Griechische Altertumskunde. Richard Maisch
Gebirgssystem, welches mit einem Faltenbau von ausgesprochenem Parallelismus von NNW. nach SSO. streicht und den ganzen westlichen Teil der Balkanhalbinsel bis zur Südspitze durchzieht;
2) die ostgriechischen Gebirge, welche, in nach N. geöffnetem Bogen von W. nach O. streichend, quer gegen die Ostküste Griechenlands auslaufen. Die östliche Küste ist daher weit reicher gegliedert und aufgeschlossen als die westliche, welche den dinarischen Gebirgszügen parallel läuft.
Vulkanische Massen sind da und dort (Thera, jetzt Santorin, dessen Vulkan noch heutzutage zeitweise tätig ist, Melos, Kalauria, Methana, Ägina) zum Ausbruch gekommen, und es treten vielfach heiße Quellen („Bäder des Herakles“ zu Ädepsos auf Euböa, Thermopylen u. a. m.) und Gasausströmungen (Mosychlos auf Lemnos, Solfatara von Susaki) auf.
Beim akrokeraunischen Vorgebirge tritt das dinarische Gebirgssystem in das westliche Nordgriechenland ein; ganz Epirus ist erfüllt von jenen parallel gerichteten Höhenzügen mit langgestreckten Talmulden dazwischen. In engen Schluchten durchbrechen die Flüsse mit Zickzackwin[pg 15]dungen die Gebirgszüge, um von einer Mulde zur anderen zu gelangen. Es ist eine wilde Gebirgslandschaft, welche nur an der Küste kleine Ebenen besitzt. Die östlichsten dieser Bergkämme werden als Pindos (höchster Gipfel 2336 m) zusammengefaßt, im W. von dem tiefen Tal des Arachthosflusses, im N. durch den Lakmonpaß begrenzt, der Länge nach in wilder Engschlucht durchflossen vom größten Flusse Griechenlands, dem Acheloos. Nach O. fällt der Pindos zum Tiefland von Thessalien ab, das rings von Gebirgen umwallt ist: im O. von den kristallinischen Gebirgen Olympos (2985 m), (dem höchsten Berg der hellenischen Welt und daher Sitz der Götter), Ossa, Pelion, welche im N. durch die wenig bekannten kambunischen Berge, im S. durch den Othrys mit dem Pindos verbunden sind. Eine niedrige Hügelkette scheidet das Innere des Beckens in zwei selbständige, äußerst fruchtbare Ebenen, die größten Griechenlands. Zwei Ausgänge führen aus diesen zum Meer: zwischen Olymp und Ossa bricht der Abfluß des Tieflandes, der thessalische Peneios, in dem vielgerühmten Engpaß Tempe durch; zwischen Pelion und Othrys dringt das Meer als Pagasäischer Golf tief ins Innere ein.
Gegen S. folgt eine Einschnürung des Festlandes durch zwei Golfe (den Malischen und den von Ambrakia), welche Nord- und Mittelgriechenland scheiden. Die westlichen Landschaften des letzteren (Akarnanien und Ätolien) enthalten die Fortsetzung der Bergzüge von Epirus, ein rauhes, schluchtenreiches Gebirgsland, durchströmt vom Acheloos, der mit sumpfiger Deltaebene in den Golf von Paträ mündet.
In den östlichen Landschaften (Lokris, Doris, Phokis, Böotien, Attika) findet sich eine doppelte Reihe östlich streichender Bergzüge: im N. Öta (2158 m) und Knemis 924 m), im S. Ghiona (2512 m), Parnaß (2459 m), [pg 16]Helikon (1749 m), Kithäron (1411 m) und Parnes (1412 m). Zwischen beiden Reihen liegt die böotische Tiefebene mit dem Kephissos, der in den Sumpf Kopais mündet. Letzterer hat nur unterirdische Abflüsse, die Katavothren.
Die Fortsetzungen beider Gebirgsreihen nach O. bilden die große Gestade-Insel Euböa (Dirphys 1745 m), welche vom Festland durch einen Meeresarm getrennt ist, der an seiner schmalsten Stelle (Euripos) nur etwa 45 Schritte breit ist. An die südliche Kette schließen sich die kristallinischen Gebirge von Attika an: Pentelikon (1109 m), Hymettos (1027 m) und die Berge von Laurion. Zwischen diesen liegen die drei kleinen attischen Ebenen.
