Griechische Altertumskunde. Richard Maisch

Griechische Altertumskunde - Richard Maisch


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Die einjährigen Pflanzen haben dank der milden Wintertemperatur ihre Vegetationsperiode im Winter und im Frühjahr. Im Sommer ruht das Wachstum derselben, die meisten verdorren und verschwinden vollständig (Getreideernte Ende Mai). Die perennierenden Pflanzen sind behufs Überdauerung des Sommers vielfach durch eigentümliche Organisation geschützt, z. B. durch lederartige Beschaffenheit der immergrünen Blätter. Wald findet sich in den tieferen Regionen nur in den lichten Beständen der Aleppokiefer und der Knoppereiche, in der höheren Region herrscht der Tannenwald, im W. der Eichenwald bereits auf mittlerer Höhe. Aber diese schon bei 700 m beginnenden Bergforsten sind seit dem Altertum fortdauernd verwüstet worden. Die höheren Gipfel über 2000 m ragen über die Baumgrenze empor und tragen nur alpine Krautpflanzen, welche im Sommer von den Schafherden abgeweidet werden.

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      Ist auch das anbaufähige Land nicht sehr ausgedehnt, so besitzt es dafür zum Teil eine außergewöhnliche Fruchtbarkeit. Da das günstige Klima den Anbau selbst auf geringerem Boden lohnend macht, so vermag Griechenland eine starke Bevölkerung zu ernähren. Hatte doch Griechenland in klassischer Zeit auf 1000 □Meilen 200 000 Waffenfähige, also 1½ Millionen Einwohner, dazu fast dreimal so viel Sklaven, eine Bevölkerungsziffer, welche freilich seit Alexander d. Gr. fortwährend zurückging, so daß Plutarch (100 n. Chr.) noch 3000 Waffenfähige zählte. Jetzt besitzt das Königreich Griechenland auf 65 000 qkm (ca. 1200 □Meilen) 2½ Millionen Einwohner.

      Die Erzeugnisse des Ackerbaus, der hier stets die erste Quelle der Volksernährung bildete, sind heutzutage noch mannigfaltiger als im Altertum, da seitdem eine Anzahl von Kulturpflanzen neu eingeführt worden ist (Mais, Korinthen, Orangen, Tabak, indischer Hanf, Opuntien). In erster Linie steht das Getreide, besonders Weizen und Gerste. Aber nur wenige Landschaften, so Thessalien, Böotien und Messenien, erzeugten den eigenen Bedarf; Attika, das zum Beispiel 328 v. Chr. bei schlechter Ernte nur 360 000 Scheffel Gerste und 40 000 Scheffel Weizen erzeugte, mußte seit dem Peloponnesischen Krieg die Hälfte seines Bedarfs aus den Bosporusländern und Ägypten einführen. Dem Getreide steht zunächst der Wein, der überall bis in die Gebirge hinauf vorzüglich gedeiht. Unter den Bäumen ist an erster Stelle der zahme Ölbaum zu nennen, aus Syrien eingeführt, der zwar nur in der tiefen Zone, hier aber selbst auf steinigem Boden gedeiht. In alter Zeit sind aus Asien nach Griechenland verpflanzt worden: Kirschen, Pflaumen, Zitronen, Pfirsiche, Feigen [pg 21](in Attika), Birnen (in Argos), Quitten, Granatäpfel, Mandeln, Kastanien (auf Euböa), Walnüsse, die Palme (auf Delos), die Zypresse. Technisch wichtig sind neben dem Hanf die Baumwolle und der Maulbeerbaum2. Der Viehzucht dienten ausgedehnte Berghalden. Heutzutage ist nur die Zucht von Schafen, Ziegen und Schweinen von Bedeutung, während einstens auch Großvieh und Pferde fleißig gezüchtet wurden. Die Griechen waren im allgemeinen Vegetarianer; sie genossen Fleisch gewöhnlich nur bei Opferfesten und konnten den reichlicheren Fleischgenuß der Spartaner nicht verstehen. Die Wälder lieferten früher verschiedene für die Architektur und den Schiffsbau nutzbare Holzarten und waren von jagdbarem Schwarz- und Rotwild bevölkert. Aus dem Meer gewann man mannigfache Arten von Fischen, Konchylien, Schwämme und in Lakonien die kostbare Purpurschnecke.

      Von Mineralien ist der silberhaltige Bleiglanz bemerkenswert, der von den Alten zur Silbergewinnung im Lauriongebirge und auf Euböa abgebaut wurde. Kupfer wurde z. B. auf Euböa und bei Lamia gewonnen; wichtiger waren die Eisenerze Lakoniens (daher das Eisengeld der Spartaner), Schwefel und Alunit bot Melos, Naxos den Smirgel, Kimolos die Siegelerde.

