Mein Leben - Meine Musik. John Fogerty

Mein Leben - Meine Musik - John Fogerty


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Als ich ihm ein Stück Papier und einen Kugelschreiber überreichte, damit er mir sein Autogramm gab, schrieb er ein krakeliges X. Wenn ich ein Erwachsener gewesen wäre, hätte er meinen Wunsch sicher abgelehnt, um nicht preisgeben zu müssen, dass er nicht schreiben konnte. Dieses Stück Papier bewahrte ich lange Zeit in meiner Sockenschublade auf, bis es irgendwann verschwand. Allerdings bin ich der Meinung, dass die Erinnerung daran tatsächlich besser ist als das eigentliche Stück Papier. Immerhin hatte ich Lightnin’ Hopkins getroffen.

      Pete Seeger war der beste Entertainer, den ich je erleben durfte, und außerdem ein unglaublicher Musiker! Wenn er eine Geschichte erzählte, dann bewegte er seinen hageren Körper hin und her. Und wenn aus seinem Mund „Michael, row the boat ashore …“ erklang, dann befand man sich gemeinsam mit Pete in ebendiesem Boot. Dann brachte er das Publikum noch dazu, ihn dreistimmig zu begleiten. Man dachte sich anschließend: „Verdammt, wie haben wir das alle nur eine ganze Stunde lang hinbekommen?“ Ich habe nie einen anderen erlebt, der das vermocht hätte. Keinen einzigen. Ich hab es ja selbst ein paar Mal versucht! Ich habe Frank, Sammy, Dino, Elvis und wie sie alle heißen gesehen – aber Pete Seeger verfügte über eine ganz besondere Qualität als Entertainer. Pure Magie! Es war authentisch und ging ihm mühelos von der Hand.

      Ungefähr zu dieser Zeit, als ich ihn live sah, musste Peter vor dem Komitee für unamerikanische Umtriebe erscheinen. Er stellte sich seinen Angreifern aber entgegen und ließ sie wissen: „Ich habe das Recht auf meine Überzeugungen.“ Und diese Art von Haltung und Gesinnung wurde auch durch seine Musik befördert. So erreichte er die Leute viel besser als mit flammenden Appellen, was vor allem auf unbedarfte Kids wie mich zutraf. Da gab es also Menschen, die für eine Überzeugung eintraten und sogar starben, die Gutes für mich bewirken würde? Und wenn nicht genug Leute dafür einträten, würde ich nicht in Freiheit leben können? Das sprach mich alles sehr an. Ich liebte Pete und lernte so viel von ihm. Er spielte gerne Songs, die Botschaften vermittelten, doch verlor er auch nie aus den Augen, dass es auch darum ging, einfach miteinander zu singen und Spaß zu haben.

      Was Folk-Musik betraf, so konnte man aus einem großen Repertoire schöpfen, und beileibe nicht alles war durchtränkt von Traurigkeit.

      Aber obwohl ich auf Rock ’n’ Roll abfuhr, saugte ich auch diese Musik­richtung auf und fuhr total darauf ab. Auch wenn es mir damals nicht bewusst war, hat mich Pete mehr beeinflusst als die ganzen Rock ’n’ Roller.

      Folk, Rock, Blues, Country – ich machte da keine Unterschiede. Ich war jung und für alles offen. So wollte ich auch etwa später einmal „Both Sides Now“ von Joni Mitchell mit Creedence covern. Ich liebte diese Nummer und dachte mir: „Mann, in meinem Stil und mit einer Rock ’n’ Roll-Band würde das sicher cool klingen.“ Leider wurde nichts daraus.

      Ich bin auch heute noch so. Sobald ich einmal loslege, kann man mich nur mehr schwer bremsen. Ich habe noch gar nicht Songs wie „The Slummer the Slum“ von den 5 Royales oder „I Confess“ von den Four Rivers erwähnt. Letzteren coverte ich in den Achtzigerjahren, obwohl ich auf eine tiefere Tonart zurückgreifen musste. Nur Wahnsinnige kennen diese Nummer – und, jawohl, ich bin so ein Wahnsinniger.

      Dann gab es da noch „Henrietta“ von Jimmy Dee and the Offbeats. Das war eine wilde Rockabilly-Nummer. „The Offbeats“ war ein herrlich blödsinniger Name. Schon ziemlich punkig, wenn man so will: „Wir sind beschissen! Erschießt uns doch!“ Der Song erschien 1958 auf dem Label Dot Records.

      Der Bandname, das Label, das Plattencover, der Sound und die Abfolge der Songs – all diese kleinen Details waren mir sehr wichtig. Ein Album wurde durch diese Dinge nur noch mysteriöser für mich. Es fesselte einen und offenbarte sich schrittweise. Das ist etwas, was ich heutzutage an der Musik vermisse.

