Elton John. Mark Bego

Elton John - Mark  Bego


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Wutausbruchs am Abend vor dem ersten Troubadour-Auftritt war der ganze Trip nach Los Angeles ein großer Erfolg geworden. Selbst Elton musste zugeben: „Von dem Augenblick unserer Ankunft an ging alles drunter und drüber. Der erste Auftritt im Troubadour bekam natürlich eine völlig überzogene Bedeutung, weil die Leute von der Plattenfirma und der Presse da waren, aber die Show an sich war absolut unglaublich, und das ging so weiter. Wir bekamen unglaubliche Kritiken – ich habe nicht eine schlechte gesehen.“(50)

      Abgesehen davon, dass er sich endlich in die Umlaufbahn hineinkatapultiert hatte, in der die echten Stars ihre Kreise zogen, gab es während dieses Aufenthalts in Los Angeles für Elton ein weiteres Highlight – das Plattengeschäft Tower Records am Sunset Boulevard, ein riesiger Vinyl-Supermarkt. Für ihn als besessenen Plattensammler und Musikfan war es das ultimative Einkaufserlebnis.

      Nach der phänomenal erfolgreichen Woche im Troubadour gab Elton auf seiner Minitournee durch die USA noch ein paar Konzerte. Als nächstes trat er in San Francisco auf, wo Doug Weston einen Ableger des Troubadour in der Bay Area betrieb. Da er dem jungen Briten nur schlappe 500 Dollar für die eine Woche in L.A. gezahlt hatte, zeigte sich Weston großzügig und erhöhte die Gage für die Woche in San Francisco auf 750 Dollar. Russ Regan brachte MCA/UNI Records dazu, noch ein bisschen mehr in die gute Sache zu investieren und die Kosten der Tour zu übernehmen.

      Für die Auftritte in San Francisco baute Elton nach und nach immer mehr Rocksongs in sein Programm ein, da sie beim Publikum offensichtlich sehr gut ankamen. Er spielte unter anderem „Honky Tonk Women“ von den Rolling Stones, das eine ganze Weile einen festen Platz in seinen Livekonzerten behielt.

      Zu den bemerkenswertesten Gästen, die bei Eltons Gigs in San Francisco auftauchten, zählte ein alter Bekannter aus London – der Chef des dortigen Tamla Motown-Büros, John Reid. Es war reiner Zufall, dass er ausgerechnet in dieser Woche geschäftlich in der Stadt war. Reid berichtete später: „Motown gab im August 1970 anlässlich des zehnten Geschäftsjubiläums ein großes Fest in San Francisco. Ich war inzwischen recht gut mit [dem stellvertretenden Motown-Geschäftsführer] Barney Ales und seiner Frau Mitzi befreundet. Ich bin ja aus Schottland, und Barney sagte, dass ich nur dann zu der Veranstaltung kommen dürfte, wenn ich einen Kilt trüge. Es war eine phantastische Feier, unglaublich ausgefallen und luxuriös. Sie fand auf dieser Insel mitten in der Bucht von San Francisco statt. Dort gab es auch ein Casino, und alle bekamen Geld, um dort zu spielen. Außerdem erhielt jeder Gast ein Paar Duell­pistolen.“(51)

      John Reid kam nicht nur zu Eltons Konzerten in San Francisco, er war auch der erste Mann, mit dem Elton je ins Bett ging. Das Jahr 1970 schien für den Sänger zum Schicksalsjahr zu werden: Nicht nur seine Karriere kam entscheidend voran, er entdeckte auch den Sex mit Männern. Frauen seines eigenen Alters waren für ihn nie interessant gewesen, jedenfalls nicht in sexueller Hinsicht, obwohl er immer wieder halbherzige Versuche unternahm, ihnen gegenüber charmant zu sein. Diese eine Nacht in San Francisco änderte alles. Innerhalb der nächsten Wochen wurde John Reid zu einem der wichtigsten Männer in seinem Leben. Als beide wieder nach London zurückgekehrt waren, übernahm Reid nicht nur das Management von Eltons Karriere, sondern zog auch mit ihm zusammen.

      Es passte gut, dass sich für Elton zu dieser Zeit die Beziehung mit John Reid ergab, schließlich hatte Bernie Taupin sich auf dieser ersten Amerika-Tournee ebenfalls verliebt. Für Elton war das Erwachen seiner schwulen Sexualität längst überfällig: „Ich war etwa 23 Jahre alt. Und es war wie ein Vulkanausbruch. Alles drängte aus mir heraus, es war eine unglaubliche Erleichterung.“(52)

      Von San Francisco aus reisten Elton und sein Tross nach New York, wo ein spezielles Showcase für die Manager von MCA/UNI Records geplant war. Leider war der Auftritt in Manhattan, verglichen mit den triumphalen Konzerten in Los Angeles und San Francisco, ein ziemliches Durcheinander. Die Show war Teil eines privaten Mittagessens für die Presse, das im Playboy Club im Stadtzentrum stattfand. Eric Van Lustbader schrieb in der Zeitschrift Record World: „Zwei weitere neue Acts standen auf dem Programm, aber da es ein normaler Werktag war, verabschiedeten sich viele der Journalisten schon, bevor sie auf die Bühne kamen. Der Sound war so schlecht, dass Elton anschließend völlig außer sich war und Tränen in den Augen hatte.“(53) Diese desaströse Pressevorführung war allerdings angesichts der großartigen Erlebnisse, die noch folgten, schnell vergessen.