      Von größter Bedeutung aber ist das vortreffliche Tonmaterial in Attika, Böotien, Megara und auf Ägina sowie der Reichtum des Landes an vorzüglichen Bausteinen. Der weit verbreitete tertiäre Kalksandstein (Poros) bot ein leicht zu bearbeitendes Material für geringere [pg 22]Bauten; der edelste Stoff aber war der Architektur wie der Plastik in den reichlich zutage liegenden Marmoren der verschiedensten Farben und Arten geboten (auf Paros, am Pentelikon, Hymettos, Taygetos, bei Karystos, in Thessalien und Arkadien).

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      Nicht mühelos schenkt hier die Natur dem Menschen überreiche Erzeugnisse, aber sie gewährt der Arbeit vielseitige Anregung und reichlichen Lohn. Fast alle Zweige menschlicher Tätigkeit finden bei der Vielgestaltigkeit des Bodens und der Mannigfaltigkeit seiner Gaben eine Stätte. Die vielgestaltige Gliederung des Bodens veranlaßte eine ungemeine Mannigfaltigkeit in der Eigenart der Landschaften wie ihrer Bewohner, ohne doch einen befruchtenden Verkehr zwischen denselben zu hindern. Denn die Zerstückelung der Gebirge öffnet dem Landverkehr fast überall unschwer zu überschreitende Pässe, während die tief eindringenden Meeresbuchten fast alle Landesteile dem Seeverkehr zugänglich machen. Zu allen Zeiten ist die Schiffahrt das erste Verkehrsmittel in Griechenland gewesen. Unterstützt von dem Hafenreichtum der Küste und der Regelmäßigkeit der Windströmungen, verband sie die einzelnen Landschaften nicht nur unter sich, sondern auch mit dem Ausland. Auf dem Seeweg hat sich die griechische Kultur über alle Länder des Mittelmeeres ausgebreitet.

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      Kein Volk kennt seine Jugendgeschichte. Sind die Völker auf den Schauplatz der Weltgeschichte getreten, so lassen neue große Aufgaben sie ihre stillere Vorzeit ver[pg 23]gessen. Und doch bringen sie aus derselben neben mannigfachen technischen Fertigkeiten große geistige Besitztümer mit: die Sprache, einen Kreis alter Sagen, wie bestimmte Formen der Götterverehrung. Die Vergleichung der Sprachen läßt erkennen, daß die Griechen einen Zweig jener großen Völkerfamilie bilden, welcher die Inder, Iranier, Italiker, Kelten, Germanen, Litauer und Slaven angehören.

      Aus der Urheimat der indoeuropäischen Völkerfamilie, als welche man früher Asien, und zwar das Gebiet des oberen Oxus und Jaxartes betrachtete, während neuerdings von den meisten die südrussische Steppe dafür angesehen wird, wanderten die Griechen höchst wahrscheinlich von N. her aus dem Donaugebiet in ihre spätere Heimat ein. Wie die große deutsche Völkerwanderung im Beginn des Mittelalters, so vollzog sich auch die Wanderung der griechischen Stämme innerhalb großer Zeiträume in mehreren Stufen; das Vordringen der Einwanderer wurde durch die vielfachen Gebirgsriegel aufgehalten, welche den S. der Balkanhalbinsel gegen N. abschließen.

      Als älteste Bevölkerung Griechenlands nennt die sagenhafte Überlieferung die von Herodot bis auf die neueste Zeit vielumstrittenen Pelasger3, ferner die Leleger, Kadmeer, Abanten u. a.; ein geschichtliches Volk waren ohne Zweifel die Minyer, welche durch gewaltige, jüngst wieder aufgedeckte Deich- und Kanalbauten weite Flächen Böotiens urbar machten. Einen überraschenden Einblick in die griechische Kultur der ältesten Zeit, welche als die mykenäische Periode bezeichnet wird, gewähren uns die in den letzten Jahrzehnten von Schliemann in Mykenä, Tiryns (s. § 69) und Orchomenos unternommenen Aus[pg 24]grabungen. Sie belehren uns, daß jene Kultur unter despotischem Regiment hochentwickelt und derjenigen der vorderasiatischen Großstaaten nahe verwandt war. Den Griechen selbst war die Tatsache einer tiefgreifenden asiatischen Einwirkung auf ihre Kultur wohl bekannt; versuchten sie doch, dieselbe durch die merkwürdigen Erzählungen von fremden Einwanderern (Kekrops, Kadmos, Danaos, Pelops) zu erklären.

      Die günstige Lage Griechenlands inmitten zweier großer Meere gestattete jederzeit mannigfache Berührung und Austausch mit fremden Kulturvölkern. Sicher war die Einwirkung der Phönizier die bedeutsamste. Diese erscheinen in der Odyssee als kühne Seefahrer, die bald Seeraub und Menschenhandel treiben, bald kostbare Kunsterzeugnisse


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