      Das bringt mich zum Unterricht von Mrs. Starck. In der siebten und achten Klasse, als ich die Portola Junior High besuchte, belegte ich nämlich einen Kurs für Musikliebhaber bei eben jener Dame. Ihre Stunden umfasste Musikgeschichte, und auch Instrumente – in erster Linie Rhythmusinstrumente – kamen zum Einsatz. Ich war ein großer Fan dieser Stunden. Mrs. Starck hatte ihre Haare zu einem Zopf gebunden und trug Perlen. Sie hatte etwas von einem Beatnik und war hinreißend. Wir lernten etwas über Mozart und Beethoven, wobei mich der Umstand, dass Beethoven taub war, schwer faszinierte. Sogar Boogie-Woogie – Meade Lux Lewis, Albert Ammons und solche Leute – kamen in ihrem Unterricht zur Sprache. Mrs. Starck begegnete all diesen Themen mit großer Ernsthaftigkeit. Für sie war alles echte Musik, und Boogie-Woogie durfte ruhig im selben Atemzug mit Beethoven genannt werden. Das war richtig cool. Wir erfuhren sogar ein wenig über das Musikbusiness, etwa über die Bedeutung von Verträgen und dass diese oft unfair waren. Da hätte ich wohl ein bisschen besser aufpassen sollen.

      Eines Tages wandte sich Mrs. Starck an mich: „John, du sammelst doch Schallplatten. Warum bringst du nicht ein paar von deinen Favoriten mit, damit wir sie uns anhören können und du uns erklären kannst, warum sie dir gefallen.“ Ich fand das so cool von ihr. In der nächsten Musikstunde spielte ich der Klasse „I’m Walkin’“ von Fats Domino vor. Ich liebte Fats, und es gefiel mir ungemein, wie sich dieser Song einfach seine Zeit zu nehmen schien. Außerdem brachte ich noch „Boppin’ the Blues“ von Carl Perkins mit. Möglicherweise auch „Henrietta“.

      Mrs. Starck war sehr tolerant und eine große Inspiration. Statt mich daran zu hindern, am Klavier Rock ’n’ Roll zu spielen – und ich bin mir sicher, dass das damals noch ziemlich abscheulich klang ‒, ermutigte sie mich und vermittelte mir das Gefühl, dies sei die coolste Sache auf der Welt.

      Am Ende des Schultages hatten wir üblicherweise Sportunterricht, der ganz in der Nähe ihres Klassenzimmers stattfand. Also stahl ich mich eines Tages aus dem Turnsaal davon, um mich ins Musikzimmer zu schleichen. Das war in der achten Klasse. Ich weiß nicht, woher ich die Chuzpe nahm, aber ich setzte mich ans Klavier und spielte einfach drauflos. Ich bin nämlich eigentlich ein sehr scheuer Typ. Plötzlich umstanden mich ein paar Kids. Ich spielte einige Sachen, die ich mir zu Hause beigebracht hatte: „Do You Want to Dance“ und eine paar Instrumentalstücke, die ich auf den schwarzen Tasten in Fis spielte. Das erinnerte an eine Art bluesigen Boogie-Woogie. Nachdem sich das ein paar Tage hintereinander wiederholt hatte, trat ich bereits vor einem richtigen kleinen Publikum auf. Eines Tages kreuzte auch Doug Clifford auf. Er ließ mich wissen, dass er Schlagzeug spiele und sogar seine eigene Ausrüstung besitze, weshalb wir vereinbarten, uns zusammenzutun.

      Als ich schließlich bei ihm vorbeikam, stand da eine Snare-Drum auf einem Blumentopfständer und daneben ein einzelnes Becken. Das war alles. Ein wenig später organisierte sich Doug noch eine Hi-Hat von einem gewissen Rich Knapp, der das Ding im Werkunterricht angefertigt hatte. Das Ding mochte zwar selbst gebastelt sein, doch es funktionierte. Und so begannen wir, gemeinsam zu musizieren – ich mit meiner kleinen Gitarre und meinem Verstärker und Doug mit seiner Blumentopf-Trommel und dem Becken.

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      ICH ERINNERE MICH NOCH an einen Ausflug mit meinem Vater nach Montana im Sommer nach der neunten Klasse. Ich hatte meine Gitarre, eine Silvertone, mit dabei und spielte auf dem Rücksitz des Autos vor mich hin. Ich versuchte mich an „Red River Valley“ in einer Moll-­Tonart, wodurch es ein wenig bluesiger oder folkiger klang. Auch meinem Dad fiel das auf. Es war so verdammt heiß, dass das Kunststoff-Griffbrett der Gitarre sich aufwölbte wie eine schmelzende Kerze. Es müssen über 40 Grad gewesen sein, aber mir war das egal. Ich hatte meine Gitarre und befand mich in einer Zauberwelt, in der ich einem geheimen Schamanen-Pfad folgte. Anders kann ich das gar nicht beschreiben. Heute habe ich genau die gleiche Verbindung zur Musik. Ich hatte schon bei meiner Geburt ein Liedchen auf den Lippen. Ich wollte mich musikalisch ausdrücken und wusste, dass ich mich sonst nicht komplett fühlen würde.

      Die erste Gitarre, die wir zu Hause hatten, war eine alte Stella, die stabil wie ein ’48er Ford gebaut war. Wir Jungs spielten gerne im Haus Baseball, und die Stella war unser Schläger! Allerdings weiß ich nicht, ob sie meinem Dad oder meiner Mom gehörte, weil sie niemand spielte. Mein Dad dürfte ein paar Griffe gekannt haben, doch als ich mich ernsthaft dafür zu interessieren begann, war er schon seit Jahren außer Haus.

      Meine


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