Griechische Altertumskunde. Richard Maisch

Griechische Altertumskunde - Richard Maisch


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Griechentums.

       Inhaltsverzeichnis

      Unter dem Gesamtnamen „Griechen“ fassen wir alle jene nach Abstammung, Sprache und Lebensart sehr verschiedenen Volksstämme zusammen, welche seit dem Beginn geschichtlicher Kunde den schmäleren Südteil der Balkanhalbinsel (etwa südlich der Querlinie der Kambunischen Berge) bewohnten und von hier aus gegen Osten alle Inseln und Küstenländer des Ägäischen Meeres, gegen Westen die Südküste Italiens und Sizilien (Großgriechenland) bevölkert haben. „Alle griechischen Kolonien bespült die Welle des Meeres, und es ist den Ländern der Barbaren gewissermaßen ein Saum griechischer Erde angewebt“, sagt Cicero.

      Das Gebiet, innerhalb dessen einst die griechische Zunge klang, erstreckte sich also viel weiter als das heutige Griechenland. Das Wort „Griechen“ stammt vom lateinischen [pg 25]Grai, Graici, Graeci und bezeichnete ursprünglich einen einzelnen Stamm, der im Westen Griechenlands (also den Italikern zunächst), in Südepirus saß. Die Griechen selbst nannten sich, etwa seit dem 7. Jahrh. v. Chr., Hellenes, ihr Land Hellas. Auch dieser Name bezeichnete ursprünglich eine einzelne Landschaft des südlichen Thessaliens und gewann von da aus durch den Ruhm seiner Träger (Dorier?) allgemeine Verbreitung. (Vergl. „Franken“, „Alemannen“, „Schwaben“.) Wohl haben sich die Hellenen früh als ein Volk gefühlt, durch Gemeinsamkeit des Blutes, der Sprache, der Götter und der Sitte verbunden, im Gegensatz zu den „Wirrwarrsprechenden“, den Barbaren; aber aus diesem Bewußtsein hat sich nur schwer und langsam in den Kämpfen gegen Perser und Karthager die Idee nationalen Zusammenschlusses herausgeschält. In der geschichtlichen Zeit sind die Hellenen mannigfach nach Landschaften und Stämmen gegliedert, die sich hinsichtlich der Sprache, Religion, Sitte und Kultur wesentlich voneinander unterscheiden, und dieser Verschiedenheit entsprach der staatliche Partikularismus.

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      I. Ionier.

      Am frühesten scheint der ionische Stamm in Griechenland ansässig geworden zu sein; beim Beginn geschichtlicher Kunde besitzt er auf dem Festland noch Attika (mit Euböa) und fast den ganzen Peloponnes. Allerdings ist wohl der Name „Ionier“ jüngeren Ursprungs und erst später vom kleinasiatischen Zweig angenommen worden. Wahrscheinlich war diesem Stamme ursprünglich der Name „Achajer“ eigen, der im Epos als Gesamtname der Hellenen erscheint. (Vergl. Amaler: Ostgoten.) Die ionische Mund[pg 26]art, welche unter ihren Schwestermundarten in sprachgeschichtlicher Hinsicht als die entwickeltste und abgeschliffenste erscheint, ist frühe die allgemeine Sprache der Dichter und Schriftsteller geworden. Innerhalb des Ionischen bildet das Attische einen besonderen Zweig von altertümlicherem Charakter.

      II. Dorier.

      Dem ionischen Stamm stellt Herodot in schroffer Abgrenzung den dorischen gegenüber. Dieser ist zuletzt unter allen in Griechenland eingewandert und hat allmählich die achajischen Staaten Elis, Argos, Phlius, Korinth, Sikyon, Lakonien und zuletzt Messenien durch Kampf und Vertrag unterworfen und dorisiert. Sprache und Wesen der Dorier haben ihre rauhe Ursprünglichkeit am längsten in Sparta bewahrt.

      Ionische und dorische Kolonien in Kleinasien und Großgriechenland.

