Mein Leben - Meine Musik. John Fogerty

Mein Leben - Meine Musik - John Fogerty


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dem Autokino befand sich ein altes Ziegelsteinhaus, das Adobe Restaurant. Meine Mom erzählte mir, dass es dort einst Spielautomaten gegeben hatte. Außerdem erfuhr ich, dass dieser Ort in den Dreißiger- und Vierzigerjahren wohl einen zweifelhaften Ruf genossen hatte. Als das Autokino schließlich geschlossen wurde, um einem Einkaufszentrum Platz zu machen, fackelte ein Brandstifter das Adobe ab – womöglich, um auch dieses Grundstück für das Einkaufszentrum frei zu machen. Ich weiß jedenfalls noch, wie ich durch die Ruine schritt und dort Nägel aus dem frühen 19. Jahrhundert fand.

      Nicht weit von unserem Haus lag ein echt cooler Ort zum Spielen. Er hieß Indian Rock, es handelte sich dabei um ein paar Felsblöcke, zwischen denen man sich hindurchquetschen konnte. Es war toller Ort zum Versteckenspielen.

      Allerdings bot uns damals, als ich auf der anderen Straßenseite in der Eureka Avenue wohnte, unsere Highschool immer noch den ultimativen Spielplatz. Eigentlich ist es ein Wunder, dass wir dort nicht alle draufgingen. Ich erinnere mich lebhaft an diese großen Röhren, zwischen eineinhalb und zweieinhalb Fuß im Durchmesser. Wir waren ja noch klein, weshalb wir in sie hineinkriechen und uns am hinteren Ende verstecken konnten. Um Himmels willen, es wäre einfach gewesen, uns darin einzusperren. Niemand hätte uns jemals gefunden! Dann gab es da noch Hügel aus Sand und Kies, die vermutlich der Zementproduktion dienten. Außerdem hingen da noch überall Seile herum, an denen man hinaufklettern und wieder hinunterrutschen konnte. Ich denke aber, dass wir den Bogen überspannten, als wir, die wir alle ehrgeizige junge Baseball-Cracks waren, Glasscheiben, die wir dort fanden und die vermutlich für die Fenster unserer Klassenräume vorgesehen waren, als Zielscheiben verwendeten. Und natürlich kam man uns auf die Schliche!

      An einem sonnigen Vormittag – ich war ungefähr vier Jahre alt – kletterten Mickey Cadoo und ich zuerst auf ein paar kleinere Aprikosenbäume und stopften uns unsere Taschen mit unreifen Früchten voll. Dann, nachdem wir ein paar der grünen Aprikosen verputzt hatten, beschlossen wir, das Schulgebäude zu erklimmen. Das oberste Stockwerk befand sich immer noch im Bau, jedenfalls standen da viele Holzteile kreuz und quer, die noch nicht vernagelt waren. Irgendwie gelang es uns, dorthin zu gelangen und uns auf das Gerüst zu stellen. Über uns war nur noch der freie Himmel. Um alles noch ein wenig gefährlicher zu machen, hatte ich meine Schuhbänder geöffnet und ließ sie hinunterbaumeln. Die beiden gegenüberliegenden, vielleicht zehn Fuß voneinander entfernten Seiten des Gerüsts waren durch eine lange, schmale Planke miteinander verbunden. Dieses Holzbrett war ungefähr sechs Zoll breit und ein Zoll dick. Als ich es betrat, begann es auf und ab zu schwingen. Da erspähte ich meinen Dad, der vor unserem Haus stand, das ja auf der anderen Straßenseite lag. Da war ich nun 50 Fuß über dem Boden und rief ihm zu: „Hey, Dad, sieh mal! Ich bin hier oben!“

      Nun, mein Dad blickte tatsächlich zu mir hoch. Sein Herz muss stehen geblieben sein. Er sprang auf und ab, als ob er tanzte, und gestikulierte wie wild. Schließlich rief er mir zu: „Beweg dich nicht, Johnny! Bleib, wo du bist! Beweg dich bloß nicht!“ Irgendwie gelang es mir, meine Position zu halten, bis mein Dad das Gebäude hochgeklettert war, um uns in Sicherheit zu bringen. Das war ganz schön knapp!

      Ich lebte, bis ich 40 Jahre alt war, in El Cerrito und Umgebung. 1986 – also lange nachdem ich meinen Dienst als Schülerlotse quittiert hatte – wurde der 15. Juli dort zum John-Fogerty-Day erklärt. Die zugehörige Zeremonie fand im kleinen, aber feinen Rahmen statt. Der Bürgermeister hielt eine Rede, und auch ein paar Fans hatten sich eingefunden. Normalerweise wird einem ein eigener Tag gewidmet, wenn man etwas erfunden oder ein Heilmittel für eine Krankheit entdeckt hat. In meinem Fall berief man sich auf ein paar meiner Songs wie etwa „Proud Mary“ und „Down on the Corner“. Nicht jedem wird seitens seiner Heimatstadt ein eigener Tag zuteil, weshalb diese Ehre für mich etwas ganz Besonderes darstellte. Ich werde mich immer dankbar daran erinnern.

