Die Doors, Jim Morrison und ich. Ray Manzarek

Die Doors, Jim Morrison und ich - Ray  Manzarek


Скачать книгу
durchdacht. Und nie ohne Bedeutung. Meist gab es sogar mehrere Bedeutungsschichten. Ich liebte es, seinen Worten zuzuhören. Was für eine Tiefe, was für ein Spiel mit Wendungen. Ein Mann des Wortes, fürwahr.

      O great creator of being, grant us one more hour

      to perform our art and perfect our lives.

      Das wollte ich für seinen Grabstein.

      Coda queen, be my bride.

      Rage in darkness by my side.

      Seize the summer in your pride.

      Let’s ride!

      Das war für Pam.

      Wild child, natural child.

      Not your mother’s or your father’s child;

      you’re our child, screaming wild.

      Das war für Danny.

      Well, she’s fashionably lean,

      And she’s fashionably late.

      She’ll never rank a scene,

      She’ll never break a date.

      But she’s no drag,

      Just watch the way she walks,

      She’s a twentieth-century fox.

      Das war für Dorothy.

      Persian night, babe.

      See the light, babe.

      Jesus!

      Save us!

      Das war für ihn.

      I love the friends I have gathered together on this thin raft.

      We have constructed pyramids in honor of our escaping.

      Das war für John und Robby.

      Lost in a Roman wilderness of pain.

      And all the children are insane,

      Waiting for the summer rain.

      Das war für uns alle.

      Seine Worte. Sie hatten stets etwas Magisches. Sie boten Zuflucht vor dem irren Geheul der Nacht. Ich wußte, daß wir Menschen waren, stark, gut und göttlich, wenn ich seine Verse las. Ich wußte, daß wir alle dem Schrecken etwas entgegen­zusetzen hatten. Seine Worte zeugten von der Macht unserer Schöpfung. Sie bewiesen, daß wir den Willen hatten, durch Kunst etwas zu erschaffen. Sie zeigten, daß wir fähig waren, uns in höhere Gefilde zu bewegen, aus dem Schlamm empor­zusteigen, bis zu dem großen goldenen Gestirn, das uns wärmt und schützt. Bis zur Sonne – dieser glühenden Scheibe, dieser Manifestation unserer Erschaffung, als wir kraft unseres Willens Leben aus Leben entstehen ließen. Diese Energie, göttlich und menschlich. Von uns, uns allen. Und Jims Worte. Für uns, für uns alle.

      In that year we had an intense visitation of energy.

      Jenes Jahr, in dem wir die intensive Energie derart spürten, begann im Sommer 1965 und endete am 3. Juli 1971.

      ***

      Ich sah Jim Morrison zum letztenmal im Frühjahr 1971, im Aufnahmestudio in Los Angeles, 8512 Santa Monica Boulevard, an der Kreuzung von La Cienega und Santa Monica. Wir hatten das Büro und den Proberaum der Doors für die „L. A. Woman“-Sessions zum Studio umgebaut. Wir kannten den Sound in diesem Raum. Wir fühlten uns dort wohl. Die Vibrations waren durch jahrelanges gemeinsames Proben, Lachen, Philosophieren, Trinken und Kiffen bestens getunt. Das war ein Zuhause für uns. Und dieses Mal würden wir auch selbst produzieren.

      Paul Rothchild hatte sich von dem Projekt zurückgezogen. Er hatte es sehr geschickt angefangen, uns zu motivieren. Paul war eine echte Spielernatur. „Ihr langweilt mich“, sagte er. „Wenn ihr nichts Besseres zuwege bringt, haue ich ab. Dann könnt ihr das selber machen.“ Und dann stand er mitten in einer ziemlich schlappen Probe auf und ging. Ach du liebe Zeit! Wir – selbst produzieren? Tja … warum eigentlich nicht! Klar können wir das. Das geht schon. Mit Bruce Botnick als Koproduzent. Der hat natürlich auch keine Ahnung, aber er kennt unseren Sound. Er weiß, was wir wollen. Seit unserem ersten Album ist er als Toningenieur dabeigewesen. Er hat unseren Sound mit kreiert, und jetzt ist er eben Koproduzent.

