Swiss Paradise. Rolf Lyssy
aus dem Trüben meiner Vergangenheit hervorzuholen. Die Gespräche mit den Ärzten reichten mir vollauf. Im Grunde genommen hatte ich absolut keine Lust zu reden. Mit niemandem, ich wollte schweigen. Und jetzt sollte ich mich einer weiteren fremden Person anvertrauen, ihr Vertrauen schenken? Ich hatte ja zu mir selber seit Monaten alles Vertrauen verloren. Wie konnte ich ihr etwas geben, was ich selber nicht besaß? Immer wieder schielte ich auf ihre Füße, die in anthroposophisch geformten Gesundheitssandalen steckten. Es war nicht zum Aushalten. Warum sie nicht einfach rausschmeißen? Eine innere Stimme, die zeitweise das Chaos meiner zwanghaften Grübeleien durchbrach, sagte, Rolf, sei doch nicht so aggressiv, sie meint es gut, sie will dir helfen, sie kennt sich aus auf diesem Gebiet. Schenk ihr etwas Vertrauen. Du mußt dich ja nicht für ewig verpflichten, wenn es dir nicht mehr paßt, kannst du jederzeit aufhören. Es wird dir mit Sicherheit nicht schaden. Das sagte die Stimme. Meine Stimmung dagegen hätte mich am liebsten auf den Boden kotzen lassen. Das jedoch wollte ich mir und der Therapeutin, die mich mit forschendem Blick unentwegt musterte, nicht antun. Hin- und hergeschüttelt zwischen einem immer schlechter werdenden Gewissen ihr gegenüber, den Ärzten und dem Pflegepersonal, die das natürlich alles rapportiert bekommen würden, und dem Gefühl einer abgrundlosen Hilflosigkeit, sagte ich ihr schließlich mit stockenden Worten, daß ich an ihrer Therapie nicht interessiert sei. Sie verzichtete auf weitere Überzeugungsarbeit, verabschiedete sich, freundlich, aber kurz, sagte noch: »Wenn Sie Ihre Meinung ändern, melden Sie sich ungeniert beim Pflegepersonal«, und schloß die Tür hinter sich. Kaum war sie draußen, öffnete ich die Türe wieder. Bei geschlossener Türe hielt ich es nur in der Nacht aus, wenn ich schlief. Ich spürte ein schwaches Gefühl von Befriedigung. Ich hatte gewonnen. Keine Ergotherapie. Die Physiotherapie reichte mir vollauf. Da konnte ich mich hinlegen und zwei kräftige deutsche Frauenhände massierten meinen Rücken. Und das jeweils eine gute Dreiviertelstunde. Aber auch diese Kneterei war nach meinem Empfinden lediglich ein angenehmer, entspannender Zeitvertreib. Ich fragte mich, ob alle diese Therapien zu guter Letzt nur dazu da waren, die Zeit zu vertreiben? Das bedeutete doch nichts anderes, als daß weder die Chemie noch die Psychiatrie mir helfen konnten. Ein quälendes Angstgefühl machte sich bemerkbar und ließ mein Herz schneller schlagen. Ich wußte, ich war mir selber überlassen und gleichzeitig spürte ich, das konnte nicht gutgehen. Wie soll man sich denn selber helfen, wenn kein Antrieb, kein Wille, keine Hoffnung mehr vorhanden sind?
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