      Durch den machtvollen Ansturm der Dorier gedrängt und wie durch einen Keil in zwei Teile gespalten, wanderte die achajische Bevölkerung des Peloponneses über das Meer nach O. und W. aus, um auf den Inseln des Ägäischen und Ionischen Meeres, an der Westküste Kleinasiens, im Süden Italiens und auf Sizilien, inmitten fremdartiger Bevölkerung, neue Wohnsitze zu erkämpfen oder friedlich zu erwerben. Später, als die dorischen Spartaner die Führerrolle im Peloponnes, ja in Griechenland errungen hatten, erinnerten sich die Kolonien des südlichen Archipels und der Südwestküste Kleinasiens ihrer Herkunft aus Lakonien und nannten sich, nachdem auch einzelne dorische Geschlechter dorther nachgewandert waren, mit Stolz „Kolonien der Dorier“.

      [pg 27]

      III. Äoler.

      Was nicht ionischen oder dorischen Stammes war, faßten die Griechen unter dem Gesamtnamen „Äoler“ zusammen. Im engeren Sinn wurde die Bezeichnung Aiolis insbesondere auf die Kolonien der Nordwestküste Kleinasiens mit den vorgelagerten Inseln (Tenedos, Lesbos) angewandt, Kolonien, welche die Länder am Pagasäischen und Malischen Busen als ihre Urheimat bezeichneten. Die Sprache dieser kleinasiatischen Äoler, glänzend vertreten durch die Gedichte von Alkaios und Sappho, ist eine sehr altertümliche und scheint den thessalischen und böotischen Mundarten am nächsten verwandt.

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      Unter allen dorischen Staaten bildet Sparta das reinste Beispiel eines Kriegerstaates. Seine schon im Altertum vielbewunderte Verfassung beruht nach ihrer ausgeprägten Eigenart durchaus auf der besonderen Art und Weise, wie sich die dorische Eroberung im Eurotastale vollzogen hat.

      Nachdem die Dorier4 von Mittelgriechenland her in den Peloponnes eingebrochen waren, setzte sich ein dorischer Heerhaufen in dem oberen Eurotastal fest, um von da aus langsam talabwärts vorschreitend in immerwährenden, viele Menschenalter hindurch fortgesetzten Kämpfen [pg 28]die mächtigen Achajerstädte der fruchtbaren Eurotasebene zu bekriegen. Dem festen Amyklä gegenüber wurde ein großer, starker Lagerplatz bezogen, aus dem das nachmalige Sparta mit seinen fünf offenen Dörfern (Pitane, Mesoa, Limnai, Kyno(s)ura und Dyme) erwuchs. Weil nun im Eurotastal der Kriegszustand zwischen Doriern und Achajern länger als irgendwo im Peloponnes, ja tief herab in die geschichtliche Zeit fortdauerte, so entwickelte sich aus der durch viele Menschenalter fortgesetzten Kriegs- und Lagergewohnheit ein Kriegerstaat, dessen Absicht nur auf stete Kampfbereitschaft gerichtet war. Seine Gemeindeverfassung, welche von derjenigen aller andern griechischen Staaten weit abwich, erschien späteren Geschlechtern als das Werk eines weisen Gesetzgebers, des Lykurg, der in Sparta göttliche Verehrung genoß.

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      Aus der von den einwandernden Doriern unterworfenen Bevölkerung wurden Periöken und Heloten. Die Verschiedenheit ihres Loses mag in dem kürzeren oder längeren Widerstand, den sie geleistet, ihrer freiwilligen Unterwerfung oder schließlichen Bezwingung mit Waffengewalt ihren Grund haben.

      Die Periöken, die Bewohner der zahlreichen Landstädte des Eurotastals, waren ohne politische Rechte, aber persönlich frei und im Besitz und Erwerb unbeschränkt und trieben neben der Landwirtschaft eifrig Handel und Gewerbe (hauptsächlich Eisenindustrie); ihre Städte hatten wohl ein gewisses Selbstverwaltungsrecht, unterstanden jedoch der Aufsicht spartanischer Befehlshaber (Harmosten). In den Krieg hatten sie als Schwerbewaffnete mitzuziehen; so fochten bei Platää neben 5000 Spartiatenhopliten ebenso viele Periöken. Da die Zahl der vollbürtigen Spartaner [pg 29]mehr und mehr zurückging, während die Großmachtstellung Spartas immer stärkere Leistungen erforderte, so mußten die Periöken in immer größerer Zahl zum Heerdienste herangezogen werden.

      Viel tiefer standen die


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