      Also taten wir diesen wichtigen Sprung ins kalte Wasser gemeinsam – John, Robby, Jim, Ray und Bruce Botnick. Und wie es bei einem mutigen Schritt gewöhnlich so ist, landeten auch wir auf den Füßen. Sowohl von der Kritikerresonanz wie auch aus ästhetischer Sicht war „L. A. Woman“ ein erfolgreiches Unterfangen. Die Energie war auf unserer Seite.

      Bruce rollte eine Achtspurmaschine aus dem Elektra-Studio einfach über den La Cienega Boulevard hinunter bis zu uns. Dann schleppte er Mikros, Kabel, Schalldämmung, Verstärker an … was man eben so braucht. Und ein altes Röhrenmischpult aus dem Sunset Sound, wo wir mit den ersten beiden Alben, „The Doors“ und „Strange Days“, unser erstes Lehrgeld gezahlt hatten. Kein Mensch ­benutzte noch diese Röhrenmischpulte. Sie waren total veraltet, aber Mann, sie hatten einen warmen Klang. Was hatten die für einen satten, vollen Sound! Dieses Ding sah aus, als sei es von einer Big-Band-Veranstaltung mit Gene Krupa übriggeblieben, wie das Armaturenbrett in Flash Gordons Raumschiff. Große schwarze Bakelitknöpfe. Keine Schieberegler, sondern Drehknöpfe. Da konnte ein Mann so richtig die Hände drauflegen. Sie hatten etwas Solides an sich, sie gaben ein vertrauenerweckendes, gutes Gefühl. Wie wenn man sich in einer Kontinuität mit den Künstlern vergangener Tage befindet; aufnahmetechnisch mit der Zeit gehen, aber sich einen Sinn für die Tradition bewahren. Das Ding war ganz in Silber und Schwarz gehalten und hatte beleuchtete Pegelanzeigen, deren Nadeln wir ständig ins rote Feld jagten. Wir trieben dieses Pult mit seinem betörenden Sound bis an seine Grenzen. Und es ließ uns nie im Stich.

      Wir bauten die Instrumente im Untergeschoß auf, stellten zur Schallisolierung ein paar Dämmwände hin, plazierten die Mikrofone vor den Verstärkern und installierten ein Gesangsmikrofon in Jims Tonkabine, dem unteren Badezimmer. Dann verlegten wir die Kabel zur Hintertür hinaus und die Feuertreppe hoch, ­stellten das Pult und die Achtspurmaschine ins Büro, stöpselten die Kabel ein – und voilà! Ein Aufnahmestudio im Workshop der Doors. Wir hatten uns zu Hause eingerichtet und konnten loslegen.

      Are you a lucky little lady in the city of light …

      Or just another lost angel …

      City of night.

      City of night.

      City of night.

      City of night!!

      Und wir brachten diesen kleinen Raum so richtig zum Beben. Preßten die Songs in Form. Rangen mit der Kreativität wie Jakob mit dem Engel und erhaschten die Muse. Alles lief toll, und die Ziellinie kam in Sicht. Jim hatte seine Vocals fertig. Er mußte nur noch den geflüsterten Text bei „Riders On The Storm“ singen – direkt nach diesem letzten Vers:

      Riders on the storm

      Riders on the storm

      Into this house we’re born

      Into this world we’re thrown

      Like a dog without a bone

      An actor out on loan

      Riders on the storm

      Danach setzte Jim mit geisterhafter, unheimlicher Flüsterstimme ein:

      Riders on the storm

      Riders on the storm

      Und es war absolut unheimlich. Ich hätte damals wissen sollen, daß es ein böses Omen war. Wir beendeten die Aufnahme, und er kam in das zum Control Room umfunktionierte Büro. Wir alle fanden seinen Gesang großartig. Er war mit seiner Leistung sehr zufrieden.

      „Es wirkt genau richtig“, sagte er. „Gute Idee, Ray.“

      Dann meldete sich Robby zu Wort. „Wißt ihr, bei dem Song fühle ich mich, als ob ich draußen in der Wüste wäre. Ich kann am Horizont Gewitterwolken aufziehen sehen, so richtig große. Warum legen wir nicht noch Donner und vielleicht


Скачать книгу