Mycrofts Auftrag. Beate Baum

Mycrofts Auftrag - Beate Baum


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trockenen Martini, meinen Sie nicht?«

      »Für mich nur eine Cola, danke«, sagte Sherlock, der nun fast entspannt wirkte.

      John, dem mittlerweile fast schlecht vor Hunger war – außer einem Stück kalter Pie, bevor Gilbert und Charlene bei ihnen in Hounslow eingetroffen waren, hatte er ebenfalls den ganzen Tag noch nichts gegessen –, und der einen klaren Kopf behalten wollte, schloss sich an. Vielleicht half das Getränk gegen Sherlocks Übelkeit. Aber dazu müsste es eigentlich zimmerwarm sein.

      »Meine Lieben, Sie verpassen etwas!« Der Grieche hantierte an der Bar. »Ich will nicht behaupten, dass ich die Martinis hinbekomme wie Alessandro, aber jedenfalls sind sie geschüttelt und nicht gerührt.«

      »Jedem das Kampfmittel seiner Wahl, sage ich immer«, entgegnete Sherlock.

      Der Reeder lachte zu laut.

      *

      »Taxi!« Mit ausgestrecktem Arm winkte Sherlock den Wagen heran und ließ sich in den Fond fallen. »Richtung Piccadilly, dann wenden Sie und fahren über Grosvenor Place nach Chelsea.«

      »Aber zuallererst halten Sie bitte beim nächsten Boots kurz an«, machte John geltend.

      Sherlock murmelte mit geschlossenen Augen, er solle sich beeilen, als John vor dem Drogerie-Supermarkt aus dem Taxi sprang. Im Eingangsbereich griff er nach einer Flasche Mineralwasser, verfluchte den Laden, dass sämtliche Getränke eisgekühlt waren, suchte und fand in der Abteilung für Babybedarf Zwieback, erhielt am Apothekenschalter Tabletten gegen Übelkeit und lief zurück zu dem wartenden Taxi, riss die Zwiebacktüte auf.

      »Hier. Erst essen, dann zwei Pillen. Sei vorsichtig mit dem kaltem Wasser.« Er legte seine Einkäufe auf die Rückbank zwischen ihnen. »Das ist Wahnsinn, was wir hier machen, das ist dir schon klar, ja?« Hungrig zog er selbst einen Zwieback aus der Packung.

      Sherlock begann langsam und vorsichtig zu kauen. »Ist es nicht das, was du vermisst hast?«, fragte er zurück.

      Der Fahrer hatte sich wieder in den Verkehr eingefädelt.

      John schlang den Rest des Zwiebacks herunter. »Wenn ich nicht die ganze Zeit befürchten müsste, dass du gleich zusammenbrichst, könntest du recht haben.«

      »Wird nicht passieren.« Sherlock hatte die Hälfte seines Backwerks gegessen und schluckte die Tabletten, signalisierte dem Fahrer, dass er wenden sollte, und lehnte sich in die Polster zurück, schloss wieder erschöpft die Augen.

      John ließ ihn in Ruhe, während der Wagen sich durch den dichten Verkehr an der Hyde Park Corner schob, verfolgte die halsbrecherischen Manöver eines Fahrradkuriers, räusperte sich schließlich: »Sherlock?«

      »Ich esse gleich noch etwas.«

      »Gut. Aber da ist noch was.«

      Der Freund öffnete die Augen und sah ihn fragend an.

      »Ich muss wissen, was wir hier tun. Du bist nicht in der Verfassung …«, falscher Angang, dachte er und setzte neu an. »Wenn wir schnell reagieren müssen, will ich Bescheid wissen.«

      Sherlock hatte sich den Rest des Zwiebacks in den Mund geschoben. Wieder kaute und schluckte er in Zeitlupe. John aß ebenfalls noch etwas und dachte, dass er allein an diesem Tag garantiert zwei Pfund loswurde. »Wir fahren zu Alexander Holders Haus«, informierte der Detektiv ihn endlich.

      »Dieser Holder hat eine Wohnung in Parkside und ein Haus in Chelsea?«

      Sherlock versuchte ein Grinsen. »Nicht wirklich. Das Parkside-Appartement gehört ihm nur auf dem Papier.«

      Darauf hatte der Freund also im Gespräch mit dem Reeder angespielt!

      »Er ist Morakis’ Strohmann und sollte sich sehr viel bedeckter halten, als er es tut – weshalb vermutlich auch bereits ein oder zwei Schläger zu ihm unterwegs sind.«

      *

      »Der gute alte Alex hat ein paar schlechte Angewohnheiten. Eine davon ist das weiße Marschierpulver.«

      »Kokain?«, fragte John nach. Sherlock deutete lediglich ein Nicken an. Es schien ihm unbegreiflich, dass jemand sich nicht so gut im Drogen-Jargon auskannte wie er.

