Earthing - Heilendes Erden. Martin Zucker

Earthing - Heilendes Erden - Martin  Zucker


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mit einem schwierigen und bescheidenen Start, denn ich war auf einer Farm aufgewachsen, hatte Kühe gehütet, Heu in Ballen gepresst und hatte an langen Sommertagen barfuß in den langen Rüben- und Bohnenreihen Unkraut gejätet. In meinen Jugendjahren starb mein Vater an Leukämie und hinterließ meine Mutter und sechs Kinder, die sich um die Pflanzen und Tiere kümmern mussten. Als ältester Sohn musste ich von der Schule gehen und den Hof führen. Das war damals unter solchen Umständen gang und gäbe.

      In den frühen 1960er-Jahren, als auch meine Brüder alt genug waren, hatte ich das Bedürfnis, das Land zu verlassen und mich in die Vergnügungen der Großstadt zu stürzen. Dabei landete ich in der damals noch jungen Kabelfernsehindustrie. In der Gemeinde, in der ich aufwuchs, hatten wir nur zwei Fernsehprogramme – ein politisch rechtes und ein politisch linkes –, daher waren die Informationen, die wir bekamen, sehr polarisierend. Ich erkannte das Kabelfernsehen rasch als die Zukunft des Fernsehens. Begeistert sprang ich darauf an und organisierte höchst erfolgreich Werbefeldzüge, um die Menschen überall in Montana mit Kabelfernsehen zu versorgen. Dabei kletterte ich auch auf die Masten, bohrte die Löcher, setzte Erdungsstäbe ein und verlegte die Leitungen, um in möglichst vielen Haushalten Kabelfernsehen installieren zu können.

      Nachdem ich einige Jahre bei örtlichen Kabelanbietern gearbeitet hatte, bekam ich eine Stelle als landesweiter Marketingchef für eine Firma aus Denver, die bald der größte Kabelfernsehbetreiber in den USA wurde. Später wurde sie von AT&T gekauft. 1972 gründete ich meine eigene Firma, mit der ich mich auf die Entwicklung von Kabelfernsehsystemen spezialisierte sowie auf Fernseh- und Rundfunkübertragung. Die Firma wurde zum landesweit größten Anbieter für Kabelfernsehvermarktung und Installationsdienstleistung. Überall im Land arbeitete ein Heer von Installationsunternehmen für uns. Sooft für eine kleinere oder größere Stadt ein Kabelsystem zugelassen wurde, schickten wir zwischen zehn und hundert Monteure dorthin. Sie durchkämmten das Gebiet und installierten bei allen Leuten, die das wollten, Kabelfernsehen. Dann zogen sie in die nächste Stadt und so weiter. Im Laufe der Jahre installierten wir so in Millionen von Häusern überall im Land Kabelfernsehen.

      In der Zeit vor dem Internet war ich unter den Wegbereitern für das erste Kabelmodem überhaupt und für die weltweite Verbreitung von Berichten der Nachrichtenagenturen über Heimcomputer. Frühzeitig war ich in der Kabel- und TV-Industrie auch stark in die Programmierung und den Vertrieb eingebunden. Ich arbeitete mit den Spitzenkräften zusammen, die Cable News Network (CNN), Home Box Office (HBO) und andere Kabelnetze entwickelten. Ich war ein höchst erfolgreicher Unternehmer und führte ein gutes Leben. Ich hatte ein Haus mit 460 Quadratmetern auf einem Berggipfel in Colorado mit Rundumblick auf Denver und die Rocky Mountains. Mein Haus war voll von Kunstgegenständen und allem, was man mit Geld kaufen konnte.

      1993 brach dieses gute Leben in sich zusammen. Nach einer Wurzelkanalbehandlung bekam ich einen massiven Abszess in der Leber. 80 Prozent meiner Leber waren stark in Mitleidenschaft gezogen. Die Infektion hatte sich im ganzen Körper ausgebreitet. Alle Organe arbeiteten nicht mehr richtig. Die Ärzte machten mir wenig Hoffnung, sie empfahlen mir, meine Angelegenheiten zu ordnen.

      Doch ein junger Chirurg sagte mir, es gebe eine Überlebenschance, wenn auch eine sehr kleine, nämlich den Großteil meiner geschädigten Leber herauszuoperieren – ein Experiment. Er machte mir nicht viel Hoffnung, doch es war die einzige überhaupt, deshalb willigte ich ein. Nach 28 Tagen schmerzhafter Genesung im Krankenhaus und viel Physiotherapie konnte ich nach Hause. Langsam wurde ich wieder gesund. Es dauerte ungefähr drei bis vier Monate, bis ich wieder ein paar Straßenzüge weit laufen konnte, und ein halbes Jahr, bis ich eine Meile gehen konnte. Erstaunlicherweise war meine Leber nach neun Monaten wieder so groß wie vorher.

      Meine Suche nach der wahren Lebensaufgabe

      Während meiner langen Genesung wachte ich eines Morgens auf, schaute hinaus und bemerkte, dass der Himmel tiefer blau war und die Bäume von einem leuchtenderen Grün waren, als ich je zuvor gesehen hatte. In diesem Moment fühlte ich mich wieder lebendig, doch ganz anders als vorher. Ich kam zu der harten Erkenntnis, dass ich mein eigenes Zuhause und meine zahllosen Besitztümer gar nicht richtig besaß; vielmehr besaßen sie mich. Mein Leben drehte sich nur noch darum, mich um meinen ganzen Kram zu kümmern. Ich hatte mein ganzes Leben damit zugebracht, Dinge anzuhäufen, zu sammeln und mich um sie zu kümmern, sowie mit dem Versuch, noch mehr zu bekommen, vielleicht um damit anzugeben, wie erfolgreich ich war. Ich erkannte, dass ich durch mein eigenes Handeln Sklave meines eigenen Besitzes geworden war.

