Die Doors, Jim Morrison und ich. Ray Manzarek

Die Doors, Jim Morrison und ich - Ray  Manzarek


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erinnern. Wie eine Welle überschwemmten Nervosität und ihre böse Schwester, die Machtlosigkeit, unsere unteren drei Chakras. Wir waren in die Dunkelheit getreten, und dies war ein angsteinflößender Ort.

      Tja, und was geschieht dann? Fünf Minuten später kommt Jim Morrison rein. Springlebendig und in bester Partylaune! Wir, erleichtert: „Verdammt, Jim, wir hatten gehört, du seiest tot.“ Er guckt uns fragend an, und dann zitiert er diesen klasse Spruch von Mark Twain: „Nee, Mann, die Gerüchte über meinen Tod waren stark übertrieben.“ Alles atmet erleichtert auf, wir lachen über unsere Leichtgläubigkeit, und die Party geht weiter … in eine lange Hollywood-Nacht hinein.

      Deswegen glaubte ich Siddons nicht, als er wiederholte, daß unser Sänger tot sei. Es hatte nichts damit zu tun, daß ich mir nicht vorstellen konnte, daß mein guter Freund gestorben sei. Ich konnte in diesem Moment nur daran denken, wie Jim bei dieser Party dagestanden hatte, mit diesem trägen Lächeln auf seinem schönen dunklen Gesicht, und wie er die absurde Situation genoß, für tot erklärt zu sein, während er sich noch seines Lebens erfreute. Ich dachte daran, wie albern es mir damals vorgekommen war und beschloß, die Sache einfach abzutun – sie genauso zu behandeln wie die anderen halbgaren Legenden, die ich zuvor schon gehört hatte. Es war bloß wieder so ein paranoides Todeshirngespinst, das seine Finger nach uns ausstreckte. Und ich würde auf keinen Fall nach Paris fliegen, bloß um einem so unwahrscheinlichen Gerücht auf den Grund zu gehen.

      „Kann ich mir nicht vorstellen, Bill. Und ich fliege ganz bestimmt nicht nach Paris. Erinnerst du dich noch an diese Party?“

      „Ich glaube, diesmal ist es ernst, Ray“, entgegnete Bill.

      Ich wurde für eine Sekunde nachdenklich, als ich die Panik in Siddons’ Stimme bemerkte.

      „Weißt du was“, meinte ich, „es geht doch mittags eine Maschine nach Paris, oder? Kauf dir ein Ticket erster Klasse und flieg rüber.“

      „Das Ticket habe ich schon gekauft, Ray. Ich brauche nur dein Okay.“

      „Also, das hast du, Mann. Jetzt aber los.“

      „Ich rufe dich an“, bekräftigte er. „Wenn ich da bin.“

      „Und, Bill“, warnte ich noch, „geh ganz auf Nummer Sicher, ja? Check ­diesmal wirklich alles gründlich.“ Und damit legte ich auf.

      Drei Tage später rief er wieder an.

      „Wir haben gerade Jim Morrison begraben“, sagte die Stimme am anderen Ende der Leitung.

      „Wer ist dran?“, brüllte ich wütend in den Hörer.

      „Bill, Bill Siddons“, tönte es fast schüchtern zurück.

      „Bill! Was zum Teufel soll das heißen: ,begraben‘? Du meinst, das ist keine idiotische Wahnvorstellung? Du meinst, er ist wirklich tot?“

      „Diesmal stimmt es tatsächlich, Ray.“

      „Wie kann das sein? Was … was ist denn passiert? Ich meine, ist er über­fahren worden, oder hatte er einen Unfall? Ist ihm ein Haus auf den Kopf gefallen, verdammte Scheiße …“ Ich war sauer.

      „Das wissen wir nicht.“

      „ … oder hat ihn jemand umgebracht, verdammt noch mal? Hat ihn jemand erschossen oder vielleicht erstochen?“

      „Ich weiß es nicht, Ray.“

      „Was soll das heißen, du Arschloch: Ich weiß es nicht?“

      „Es war nichts in der Richtung. Er ist einfach … gestorben.“

      „Du lieber Gott.“ Ich versuchte, das zu realisieren. Es war nicht zu ver­arbeiten. „Was?! Wo denn?“

      „In seiner Wohnung. In der Badewanne.“

      „Wollte ihn jemand ertränken oder …?“

      „Nein“, sagte Bill. „In dem ärztlichen Bericht steht so was wie Herzstillstand. Ist alles auf Französisch, ich kann das nicht lesen.“

      „Mann, Alter. Wie sah er denn aus?“

      „Das weiß ich nicht, Ray.“

      „Wenn du das noch mal sagst, erwürg’ ich dich. Ich will wissen, wie er aussah. Komm mir nicht mit ,weiß ich nicht‘.“ Und dann versetzte er mir noch einen Schlag.

