Mein Leben - Meine Musik. John Fogerty
kaufte ich mir damals „Red River Rock“ von Johnny and the Hurricanes.
Doch Elvis war immer noch Elvis, und in den Fünfzigerjahren hatte man die Wahl zwischen ihm und Pat Boone. Elvis war einfach cool – und Pat leider nicht. Versteht mich bitte nicht falsch: Pat Boone hat einige Nummern aufgenommen, die mir gut gefallen, etwa „Bernadine“, „Love Letters in the Sand“ oder „Moody River“. Das sind großartige Songs. Dann hatte er noch ein paar echt rührselige Sachen im Repertoire, zum Beispiel „April Love“. Diesen Song hörte ich zu den seltsamsten Anlässen in meinem Kopf. Viele Jahre später war ich in Oregon auf der Jagd und kletterte einen langen, langen Grat empor. Ich war außer Atem, schwitzte, und als ich endlich oben angelangt war, ertönte diese Melodie in meinem Schädel – dumdumdum DUM, „Aaaaaapril love!“ Ich dachte mir nur: Wo kommt denn das jetzt bitte her? Als wäre es mein höchstpersönlicher Soundtrack. Pat schien ein echt anständiger Bursche zu sein, aber, na ja, eben vielleicht ein bisschen zu nett. Dasselbe ließ sich von seiner Musik behaupten. Auf keinen Fall hatte ich vor, rührselig zu wirken, doch ein Bösewicht wollte ich auch nicht sein. Damals lautete die große Frage: „Zu welcher Gang gehörst du? Zappelst du wie Elvis oder schmachtest du wie Pat?“ Eine schwere Entscheidung. Oder eigentlich nicht.
Durch Elvis entdeckte ich noch andere Schallplatten, die auf Sun Records erschienen. Etwa „Ooby Dooby“ von Roy Orbison und „Blue Suede Shoes“ von Carl Perkins. Als Elfjähriger verspürte ich dieselbe Verbindung zu Carl, wie sie auch die Beatles empfanden. Es gab sogar Zeiten, in denen mir Carl viel mehr als Elvis bedeutete, weil Carl Gitarre spielen und singen und Songs schreiben konnte. Diese Kombination beeindruckte mich sehr.
Im Baseball nannte man Willie Mays einen „five-tool player“, einen Alleskönner. Carl Perkins war in meinem Augen sein musikalisches Pendant. Zieht euch nur seine Singles „Boppin’ the Blues“ / „All Mama’s Children“ oder „Blue Suede Shoes“ / „Honey Don’t“ rein und konzentriert euch auf den scharfen Klang in seiner Stimme. Sein Gesang ist echt der Hammer! Diese beiden Singles sind immer noch, ja, perfekt. Ich musste mir „Blue Suede Shoes“ sogar drei oder vier Mal kaufen, weil sich meine Exemplare abnutzten – so oft spielte ich sie! Nach all den Jahren bin ich immer noch verblüfft, wie gut „Blue Suede Shoes“ einfach klingt. Carl verströmt ein unbeschreibliches Flair. Und der Groove der Band, dieses Country-Boogie-Ding – einfach unglaublich.
Ich traf Carl während meiner 1986er Tour in Memphis. Es war wie die Begegnung mit einem Gott. Er sagte die tollsten Sachen. Der Produzent Chips Moman begleitete ihn, und Carl sagte zu ihm: „Die Art, wie dieser Typ hier schreibt, stell dir nur mal vor, was Sam mit ihm angestellt hätte, wäre er damals bei Sun aufgekreuzt.“
Jemand, den ich verehrte, Carl Perkins, zollte mir Anerkennung? Er brachte mich in Zusammenhang mit Sam Phillips und Sun Records? Das konnte doch bloß ein Traum sein, oder? Es ging jedenfalls runter wie Öl.
Jahre später spielte ich auf einer Benefizveranstaltung für Bill Clinton, und überraschend erschien Carl Perkins. Er sagte, er arbeite gerade an einem Album mit Tom Petty. Diese Möglichkeit wollte ich nicht verstreichen lassen. Ich sah ihn mit fragendem Gesichtsausdruck an und sagte: „Und?“ Carl sah mich an und sagte: „John, ich würde mich sehr darüber freuen, wenn du mich bei ‚All Mama’s Children‘ unterstützen würdest.“ Er wusste, dass dies einer meiner Lieblingssongs war.
Unsere Version wurde nicht so gut wie das Original – ja, wie denn auch? –, aber ich bin dennoch froh, dass wir zusammen im Studio waren. In erster Linie wegen folgender Anekdote: Ich kam gerade von der Toilette, und Carl saß da mit einer Stratocaster. Er spielte darauf echt so richtig fieses Zeug. Ich hatte ihn für einen älteren, etwas gebrechlichen Mann gehalten, schließlich war er bereits 64 Jahre alt und hatte einige Operationen und einen Herzinfarkt hinter sich. Und da war er nun, rockte mit allem drum und dran so richtig drauflos. Einen Augenblick lang war ich völlig perplex.
Dann ging mir allerdings doch noch ein Licht auf: Natürlich kann Carl so spielen, immerhin ist er einer der zwei, drei Typen, die diesen Sound begründet haben. Warum sollte ich also davon überrascht sein? Carl verstarb 1998. Und bis heute habe ich seine Nummer in meinem Telefon eingespeichert.
