From Wagner to Virtual Reality, New York/London: W.W. Norton & Company 2001, S. 95-103.
Botz, Daniel: Kunst, Code und Maschine. Die Ästhetik der Computer-Demoszene, Bielefeld: transcript 2013.
Bormann, Hans-Friedrich/Brandstetter, Gabriele/Matzke, Annemarie (Hg.): Improvisieren. Paradoxien des Unvorhersehbaren. Kunst – Medien – Praxis, Bielefeld: transcript 2010.
Brecht, Bertold: »Der Messingkauf«, in: Ders. (Hg.), Schriften zum Theater, Bd. 5, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, [1939-1942] 1963, S. 5-182.
Brecht, Bertold: »Über eine nichtaristotelische Dramatik«, in: Ders. (Hg.), Schriften zum Theater, Bd. 3, Frankfurt a.M.: Suhrkamp [1933-1947] 1963, S. 5-149.
Brincken, Jörg von: »Viel Theater um Spiele. Eine theaterwissenschaftliche Perspektive auf Computerspielkultur«, in: Albert Drews (Hg.), Kulturgut Computerspiel? Ein Mediengenre zwischen Schmuddelimage und Akzeptanz, Rehburg-Loccum: Evang. Akad. Loccum 2012, S. 61-74.
Čhecov, Michail A.: To the Actor. On the Technique of Acting, New York: Harper & Row 1953.
Compagna, Diego: »Postnukleare Handlungstheorie – Soziale Akteure, moderne Subjekte und Handlungsträgerschaft in digitalen Spielen«, in: Diego Compagna/Stefan Derpmann (Hg.), Soziologische Perspektiven auf Digitale Spiele. Virtuelle Handlungsräume und neue Formen sozialer Wirklichkeit, Konstanz/München: UVK 2013, S. 109-129.
De Souza e Silva, Adriana: »From Cyber to Hybrid: Mobile Technologies as Interfaces of Hybrid Spaces« in: Space and Culture, 9, 3 (2006), S. 261-278.
Fischer-Lichte, Erika: Die Entdeckung des Zuschauers. Paradigmenwechsel auf dem Theater des 20. Jahrhunderts, Tübingen/Basel: Francke Verlag 1997.
Fischer-Lichte, Erika/Roselt, Jens: »Attraktion des Augenblicks – Aufführung, Performance, performativ und Performativität«, in: Erika Fischer-Lichte/Christoph Wulf (Hg.), Theorien des Performativen. Paragrana – Internationale Zeitschrift für Historische Anthropologie 10, 1 (2001), S. 237-253.
Fuchs, Georg: Die Schaubühne der Zukunft, Berlin/Leipzig: Schuster und Loeffler 1905.
Fuchs, Georg: Die Revolution des Theaters. Ergebnisse aus dem Münchner Künstler-Theater, München/Leipzig: Georg Müller 1909.
Grotowski, Jerzy: »Das Neue Testament des Theaters«, in: Ders. (Hg.), Das arme Theater, Velber: Friedrich Verlag [1964] 1968, S. 25-53.
Grotowski, Jerzy: »Für ein armes Theater«, in: Ders. (Hg.), Das arme Theater, Velber: Friedrich Verlag [1965] 1968, S. 13-23.
Grüter, Barbara; Oks, Miriam (2007): »Situated Play and Mobile Gaming«, in: Akira Baba (Hg.), Situated Play, Proceedings of DiGRA 2007 Conference, Tokyo: JAPAX 2007, S. 103-112.
Herrmann, Max: Forschungen zur deutschen Theatergeschichte des Mittelalters und der Renaissance, Berlin: Weidmannsche Buchhandlung 1914.
Herrmann, Max: »Über die Aufgaben eines theaterwissenschaftlichen Instituts. Vortrag vom 27. Juni 1920«, in: Helmar Klier (Hg.), Theaterwissenschaft im deutschsprachigen Raum, Darmstadt: WBG 1981, S. 15-24.
Juul, Jesper: Half-real. Video Games between Real Rules and Fictional Worlds, Cambridge: MIT Press 2005.
Klotz, Heinrich: Kunst der Gegenwart. Museum für Neue Kunst, München: Prestel Verlag 1997.
Lazarowicz, Karl: »Triadische Kollusion. Über die Beziehungen zwischen Autor, Schauspieler und Zuschauer im Theater«, in: Ders. (Hg.), Gespielte Welt. Eine Einführung in die Theaterwissenschaft an ausgewählten Beispielen, Frankfurt a.M.: Peter Lang 1997, S. 97-111.
Leeker, Martina: »Theater, Performance und technische Interaktion. Subjekte der Fremdheit. Im Spannungsgefüge von Datenkörper und Physis«, in: Peter Gendolla et al. (Hg.), Formen interaktiver Medienkunst. Geschichte, Tendenzen, Utopien, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2001, S. 256-287.