Mein Leben - Meine Musik. John Fogerty
erstes Radio war einer dieser Art-Deco-Apparate aus Plastik. Es war blaugrau und von Philips oder Emerson. Mit dem Geld, das ich als Zeitungsjunge verdiente, leistete ich mir schließlich einen Radiowecker. Irgendwann fielen die Regler ab. Ich nahm gern Dinge auseinander, also werde ich sie wohl selbst entfernt haben. Jedoch waren da jetzt nur mehr metallene Stümpfe. Eines Morgens stand ich nun im Wasser und wollte das Radio aufdrehen. Als ich hinlangte, erhielt ich einen ordentlichen Stromschlag. Ein Glück, dass er mich nicht umbrachte.
Ich hörte gerne vor der Schule Radio. Wenn der Wecker also anging, stieg ich auf die hölzerne Konstruktion auf dem Boden meines Zimmers, stellte den Alarm ab, warf mich wieder auf die Matratze und hörte noch eine Runde Musik. Dies war mein allmorgendlicher kleiner Tanz.
Direkt über meinem Bett befand sich eine Metallluke für den Ofen. Jeden Morgen, wenn meine Mutter sich auf den Weg zur Arbeit machte, stampfte sie darauf und rief: „John! John! Wach auf!“ Bumm, bumm, bumm.
Kennt ihr den Song „In My Room“ von Brian Wilson? Er sagt die Wahrheit. Dein Zimmer ist dein Allerheiligstes. Dort konnte ich einfach ich selbst sein. Oben, bei meiner Familie, war alles ein wenig chaotisch und anstrengend, aber dort unten war ich allein mit Duane Eddy, Elvis, Bill Haley und den Coasters. Für den Keller hatten wir keine Vorhänge oder Rollos, und die Leute aus dem Nachbarhaus konnten von ihrer Garage aus in mein Zimmer blicken. Deshalb lehnte ich die Cover meiner Platten gegen die Fenster, um die Sicht zu versperren.
Musik war mein Freund. Ich liebte es einfach, Musik zu hören, umgab mich mit ihr und dachte den ganzen Tag an nichts anderes. Ich glaube, dass mein Interesse nach der Scheidung meiner Eltern nur noch stärker wurde. Musik vermittelte Freude. Und aus irgendeinem Grund – keine Ahnung, wie oder warum – bestätigte mir dieses Hochgefühl, was ich bereits seit meiner frühesten Kindheit zu wissen schien: Musik war genau mein Ding.
ALS ICH DIE FÜNFTE KLASSE besuchte, kam ich zu dem Schluss, dass ich etwas Geld dazuverdienen sollte. Damals gab mir meine Mom einen Vierteldollar Taschengeld. Das ließ auf keinen Fall große Sprünge zu.
Die Oakland Tribune musste am Sonntagmorgen bereits um 4 Uhr ausgeliefert werden, und man brauchte zum Ausliefern einen Erwachsenen, der einen im Auto durch die Gegend fuhr. Meine Mom war dazu nicht bereit. Also übernahm ich stattdessen einen Job als Zeitungsausträger bei der Berkeley Gazette, jener kleinen Zeitung, bei der mein Dad angestellt war. Sie wurde am Sonntag nicht ausgeliefert. Außerdem befand sich die Ausgabestelle der Zeitung nur zwei Straßen von unserem Zuhause entfernt, neben dem Friedhof ganz oben in der Fairmont Avenue. Auf meiner Route musste ich auch nur ungefähr 35 Haushalte in den Straßen diesseits der Harding Grammar School beliefern. Wenn alles glattlief, verdiente ich so zwischen 20 und 25 Dollar im Monat. Allerdings stellte sich heraus, dass ein paar Leute bei der Zeitungsausgabe gewissenlos agierten. Obwohl ich nur 35 Kunden belieferte, erhielt ich nämlich manchmal 40 Exemplare der Zeitung. Für diesen Überschuss musste allerdings ich geradestehen. Deshalb musste man das bei der Berkeley Gazette melden. Auf jeden Fall passierte mir das öfter. Das zog sich über Monate hin. Manchmal hörte es auf, nur um dann wieder vor vorne loszugehen. Als ich einmal nur 31 Zeitungen für 35 Haushalte erhalten hatte, reichte es mir, und ich drehte den Spieß um. Ich ging also zu einer dieser Zeitungsboxen, aus denen man sich für zehn Cent auf Vertrauensbasis eine Ausgabe holen konnte, nahm mir die vier Zeitungen, die mir fehlten, und lieferte sie aus. Ich war echt stinksauer. Jedoch erlaubte mir diese Art der Arbeit, Dinge zu kaufen – und diese Dinge waren üblicherweise Schallplatten.
45er-Singles waren der letzte Schrei. Wenn es einen Hit-Song gab, der einem gefiel, dann kaufte man sich die Single. Die ersten solchen Schallplatten, die ich erstand, waren „The Great Pretender“ von den Platters und „At My Front Door“ von den El Dorados. Ich kaufte sie als Weihnachtsgeschenke für meine Brüder Jim und Tom. Tom und mich verband das Thema Musik schon, da gab es Rock ’n’ Roll noch gar nicht. Da war etwa dieser Song „Billy’s Blues“ von Billy Stewart. Tom fuhr echt ab auf diese Nummer. Klarerweise gab es noch kein Internet, und diese Scheibe ließ sich nirgendwo auftreiben. Also marschierte ich in einen kleinen Laden im Einkaufszentrum und überredete die Inhaber, mir die Platte zu bestellen – obwohl sie schon vor eineinhalb Jahren herausgekommen war –, damit ich sie Tom zum Geburtstag schenken konnte. Ich wusste, dass das ein kostbares Geschenk war, wertvoller als eine Million Dollar, weil man die Platte nirgendwo kaufen konnte.
