Mein Leben - Meine Musik. John Fogerty

Mein Leben - Meine Musik - John Fogerty


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      Ein paar meiner schönsten Erinnerungen verbinde ich mit Putah Creek. Das war ein Wildfluss in der Nähe von Winters im Norden Kaliforniens. Meine Familie fuhr praktisch jeden Sommer dorthin. Insgesamt waren wir in meiner Kindheit sicher in fünf oder sechs aufeinanderfolgenden Sommern dort. Putah Creek war ein malerischer, gemächlich dahinfließender kleiner Fluss. Wir übernachteten in einer kleinen Hütte, an die ich mich mitsamt ihrer grünen Holztür gerne erinnere. Ich weiß gar nicht, warum sie so wichtig für mich war. Wir mieteten sie von einem Typen namens Cody, der ungefähr 75 Jahre alt, groß und sehr hager war und einen Hut trug. Mir wurde gesagt, es handele sich bei ihm um einen direkten Nachfahren von „Buffalo Bill“ Cody.

      Nicht weit von der Hütte entfernt hing ein Seil von einem Baum über einer flachen Stelle des Flusses. Es gibt noch Filmmaterial davon, wie wir Brüder uns hinaus aufs Wasser schwangen und uns fallen ließen. Mein Dad half uns, aus Y-förmigen Zweigen und Gummibändern, die er aus dem Innenleben eines alten Autoreifens herausschnitt, Steinschleudern zu basteln. Nie hieß es „Damit kannst du jemanden das Auge herausschießen!“ oder „Macht ja nicht die Fenster damit kaputt!“ Es gab dort so viel Platz. Nur Wälder und Unterholz. Und kaum einmal ein Auto. Man musste einen recht langen Weg zurücklegen, um auf andere Menschen zu treffen. Wir wanderten den ganzen Tag durch die Gegend. Einmal stieß ich dabei sogar auf ein altes, verfallenes Haus, in dem niemand mehr wohnte.

      Die Luft war auch sehr gut dort. Wenn ich allerdings heute einatme und daran zurückdenke, dann denke ich nicht an das Gras oder den klaren Himmel. Mein Dad hatte nämlich einen Kanister mit Insektenvertilgungsmittel, an den er eine Pumpe montiert hatte, um so gegen die Stechmücken vorgehen zu können. Das Gift hatte einen ganz speziellen Geruch, ein wenig wie Farbverdünner. Ich kann mich jedenfalls sehr gut daran erinnern.

      In Winters habe ich auch schwimmen gelernt – indem mich nämlich meine Brüder herausforderten, den Kopf unter Wasser zu stecken. Eines Tages lernte ich auch, wie man auf dem Rücken im Wasser treibt. Ich war schon früh auf, und der Rest der Familie schlief noch. Ich trieb bis ans andere Flussufer. Ich glaube, in der Flussmitte war das Wasser so tief, dass ich nicht stehen hätte können. Als mein Dad aus der Hütte kam und mich auf der anderen Seite des Flusses erspähte, drehte er komplett durch. Ich hatte sogar ein wenig Angst, er werde mich schlagen.

      Hin und wieder fuhr Dad mit uns nach Winters rein. Es gab dort einen kleinen Lebensmittelladen, der derselben Familie gehörte, die auch den Schnapsladen und die Tankstelle betrieb. Mein Dad gab mir dann etwas Kleingeld, von dem ich mir eine Limo kaufen konnte. Üblicherweise mit Orangen-Geschmack. Oder auch Vanille. Oder Limone.

      Junge, wie habe ich mich immer auf Putah Creek gefreut. Einmal, als mein Bruder Bob noch ein Baby war, stand im Raum, zur Abwechslung mal nach Los Angeles zu fahren. Mein Dad meinte: „Wir werden das Baby entscheiden lassen.“ Auf einen kleinen Zettel schrieb er „Winters“ und auf ein anderes Stück Papier „Los Angeles“. Dann ließen sie Baby Bobby loskrabbeln, damit er eine Entscheidung herbeiführen konnte. Zuerst hielt er auf „L.A.“ zu. Das gefiel mir gar nicht. Schließlich krallte er sich aber doch noch das Papier, auf dem „Winters“ geschrieben stand – und wir alle jubelten auf! So glücklich waren wir darüber, wieder nach Winters zu fahren.

      Nachdem wir irgendwann aber doch nicht mehr hinfuhren, dachte ich sogar schon als Kind mit ein wenig Wehmut an unsere Urlaube dort zurück. Ich war regelrecht besitzergreifend in Bezug auf Winters und Putah Creek. In meiner Vorstellung gehörten sie mir. Es war mein Urlaubsort, mein spezielles, kleines Refugium. Dort fühlte ich mich jedenfalls immer pudelwohl. Das mag zuallererst daran gelegen haben, dass meine Eltern dort entspannt waren – so wie wenn sie gemeinsam sangen.