      „Ich weiß es wirklich nicht. Ich habe seine Leiche nie gesehen.“

      „Wie kann das sein?“ Am liebsten hätte ich den Hörer auf den Küchentisch gedonnert, wo Dorothy und ich gerade frühstückten. Oder ihn Siddons über den Kopf gezogen. Das kommt davon, wenn man jemanden losschickt, der seinem Job nicht gewachsen ist.

      „Der Sarg war versiegelt.“

      „Du willst damit sagen, du hast Jims Leiche nie gesehen? Warum hast du den Sarg nicht öffnen lassen?“ Ich war weiß vor Wut.

      Seine Stimme fing an zu zittern. „Ich konnte es nicht.“

      „Warum hast du nicht darauf bestanden, ihn zu sehen? Warum hast du nicht gesagt: ,Ich muß Jim Morrison sehen. Ich bin der Manager, und ich muß seine ­Leiche sehen!‘ Warum nicht?“ Und dann das Verrückte …

      „Ich hatte Angst“, gestand er.

      „Ihr habt also einen Sarg begraben?“

      „So war’s, Ray. Wir haben ihn heute morgen beerdigt.“

      „Woher willst du überhaupt wissen, daß er wirklich in diesem Sarg war?“, brüllte ich ihn an. „Woher willst du wissen, daß es nicht vielleicht bloß anderthalb Zentner Sand gewesen sind?“

      „Na ja, äh, Pam war total fertig, sie hat geheult und so. Und, äh, ich meine … er war da drin. Das weiß ich.“

      „Oh Gott.“ Irgend etwas saugte mir die Luft aus dem Körper. Die ganze wirre Geschichte nahm plötzlich Gestalt an.

      „Bill, ich hatte gesagt: Check alles genau ab! Und du weißt überhaupt nichts.“ Ich machte eine Pause, rang nach Luft und versuchte, etwas Greifbares zu finden. „Wo … wo habt ihr ihn begraben?“

      „In Paris. Der Friedhof heißt Père Lachaise oder so. Ich habe keine Ahnung, wie man das genau ausspricht, Ray.“

      „Macht nichts, Bill.“

      „Es ist nicht übel da“, versuchte er jetzt ein bißchen wiedergutzumachen. „Eine Menge berühmter Künstler sind da begraben. Chopin und, äh, Sarah Bernhardt und Oscar Wilde und … äh …“ Ich konnte hören, wie angestrengt er ­nachdachte. „Keine Ahnung, wer sonst noch, aber es sind eine Menge mehr.“

      „Ganz toll, Bill. Aber ist Jim da begraben?“

      „Hab ich dir doch gesagt. Ja, wir haben ihn gerade beerdigt.“

      „Ihr habt einen versiegelten Sarg beerdigt, Mann. Jetzt werden wir die ­Wahrheit nie erfahren. Ab jetzt wird es nur noch Gerüchte und Geschichten geben.“

      „Wie meinst du das, Ray?“

      „Vergiß es, Bill. Eines Tages wirst du es begreifen. Komm jetzt nach Hause.“

      Ich legte einfach auf. Mehr gab es nicht zu sagen. Ich fand später heraus, daß Agnes Varda, Alain Ronay, Pam und Siddons die einzigen bei der Beerdigung gewesen waren. Nur vier Leute an einem schönen Pariser Morgen. Und er war ­gegangen. Er war nach Paris gereist, um Urlaub zu machen. Um ein bißchen auszuspannen. Und dann war er tot. So einfach. So kompliziert.

      Es gab ein paar öffentliche Statements. Die Presse wurde informiert. Elektra Records wurden informiert. Unser Rechtsanwalt wurde informiert. Und dann ­begannen die Gerüchte zu kursieren. Ich möchte diesen ganzen Andeutungen nicht auch noch zusätzliches Gewicht verleihen, indem ich sie hier wiederhole. Aber wenn ihr dieses Buch hier lest … dann kennt ihr vermutlich schon eine Reihe davon. Selbstmord. Mord. CIA-Verschwörung. Er lebt in Wirklichkeit in Afrika. In der australischen Wildnis. Er ist tibetanischer


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