Ich habe bereits erwähnt, dass ich mit acht via KWBR in Kontakt mit dem Blues kam: Muddy Waters, Howlin’ Wolf, B. B. King, Elmore James, John Lee Hooker. Howlin’ Wolfs Einfluss auf meinen Gesang war unermesslich. Hört mal genau hin: „Big wheel keep on toinin’.“ Damals fiel mir das aber nicht weiter auf. Es kam mir ganz natürlich vor.
Schnellvorlauf in den August 1968. Howlin’ Wolf tritt vor Creedence auf, was mir sogar heute noch rätselhaft erscheint. Ich stand da im Publikum und sah mir Wolfs ganzes Set an. Er war ein großer Typ. Obwohl er in erster Linie saß, war dies kein alter Mann, der einen volllaberte. Hier ging es um Leben und Tod. Hubert Sumlin begleitete ihn an der Gitarre, einer 335 Gibson, und er war ein wilder Hund. Er kam sehr jugendlich rüber und erinnerte ein wenig an Floyd Patterson, als dieser den Schwergewichtstitel gewann. Wir betraten die Garderobe und ich fühlte mich wie ein kleines Kind. Der Wolf rauchte seine Kools, genau so wie ich auch zu jener Zeit. Wir rauchten zusammen. Ich bin mir sicher, dass ihn das amüsierte. Er sah mich an, als ob er gerne meinen Kopf getätschelt hätte.
Für jeden gibt es eine Handvoll Typen, die es immer bringen. Für mich waren das stets welche, die sich einfach nicht kopieren ließen. Warum gibt es seit Jimmy Reed keinen mehr wie ihn? Weil eben keiner dazu in der Lage war. Jimmy spielte ein paar sehr hohe Mundharmonika-Soli. Keiner sonst begab sich in diese Sphären. Und auf der Gitarre hatte er es nicht eilig. Hie und da baute er ein paar sonderbare Noten ein. Ebendiese Noten waren aber sein Markenzeichen. Ich habe mir erst vor ein paar Tagen „Honest I Do“ ungefähr drei Mal angehört. Mann, das hat einfach dieses Feeling. Alles geschieht darin aus einem Grund. Die Band ist einfach so eingespielt.
Ich habe ihn bloß ein einziges Mal gesehen, und zwar 1964 im Berkeley Community Theatre. Jimmy war sturzbetrunken. Besoffen. Seine Gitarre war verstimmt, und er musste während seines Auftritts sitzen. Ich weiß noch, dass nach drei ziemlich zusammenhanglos vorgetragenen Songs irgendwer im Publikum rief: „Stimm deine Gitarre!“ Wenn man damals einer Ikone wie ihm so etwas auf die Bühne zubrüllte, musste schon viel im Argen liegen. Es war mir so unangenehm, das mitansehen zu müssen.
Später stellte sich heraus, dass ihn seine Plattenfirma um seine Tantiemen betrogen hatte, weshalb er sehr verbittert war und Alkoholiker wurde. Keine große Überraschung, oder? Obwohl ich später das Gleiche durchmachte, war mir dies eine Art Lehre. So wollte ich nicht enden. Versteht mich nicht falsch, ich war um nichts besser, aber immerhin war mir die Tragik des Ganzen durchaus bewusst.
Die neue Musik, die veröffentlicht wurde, als ich ein Junge war, war brandheiß. So kaufte ich mir etwa Bo Diddleys erstes Album. In meinen Augen war Bo wie Elvis. Außerdem war er der Auslöser für den ersten Streit, den ich mit den Jungs in meiner Band hatte. Für einen unserer Gigs bekamen wir insgesamt um die zwölf Dollar, und statt mir neue Saiten zu kaufen, ging ich mit meinen vier Kröten schnurstracks in den Plattenladen, um mir diese Scheibe von Bo zu holen. „Was?! Warum zum Geier hast du das getan?!“, hieß es da. „Weil auf dem Album gleich ein paar Songs drauf sind, die wir als Band lernen sollten, etwa ‚Before You Accuse Me‘.“ Viel später nahmen wir genau diesen Song auch tatsächlich auf. Wie ich es gesagt hatte!
Das erste Album von Bo war gerammelt voll mit gutem Zeug. Etwa „Who Do You Love?“ mit seinem „Totenkopf-Kamin“, der „Kobra-Krawatte“ und all den anderen lyrischen Extravaganzen. Diese Bildsprache faszinierte mich. Immer wieder habe ich betont, dass ein Teil meines Songwritings und der Bilder, auf die ich zurückgreife, ein wenig unheimlich und sonderbar ist und von düsteren Orten handelt. Diesen besonderen Raum, wo ich all dies vorfand, betrat ich durch eine Tür, die mir Bo Diddley aufhielt. Der Song „Bo Diddley“ ist wahrscheinlich mein Lieblingssong von ihm. Geht’s überhaupt noch gespenstischer? Die Masche mit dem Kinderreim – das primitivste Kauderwelsch! Und dennoch klang alles so voll im Radio. Ich kann nicht einmal sagen, ob da ein Bass spielt. Das ist aber auch egal. Bo zieht einfach sein Ding auf der Gitarre ab. Und dieses Solo! Einfach hypnotisch. Seine Magie beruhte auch auf den tiefen Trommeln. Den Toms, den Maracas – alles pulsierte. Sogar heute noch hört sich dieser Beat so mächtig an: bum da bum