      Sie standen in einer der letzten verbliebenen roten Telefonzellen der Hauptstadt gegenüber dem Haus des Mannes, den der Detektiv verdächtigte, für Morakis Schwarzgeld zu waschen. Im Taxi hatte er John berichtet, dass Mycroft ihm eine Liste der bisherigen Parkside-Wohnungskäufer besorgt hatte und er schnell auf Holder als einen Kandidaten für die vermutete Transaktion gekommen war.

      Die vielen Längs- und Querverstrebungen der Telefonzelle verbargen sie vermutlich ein wenig für die Hausbewohner, allerdings waren sie – obwohl Markham Square eine winzige Wohngebietsstraße war, die nirgendwohin führte, sondern nach einem Bogen wieder in die King’s Road mündete – bereits zweimal von Touristen fotografiert worden. Das ehemalige Swinging-London-Viertel Chelsea war bei Besuchern sehr beliebt. Die zweite Gruppe hatte sogar eine Weile gewartet, ob sie die Zelle freigeben würden, jedoch nach einigen Minuten, in denen Sherlock angelegentlich in die Muschel gesprochen hatte, aufgegeben.

      »Praktischerweise hatte ich Holder kurz zuvor kennengelernt – bei meiner Arbeit an dem anderen Fall. Wenn er high ist, wird er zur Plaudertasche. Der Dummkopf hat mir erst von Parkside vorgeschwärmt und dann damit geprahlt, dass er Geld mit seinem guten Namen gemacht hätte.«

      Langsam wurde es unerträglich stickig in der kleinen Zelle und John öffnete die Tür einen Spalt weit. »Und du meinst, dass Morakis nach deiner Andeutung nun weiß, dass die Sache aufgeflogen ist.«

      »Nicht nur das. Ihm ist auch klar, dass ich weiß, woher das Schwarzgeld kommt.«

      Während John sich noch zu erinnern versuchte, was die andere Botschaft Sherlocks gewesen sein könnte, drängte der Freund sich an ihm vorbei. »Da stimmt was nicht. Das dauert zu lange.«

      In dem Moment klingelte sein Handy; während er bereits mit ausholenden Schritten auf das Haus zuging, zog er es aus der Hosentasche und drückte den Anrufer nach einem Blick aufs Display weg.

      Warum war er so sicher, dass Morakis sofort aktiv werden würde?, fragte John sich, während er dem Detektiv auf den breiten Treppenabsatz vor der Haustür des drei Stockwerke aufragenden eleganten Stadthauses folgte. Was hatte er gesagt in diesem Milliardären-Palast, das den Reeder alarmiert haben konnte?

      Sherlock betätigte den Klopfer und suchte mit seinem Blick Tür und Rahmen ab. Soweit John das beurteilen konnte, gab es da nichts Ungewöhnliches zu sehen.

      »Komm!« Mit einem Satz sprang Sherlock die drei Steinstufen wieder hinunter und lief nach rechts. Vier Häuser weiter gab es eine Lücke in der Bebauung, eine Villa verfügte über einen seitlichen Grünstreifen. Der Detektiv umrundete darauf ohne zu zögern das Haus. Dahinter befand sich eine durchgehende Gartenfläche.

      Die Rückseiten der Gebäude waren sehr viel schlichter als die der Straße zugewandten. Schwarze Regenrohre führten an den Wänden hinunter, es gab keinerlei Ornamente, sondern nur einfache Steinsimse, keine herrschaftlichen Portale, sondern ebenerdig eingelassene Holztüren.

      »Waffen!«, platzte John atemlos heraus, als er neben Sherlock vor der Hintertür von Holders Haus stand. »Dein seltsamer Spruch, als er seinen Cocktail gemixt hat. Ich dachte, das sollte einfach nur spleenig klingen, aber du hast auf Waffenhandel angespielt.«

      »Natürlich.« Mit einer Handbewegung schob der Jüngere ihn zur Seite, machte einen Schritt nach hinten und platzierte einen Tritt direkt neben den schmalen Metallriegel, mit dem die Tür verschlossen war. Mit einem Knirschen gab das Holz berstend nach. Sherlock hastete durch eine Waschküche in einen düsteren Flur und eine Treppe hoch in das Eingangsfoyer, John gleich hinter ihm.

      »Und du bist dir sicher, dass Morakis diese Andeutungen verstanden hat und gleich reagiert?«, stieß er hervor.

      »Du bist auf seine Pose als Playboy hereingefallen.« Sherlock verharrte kurz, um sich zu orientieren. Sie befanden sich in einem jener herrschaftlichen Stadthäuser, die heutzutage fast sämtlich


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