Mittelgriechenland wird von dem südlich vorlagernden Peloponnes geschieden durch einen tiefen Graben, welcher fast ganz vom Meer bedeckt ist: von W. treten der Golf von Paträ, die Straße von Naupaktos, der Golf von Korinth, von O. der Saronische Golf in den Graben ein. Nur eine schmale, niedrige Landbrücke verbindet beide Länder: der aus jungen gehobenen Meeresablagerungen bestehende Isthmus von Korinth. Südlich steigen aus dem Graben die Gebirge des Peloponnes in steilen Terrassen jugendlicher Ablagerungen auf (Achaja). Der mittlere und westliche Teil der peloponnesischen Gebirge gehört dem großen dinarischen Gebirgssystem an und setzt mit seinen von NNW. nach SSO. gerichteten Bergzügen das akarnanisch-ätolische Gebirge fort: die höchsten Spitzen, zunächst dem Korinthischen Golf und der Terrassenlandschaft Achaja, heißen: Erymanthos (2224 m), Aroania (2355 m) und Kyllene (2374 m). An die beiden letzten hängen sich die parallel gerichteten Höhenzüge, welche das Hochland von Arkadien bilden, in dessen östlichen Teil mehrere fruchtbare Ebenen eingesenkt sind, welche durch Katavothren entwässert werden. Nach SO. setzt sich dieses [pg 17]Hochland in dem breiten Höhenwall Parnon fort, der im Kap Malea ausläuft. Im S. des Erymanthos dagegen sind die Gebirge durch bewaldete Hochebenen unterbrochen, welche von tiefen Tälern zerschnitten sind, so von dem Tal des elischen Peneios und dem des Alpheios, deren Unterläufe die fruchtbare Schwemmlandebene von Elis durchziehen. Jenseits dieser Unterbrechung findet der Erymanthos seine Fortsetzung in den weit niedrigeren Gebirgen von Triphylien und Messenien. Zwischen diesen und dem Parnon erhebt sich als mächtige Aufwölbung der überwiegend kristallinische Taygetos (2409 m), der in der äußersten Südspitze Griechenlands, dem Kap Tänaron, endigt. Rings um denselben breiten sich drei durch niedrige Schwellen verbundene Becken aus: Messenien mit dem Pamisos, Lakonien mit dem Eurotas, und die Landschaft von Megalopolis mit dem oberen Alpheios. Gebirge mit west-östlicher Streichrichtung hat der Peloponnes nur in der Halbinsel Argolis (Arachnäon); diese werden nach W. von den arkadischen Gebirgen geschieden durch die Tiefebene von Argos mit dem Inachos und durch den Golf von Nauplia.
Das griechische Festland ist im W. begleitet von der Kette der Ionischen Inseln, welche sich in ihrem Baue als Glieder des festländischen Gebirges kundgeben; im O. finden wir Euböa, ebenfalls ein losgelöstes Stück des Festlandes, die nördlichen Sporaden und die Kykladen. Dieser Archipel wird im S. geschlossen durch das langgestreckte Kreta, das den Parnon mit dem kleinasiatischen Tauros zu verbinden scheint.
§ 4. Hydrographie.
Die Gebirge Griechenlands sind meist felsig und unfruchtbar, da durch den Wechsel von trockener und [pg 18]regenreicher Jahreszeit die Entstehung einer zusammenhängenden Decke von Verwitterungslehm verhindert wird. Daher sind meist nur die Talauen und vereinzelte Gehänge dem Anbau zugänglich. Am ungünstigsten für den Pflanzenwuchs zeigt sich der Kalkstein, welcher alles Wasser in die Tiefe versinken läßt, wo es durch ein Netz unterirdischer Wasserläufe abfließt, um an andern Stellen in mächtigen Quellen zutage zu treten. Günstigere Bedingungen bieten der Pflanzenwelt die Schiefergebirge, welche das Wasser an der Oberfläche abfließen lassen. Die Wasserläufe sind fast sämtlich Wildbäche, die gewöhnlich ganz trocken liegen, dagegen zuzeiten gewaltig anschwellen. Diese Bäche haben durch ihren Schutt und Schlamm die Ebenen gebildet, welche meist von geringer Ausdehnung, aber von um so größerer Fruchtbarkeit sind und die Mittelpunkte der geschichtlichen Entwicklung bilden. Heute sind dieselben infolge von Versumpfung ungesund und weniger bevölkert als im Altertum.
§ 5. Klima und Pflanzenwuchs.
Das Klima trägt das Gepräge der mediterranen Klimazone, und zwar des östlichen kontinentaleren Teiles derselben. Die Hitze erreicht im Sommer einen sehr hohen Grad (Juli Mitteltemperatur in Athen 27° C.); der Winter dagegen ist ziemlich kühl (Januarmittel in Athen 8° C.); so daß die Extreme weit auseinander liegen (+40½ und −6½° C.). Ebenso bedeutend sind die täglichen Wärmeunterschiede zwischen Tag und Nacht, Sonne und Schatten. Nachtfrost kommt jeden Winter einigemal vor. Schnee fällt im Meeresniveau in Nord- und Mittelgriechenland wiederholt, im Peloponnes dagegen äußerst selten und bleibt kaum einige Tage [pg 19]liegen. In den Gebirgen aber fallen beträchtliche Schneemassen, die sich auf den höchsten Gipfeln fast das ganze Jahr hindurch halten. Charakteristisch für das Klima ist insbesondere die Regenlosigkeit des Sommers. Regen fällt in der Zeit von Mitte September bis Mitte Mai, während in den Sommermonaten im Tieflande auch kurze Regenschauer selten sind. Es herrschen nämlich in dieser Zeit die Etesien, trockene, sehr regelmäßige Nordostwinde. Im Gebirge fallen übrigens auch im Sommer je höher desto mehr Niederschläge. Außerdem ist die Regenmenge im westlichen Griechenland bedeutender als im östlichen (Athen 385 mm, Patras 727 mm); aber die Sommermonate sind im W.