      In New York City übernachteten Elton und seine Truppe in einem Hotel auf der Eighth Avenue, das Loew’s Midtown hieß. Elton und Bernie wollten nach Harlem zum berühmten Apollo Theater in der 125th Street fahren, um den legendären Tempel amerikanischer Soulmusik zumindest einmal von außen gesehen zu haben. Sie mussten drei Taxifahrer anhalten, bis einer überhaupt bereit war, nach Harlem hineinzufahren. Dort standen die beiden ehrfürchtig vor dem Gebäude und kehrten dann in ihre etwas abgerissene Unterkunft in der Nähe des Times Square zurück. Sie hatten gehört, dass New York eine gefährliche Stadt war, und bekamen das prompt bestätigt, als am Abend eine Schießerei am Times Square ausbrach.

      Die nächste Station dieser entscheidenden Tour war Philadelphia, wo Elton als Headliner in der Electric Factory spielte. Zwar bescherte ihm diese Tour tatsächlich den großen Durchbruch als Star, aber UNI Records musste dafür auch ziemlich tief in die Tasche greifen. Russ Regan erinnerte sich an zahlreiche Diskussionen mit dem Label über die Kosten. „Ich musste mich wegen vieler Dinge rechtfertigen“, sagte er, „und man sagte mir, dass ich nicht so viel hätte ausgeben sollen, dass ich viel zu viel Geld für den Künstler bereitstellte, und ehrlich gesagt, mir ging das ganz schön auf die Nerven. In Philadelphia bekam ich dann einen Anruf vom Controller der Firma. Er sagte mir, dass man im Unternehmen schon von ‚Regans Privatvergnügen‘ sprach, weil ich so viel aus dem Promotionetat für einen Künstler aufwendete, der nichts verkaufte. Und das stimmte ja auch, noch verkaufte er keine Millionen Singles oder Alben. Wenn ich je kurz vor einem Herzinfarkt gestanden habe, dann war das damals im Holiday Inn in Philadelphia – es gibt Zeugen dafür, wie ich den Typen am Telefon anbrüllte, er könne mich mal. Ich hatte das Gefühl, einen Superstar am Start zu haben, und ich hatte nicht die Absicht, meine Pläne mit ihm aufzugeben.“(54) Es war Glück für Elton, dass Russ Regan für das kämpfte, woran er glaubte – an Eltons Talent und an die große Karriere, die ihm bevorstand.

      Als Elton wieder nach England zurückkehrte, musste er zunächst sein kommendes Album fertig stellen und den Soundtrack zu einem Film einspielen. Wie er damals sagte, war er sehr enthusiastisch, was die neue Platte betraf: „Sie ist so ganz anders als die letzte. Ich wollte weg von den Orchestersachen. Ein Titel besteht nur aus Gesang und Klavier, live eingespielt. Ein Song von Leslie Duncan ist dabei, den ich immer schon aufnehmen wollte, und dann noch einer von uns, der ‚Burn Down The Mission‘ heißt und für mich das Beste ist, was wir bisher gemacht haben. Es ist insgesamt alles etwas schlichter und geht mehr in Richtung Funk.“(55)

      Die Tour in den USA hatte unter anderem auch den inneren Kreis der „Elton John Band“ eng zusammengeschweißt. Elton, Nigel Olsen und Dee Murry waren nicht mehr nur Bandkollegen, sie waren auch Freunde geworden. „Wir sind jetzt eine richtige Band“, sagte Elton damals, „und die Jungs haben mir unheimlich geholfen. Zwischen uns gibt es jetzt schon einen enormen Zusammenhalt, auch musikalisch, aber nächstes Jahr werden wir unglaublich sein. Amerika hat uns sehr viel Selbstbewusstsein gegeben, und ich muss ihnen überhaupt nicht mehr sagen, was sie tun sollen, weil wir alle wissen, was anliegt. Es gibt ein paar Songs mit komplizierten, gebrochenen Rhythmen, aber sie spielen sie einfach, ohne dass ich irgendwas erklären muss.“(56)

      Nach den triumphalen Wochen in den USA kehrte Elton John selbstbewusst und erfolgreich nach England zurück. Seine Karriere hatte in Amerika einen enormen Schub bekommen. Er war von Danny Hutton herumgeführt worden, hatte Brian Wilson getroffen und ihm seine Songs vorgespielt, und sein Idol Leon Russell hatte seine Musik gelobt. Und davon abgesehen hatte er plötzlich auch einen Freund. Um all das gebührend zu feiern, zog er in eine neue, luxuriöse Wohnung – zusammen mit John Reid. Als er sein Heimatland verlassen hatte, hatte er unsicher in die Zukunft geblickt – nun kam er als anerkannter Star zurück.

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