      Die Dinge ändern sich; mitunter verändern sie sich stark, und nur Bruchstücke dessen, was einst wichtig war, bleiben zurück. Manchmal können wir die besten Dinge auch nur in unserem Kopf bewahren. In jenen Tagen fuhr Dad uns irgendwann einmal hoch auf einen Hügel hinauf, von wo aus wir die kleine Stadt Monticello beobachten konnten. Er sagte: „Eines Tages wird das alles unter Wasser stehen.“ Ich hatte keinen blassen Dunst, was er damit meinte. Wie sollte das denn vonstattengehen? Würden die Menschen dann unter Wasser herumspazieren? Ich denke aber, dass sich Dad auf diese Weise von unserem idyllischen Putah Creek verabschiedete. Irgendwann wurde der Fluss tatsächlich aufgestaut. Heute bedeckt die Gegend der große, von Menschenhand geschaffene See Lake Berryessa. In den Siebzigerjahren bin ich mal mit dem Motorrad dorthin gefahren, und ich glaube, dass ich den Platz ausmachen konnte, wo einst unsere Hütte stand. Es war alles total überwuchert, jede Menge Büsche und Holzüberreste. Die eigentliche Hütte konnte ich aber nicht mehr finden, da sie schon vor langer Zeit eingestürzt sein dürfte.

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      MEINE MOM SCHRIEB MICH an einer katholischen Grundschule in Berkeley ein. Sie hieß School of the Madeleine – oder auch School of the Mad, wie wir Schüler sie gerne nannten. Sie lag ein paar Kilometer entfernt, was sich nicht nach einem sonderlich langen Schulweg anhört. Jedoch weiß ich noch, dass es jedes Mal eine halbe Stunde oder länger dauerte, dorthin zu gelangen. Oft rannte ich am Morgen aus dem Haus, nur um den Schulbus doch noch knapp zu verpassen. Unsere Lehrerin war eine 20-jährige Nonne namens Schwester Damien. Auch für sie war es das erste Jahr. Sie war eigentlich noch ein Mädchen, und ihr Weg durch das Schuljahr war gepflastert mit unerfreulichen Episoden. Schwester Damien war einfach überfordert. Irgendwann wurde uns mitgeteilt, dass sie einen Nervenzusammenbruch erlitten habe.

      Einmal war sie so sauer auf die Klasse, dass sie uns alle nachsitzen ließ: „Ihr dürft nicht nach Hause. Ihr müsst alle auf euren Plätzen bleiben, und ich will keinen Mucks von euch hören.“ Da kommt plötzlich dieser kleine Zweitklässler mitsamt einem Putzfetzen herein und fängt pflichtbewusst an, das Podium, auf dem das Pult unserer Mutter Oberin thronte, zu polieren. Er ist so beschäftigt, dass er nicht mitbekommt, dass die ganze Klasse noch dasitzt. Schwester Damien verpasst ihm einfach so eine Ohrfeige. Zack! Das war bezeichnend für die Atmosphäre in der Klasse.

      Um zur Schule zu kommen, musste ich allein zwei Blocks bis zur Bushaltestelle in der Colusa Avenue gegenüber dem Sunset View Cemetery gehen. Dann ging es den ganzen Weg die Solano Avenue hinauf. Wenn wir oben in Albany angekommen waren, machte uns der Busfahrer darauf aufmerksam, dass wir nun umsteigen müssten. Von dort ging es dann mit der Bahnlinie F nach Berkeley und zu meiner Schule weiter. Ihr dürft nicht vergessen, dass ich damals gerade erst einmal die erste Klasse besuchte. Ich war also erst sechs Jahre alt!

      Jeden Morgen versammelten sich die Schüler um 8 Uhr auf dem Schulhof, von wo wir dann – zu den Klängen John Philip Sousas – in unsere Klassenzimmer marschierten. Wenn ich den Bus um 7.05 Uhr verpasste, verspätete ich mich. Das passierte leider ziemlich oft. Den Schulhof umgab ein Maschendrahtzaun, und das Tor wurde pünktlich um acht Uhr geschlossen, weshalb ich über den Zaun klettern musste, um überhaupt am Unterricht teilnehmen zu können.

      Zu diesem Zeitpunkt war ich bereits über eine Stunde unterwegs. Wenn es dann ungefähr halb neun war, kam es des Öfteren zu einem Zwischenfall – immer und immer wieder. Okay? Ich hob den Arm und sagte: „Schwester, ich müsste mal zur Toilette.“ „Nicht jetzt“, sagte sie. Danach ignorierte sie mich. Noch einmal, das war kein einmaliger Vorfall. Es kam vielmehr so oft vor, dass man schon von einer regelmäßigen Begebenheit sprechen kann.

      Ich saß also da in meiner aus einem blauen Hemd und grauer Cord-Hose bestehenden Schuluniform und stocherte mit dem Bleistift in den Spalten auf meinem Pult herum. Ach, wie ich mich wand. Ich fühlte mich wie Alan Shepard in seiner Raumkapsel: „Houston?“ „Ja, Alan?“ „Ich muss pinkeln, ist das in Ordnung?“ „Hmm, wir melden uns bei dir.“ Man reißt sich zusammen und dann kann man es nicht mehr halten. Schließlich gibt man alle Benimmregeln auf, und dann ist es auch schon zu spät. Und dann hofft man darauf, dass es keiner bemerkt. Aber Kenny Donaldson tat es und rief: „Schwester Damien! Unter John Fogertys Pult ist eine Pfütze!“ Und nicht einmal da nahm sie Notiz von mir. Ich musste bis zur Pause sitzen bleiben. Wenn dann die Pause begann, musste ich aufwischen. Außerdem musste ich den Rest des Tages meine feuchten Klamotten anbehalten. Das passierte wahrscheinlich zwei Dutzend Mal im Verlauf dieses ersten Schuljahres. Ein ums


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