      In diesem Moment beschloss ich, mich selbst zu befreien und etwas zu finden, was mein Leben mit etwas anderem erfüllte als mit Besitz. „Ich möchte dieses Leben nicht mehr“, sagte ich laut zu mir selbst. „Ich möchte etwas anderes machen. Wie viel Zeit ich auch noch zur Verfügung habe, ich möchte sie etwas Lohnendem und Sinnvollem widmen.“

      Ich rief meine Kinder an, die alle schon erwachsen waren und im ganzen Land verstreut lebten. Ich bat sie, zu kommen und sich zu nehmen, was sie haben wollten. „Alles, was ihr nicht mitnehmt, gebe ich weg“, sagte ich.

      Ich verkaufte das Haus. Meine Firma verkaufte ich an meine Mitarbeiter. Dann zog ich los und kaufte ein Wohnmobil, packte das Nötigste ein und fuhr los. Die nächsten vier Jahre fuhr ich im Land umher und suchte dabei mich selbst und meine Lebensaufgabe. Ich verbrachte viel Zeit mit meinen Kindern da und dort, doch ganz oft tat ich auch einfach nichts. Ich fuhr irgendwohin, ließ mich dort eine Weile nieder und wartete darauf, dass etwas auftauchte.

      Eines Abends 1997 war ich in Key Largo, Florida. Ich wurde allmählich kribbelig und ungeduldig. Nichts geschah, nichts tat sich für mich auf. Ich war nun schon monatelang am selben Ort. Als ich so dasaß und über die Bucht schaute, bat ich um Führung. Ich wusste, etwas wartete auf mich. Als ich zum Wohnmobil zurückging, schossen mir einige Wörter durch den Kopf und ich erinnere mich, dass ich sie gleichsam automatisch auf ein Stück Papier schrieb: „Werde eine entgegengesetzte Ladung.“

      Nun, eine entgegengesetzte Ladung zu werden bedeutete für mich, hinauszugehen und den Leuten einen Schubs zu geben, sie aufzurütteln, sie aufzuladen. Mittlerweile war ich definitiv ungeduldig genug, etwas Aufrührerisches zu tun.

      Der zweite Satz, den ich aufschrieb, lautete: „Der Status quo ist der Feind.“ Ich wusste nicht, was das bedeutete, außer dass ich meinen Status quo und mein Nichtstun satt bekam. Das war’s. Ich schrieb diese Gedanken auf einen gelben Notizblock und hob ihn aus irgendeinem Grund auf. Ich hatte keine Ahnung, was diese Worte wirklich bedeuteten.

      Als ich am nächsten Morgen aufstand, ging mir der seltsame Gedanke durch den Kopf, dass die Erde selbst mir etwas zu sagen versuchte. Doch ich wusste nicht, was. Ich spürte eine gewisse Dringlichkeit und wusste, für eine Antwort müsste ich Richtung Westen fahren. Ich fuhr nach Los Angeles und empfand es als zu verrückt. Ich fuhr nach Tuscon und Phoenix, doch keiner dieser Orte fühlte sich richtig an. Deshalb machte ich mich auf in Richtung Norden und kam eines Abends um 22 Uhr in Sedona an. Ich parkte auf einem Campingplatz in der Nähe eines Bachs. Am nächsten Morgen schaute ich hinaus und war verzaubert von der Schönheit des Landes. Die Landschaft sprach meine Wurzeln an, da ich im ländlichen Montana aufgewachsen war und Kontakt zu den amerikanischen Ureinwohnern hatte, die auf die Naturverbundenheit großen Wert legen.

      „Hier bleibe ich“, sagte ich mir, „bis ich finde, wonach ich suche.“ Also blieb ich fast zwei Jahre. Ich freundete mich mit vielen Künstlern und Galeriebesitzern vor Ort an. Als Hobby und um etwas zu tun zu haben, brachte ich viel Zeit damit zu, die zahlreichen Kunstgalerien der Stadt kunstvoll auszuleuchten.

      1998 ging eines Tages mir selbst ein „Kronleuchter“ auf. Ich saß auf einer Parkbank und beobachtete die vorüberschlendernden Touristenscharen aus aller Welt. Irgendwann und ich weiß nicht, warum, konzentrierte sich meine Aufmerksamkeit nur darauf, was all diese verschiedenen Menschen an ihren Füßen trugen. Ich sah jede Menge Laufschuhe mit dicken Gummi- oder Kunststoffsohlen. Solche trug ich auch. Da kam mir ganz arglos der Gedanke, dass diese Menschen alle – wie ich auch – vom Boden isoliert waren, von der elektrischen Oberflächenladung der Erde unter unseren Füßen. Ich begann über statische Elektrizität nachzudenken und fragte mich, ob es sich irgendwie auf die Gesundheit auswirken könnte, wenn man derart isoliert war. Die Antwort darauf wusste ich nicht.


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