Ich erinnere mich an meinen Plattenspieler, als hätte ich ihn erst gestern mit meinem Geld vom Zeitungsaustragen gekauft. Er war rot und weiß und konnte Platten in drei Geschwindigkeiten abspielen. Das war ein willkommener Bonus für Gitarristen, da man so die 45er auf 33 Umdrehungen in der Minute herunterbremsen konnte, um die Soli zu lernen. Der Lautsprecher war einigermaßen unkonventionell. Gewisse Scheiben – etwa „Susie Q“ von Dale Hawkins – „sprangen“, weshalb man den Tonarm mit einer Münze oder einer Batterie beschweren musste. Und wenn ich duschte, legte ich mir am liebsten das erste Elvis-Album auf. Elvis sah ich zum ersten Mal in der Fernsehsendung der Dorsey Brothers im Januar 1956. Die Kids liebten seine Masche – die des jugendlichen Tunichtguts. Und auch ich fühlte mich von der Gefahr angezogen, die von ihm auszugehen schien. Ich glaube nicht, dass ich damals schon selbst Gitarre spielte. Nach diesem ersten Mal, vielleicht aber auch erst nach dem zweiten Mal, dass ich ihn gesehen hatte, posierte ich mit einem Besen vor dem Spiegel und imitierte seine verächtliche Mimik. Ich war hypnotisiert von ihm, obwohl ich nicht einmal wusste, warum eigentlich.
Es war die B-Seite von „I Want You, I Need You, I Love You“, die es mir so richtig angetan hatte. Ich war gerade zu Besuch bei meinem Dad, als beim Einkaufen im Lebensmittelgeschäft aus der Jukebox der Song „My Baby Left Me“ ertönte. Was war das denn? Ich rannte hinüber zur Jukebox, um nachzusehen. Elvis! „My Baby Left Me“ ist einer der besten Rock ’n’ Roll-Songs, der je auf Vinyl gepresst wurde. Die Gitarre war einfach so unbeschreiblich gut. Mensch, das hatte einfach Attitüde und Biss. Das machte auch einen großen Teil dessen aus, was die Scheibe so besonders machte.
Es war Scotty Moore, der die Rock ’n’ Roll-Gitarre erfand. Zwar kannte ich damals seinen Namen noch nicht und war auch noch kein Musiker, doch ich wusste auf der Stelle: Was auch immer das war, ich wollte genau das machen.
Als ich bei meinem Dad in Santa Rosa war, wollte ich mir eigentlich das erste Elvis-Album kaufen. Ich besaß vier Dollar und 14 Cent. Als ich im Einkaufszentrum damit aufkreuzte, war es allerdings vergriffen. So kaufte ich schließlich Bill Haleys Album Rock Around the Clock. Das Gitarrenspiel auf dem gleichnamigen Song war allen anderen weit voraus. Haleys Gitarrist Donny Cedrone, der ein wenig älter und fortgeschrittener als der typische Rock ’n’ Roller war, interpretierte seinen Part irgendwie jazzig. Sein Solo habe ich erst vor zwölf Jahren oder so richtig gelernt! Na ja, in der folgenden Woche besorgte ich mir dann noch die Elvis-Scheibe, und von da an hörte ich die beiden LPs so lange, bis ich sie auswendig kannte.
Ich sah Elvis schließlich 1970 im Oakland Coliseum. Da spulte er sein Programm ohne Punkt und Komma ab – die ganze Vegas-Masche mitsamt Karate-Moves und so. Elvis hatte eine Version von „Proud Mary“ aufgenommen, was natürlich eine große Ehre war, aber er schien sich nicht viel Zeit dafür genommen zu haben. Wenn ich etwas mehr Taktgefühl besäße, würde ich das vermutlich anders formulieren. Ja, es war schon etwas Besonderes, dass mein Idol einen meiner Songs sang, aber trotzdem hätte ich mir gewünscht, er hätte eine Hammer-Version abgeliefert.
Ich habe Elvis leider nie persönlich kennengelernt, obwohl das echt cool gewesen wäre. Er wurde verrückt und verlor einfach den Boden unter den Füßen. So ist es uns allen schon mal gegangen – dem einen mehr, dem anderen weniger.
Ich befasste mich auf einer sehr persönlichen Ebene mit Elvis. Sogar als ich noch ein Kind war und mit meinem Geld vom Zeitungsaustragen im Plattenladen stand, brachte er mich dazu, über Wertvorstellungen nachzudenken. Ich überlegte, mir eine Elvis-Single zu kaufen, doch er befand sich gerade in seiner „Big Hunk O’ Love“- und „Doncha’ Think It’s Time“-Phase. Und ich dachte: Yeah, Elvis ist ja gar nicht mehr richtig Rock ’n’ Roll. Das war 1959, also noch relativ am Anfang seiner Karriere! Mir war aufgefallen,