      Ich liebte den Song „Shoo-Fly Pie and Apple Pan Dowdy“, als Kind sang ich ihn ununterbrochen. Anscheinend fing ich eines Sonntagmorgens auch in der Kirche an, ihn zu singen. Vielleicht hatte mich ja auch der Heilige Geist am Wickel, als ich aufsprang, um zu tanzen, und mir, um den Text des Liedes zu illustrieren, mit weit aufgerissenen Augen den nackten Bauch rieb. Die versammelte Kirchengemeinde amüsierte sich prächtig über diesen aufgedrehten, windeltragenden Dreikäsehoch, der laut vor sich hin krakeelte. Je mehr meine Eltern versuchten, mich zum Schweigen zu bringen, desto mehr lachte mein „Publikum“. Mir wurde jedenfalls erzählt, ich hätte einen ziemlichen Tumult verursacht. Erst zwei Jahre alt und schon auf dem Weg zur ewigen Verdammnis!

      Übrigens konvertierten meine Eltern zum Katholizismus, als ich zwei Jahre alt war. Sie ließen mich taufen – und ja: Ich kann mich sehr wohl noch daran erinnern, und mir gefiel es überhaupt nicht. Jemand hielt mich fest, und als der Priester mir Wasser über die Stirn goss, dachte ich: Willst du mich etwa ersäufen?

      Ich erinnere mich noch daran, wie wir damals im Dunkeln im Auto fuhren. Meine Eltern sangen dabei traditionelle amerikanische und irische Lieder wie „By the Light of the Silvery Moon“, „Shine On, Harvest Moon“, „Little Sir Echo“, „Danny Boy“. Solche Sachen eben. Sie sangen nicht etwa zum Radio, sondern nur miteinander. Sie sangen auch einen Song mit dem Titel „Cadillac“: „Cadillac, you got the cutest little Cadillac.“ Ich fand es komisch, dass jemand einen Song über ein Auto schrieb, aber meine Eltern erklärten mir, es handele sich dabei um eine Nummer, die eigentlich „Baby Face“ heiße, sie aber einfach den Text abgeändert hätten.

      Als schließlich Little Richards zweites Album sowohl „By the Light of the Silvery Moon“ als auch „Baby Face“ enthielt, leuchtete mir das ohne Weiteres ein.

      Meinen Eltern beim Singen zuzuhören war echt schön. Sogar damals fiel mir schon auf, dass es sich „voll“ anhörte. Ich saß da zwischen ihnen und sang manchmal auch schon mit. Wenn einer von beiden einen anderen Ton anstimmte, um die Melodie eines Liedes wie etwa „Jingle Bells“ zu ergänzen, machte mich das neugierig. „Das klingt gut, aber was macht ihr da?“, fragte ich nach. Sie meinten, dass sie Harmonien sängen. Meine Eltern waren richtig gut darin.

      Das war das erste Mal, dass ich von Harmonien erfuhr, dort auf dem Vordersitz unseres alten Familienautos. Kurze Zeit später, als ich wahrscheinlich gerade die vierte Klasse besuchte, erhielten wir ein Mal pro Woche eine Stunde Musikunterricht von einer gewissen Mrs. Gustavson. Dort sang ich zum ersten Mal „The Erie Canal Song“ und „This Land Is Your Land“. Wir lernten diese Songs aus einem amerikanischen Liederbuch. Manchmal sangen wir a cappella und manchmal zur Klavierbegleitung. Ich freute mich jedenfalls immer darauf. Alle sangen und folgten der Melodie, während ich versuchte, Harmonie dazu zu singen. Es machte mir großen Spaß, einen Ton unter oder über dem zu singen, was der Rest der Klasse sang. Und da 40 andere Kinder ihren Part sangen und nur ich meinen Part, konnte ich das Experiment wagen. Zwar ging ich ein wenig unter zwischen all den anderen Stimmen. Aber ich konnte mich hören. Wenn ich schief sang, konnte ich mich schnell genug korrigieren. Meiner Klassenlehrerin ebenso wie der Musiklehrerin fiel auf, dass ich Harmoniegesang beisteuerte – und es sich gut anhörte. Eines Tages sangen wir „Come Now and See My Farm for It Is Beautiful“, und Mrs. Gustavson blickte in meine Richtung, während ich vor mich hin sang. Ich fragte: „Ist das gut so?“ Sie bejahte dies und lächelte.

      Die Musik war eine Sache, die Texte eine andere – und beides ist mir praktisch schon immer wichtig gewesen. Mein Dad und ich saßen einst zusammen im Auto und unterhielten uns über einen Song mit dem Titel „Big Rock Candy Mountain“. Uns beiden gefiel das Stück, und er versuchte, es mir zu erklären. Der Ort, der darin beschrieben wurde, hörte sich richtig prima an. Dann kamen wir zu einer Passage, in der „little streams of alcohol“ erwähnt wurden. Ich fragte meinen Dad: „Was soll das heißen? Was ist Alkohol?“ Er antwortete, dass es sich dabei um etwas handele, das Erwachsene gerne tränken. Er meinte: „Und dann gleich ein ganzer Fluss davon! Das wäre ein Spaß! So wie ein Fluss, der aus Limonade bestünde!“

      Es war schon irgendwie ironisch: Da erkundigte ich mich bei einem Typen nach der Bedeutung von „Alkohol“ – und später sollte ich herausfinden, dass er viel zu viel davon konsumierte. So wie später ich ja übrigens auch.

      Meine Eltern hatten sicherlich beide großen musikalischen Einfluss auf mich, aber vielleicht meine Mom sogar noch ein bisschen mehr, weil ich viel mehr Zeit mit ihr verbrachte. Meine


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