Mein Leben - Meine Musik. John Fogerty
vielleicht einmal im Monat. Wir gingen dann ins Kino. Solche Dinge verlaufen einfach so seltsam, zumindest in unserem Fall. Irgendwann war schließlich ein Punkt erreicht, an dem ich meinem Dad überhaupt nicht mehr traf. Jahrelang.
Ein paar Jahre später, ich besuchte nun die achte Klasse, machten wir im Rahmen des Fachs Bürgerschaftskunde einen Ausflug nach Richmond, dem Verwaltungssitz des Countys. Wir – also vielleicht 20 Kids – wurden in Kombis dorthin gebracht.
Wir besuchten einen Gerichtssaal und verfolgten eine Verhandlung. Ironischerweise handelte es sich bei dem Fall um eine Scheidungsangelegenheit. Nachher hörte ich, wie eine der Lehrerinnen meinte: „Na ja, ich bin mir nicht sicher, ob die Kinder das hätten mitansehen sollen.“
Es waren beide Parteien anwesend, Ehefrau und Ehemann. Es war die Ehefrau, die ihren Mann verlassen wollte. Sie war es auch, die zuerst ihre Aussage machte, wobei sie sehr sachlich wirkte. Nicht etwa kalt oder so. Einfach nur direkt.
Als Nächstes sprach der arme Ehemann über seine Familie und seine Frau. Dann wurde er vom Anwalt seiner Noch-Gattin in die Mangel genommen. Dieser beknackte Winkeladvokat gab ihm alle Schuld. Er war wie eine Bulldogge und zerfleischte den Typen förmlich.
Wir verfolgten das Ganze ungläubig. Es war wie Fernsehen, aber sicher keine Familienunterhaltung, wenn ihr versteht, was ich meine. Schließlich sagte der Mann, der inzwischen sehr emotional war: „Vielleicht möchte meine Frau ja eine Versöhnung in Betracht ziehen. Womöglich bekommen wir doch noch alles geregelt.“ Er gab sich vor allen Anwesenden wie ein verletzlicher Junge. Das war unerwartet. Ich war schließlich noch ein Junge und hätte mir so etwas nie ausmalen können. Abgesehen von der Scheidung meiner Eltern hatte ich ja noch von nichts eine Ahnung. Damals hatte ich auch noch nicht einmal eine richtige Freundin gehabt. Ich fand das einfach alles sehr traurig. Auch heute noch ist es nicht leicht, daran zu denken. Damals war ich jedenfalls schockiert und gekränkt und noch vieles mehr.
Aber die Verhandlung wurde nun erst einmal unterbrochen, da der Mann nicht mehr weitermachen konnte. Der Anwalt der Ehefrau sah sie an. Sie hatte die Arme verschränkt. Sie war eine zähe Lady. Der Ehemann flennte vor sich hin. Der Richter erhob seinen Hammer – bumm, bumm – und vertagte den Fall um zwei Wochen.
Wir saßen alle da, und der Gerichtsdiener kündigte den nächsten Fall an. Ich schwöre es bei Gott, er las: „Dies ist der Fall Galen Robert gegen Edith Lucile Fogerty. Sind beide Parteien anwesend?“ Nun, das waren meine Eltern. Es waren inzwischen vier oder fünf Jahre vergangen, und die Scheidung war immer noch nicht endgültig. Der Name Fogerty wurde noch zwei Mal ausgerufen, und der Richter fragte: „Sind die Parteien anwesend?“ Und irgendjemand antwortete: „Nein, Euer Ehren.“ Der Richter erklärte daraufhin: „Gut, dann werden wir zu einem späteren Zeitpunkt fortfahren müssen.“
Aber der Schaden war bereits angerichtet. Ich dachte nur: Wie um alles in der Welt hat das denn passieren können? Ich bin im Gerichtssaal und muss mir das anhören? Mit allen meinen Mitschülern?
Als wir wieder in die Autos stiegen, um nach Hause zu fahren, sagte eines der Mädchen – sie hieß Sandy – zu mir: „Diese Fogertys, von denen da gesprochen wurde – sind das deine Eltern?“
Ich verneinte und gab mir Mühe, cool zu bleiben. Ich war echt angespannt. Nicht ich selbst. Meine Klassenkameraden hatten aber keine Ahnung, dass es sich um meine Familie handelte. Oder etwa doch?
Die anderen Kids sprangen auf und ab im Kombi, und ich benahm mich irgendwie sonderlich. Nicht wie ein Kind. Ich stand offenbar unter Schock. Die anderen hielten mich für arrogant, weil ich nicht mitmachte und mit ihnen lachte. Irgendjemand sagte etwas wie: „Ach, der denkt wohl, er ist zu erwachsen für uns.“ Kindern ist oft gar nicht bewusst, wie wenig und wie viel sie doch wissen.
Mein Dad blieb den Rest seines Lebens verbittert. Irgendwann wurde ihm wegen Diabetes ein Bein abgenommen. Er musste ständig ins Krankenhaus, und meine Brüder und ich halfen ihm, als er schließlich aus seiner Wohnung auszog. Er hatte einen alten Fernseher mit einer Metallverschalung, die wie Holzmaserung aussehen sollte. Das Metall war mit Dellen übersät und an manchen Stellen sogar löchrig. Ich erkannte das Ding gleich wieder. Als ich noch ein Junge war, wurde mein Dad immer so sauer wegen des schlechten Empfangs, dass er dem Kasten ein paar Schläge verpasste.
Damals unternahmen wir auch einen Ausflug nach Montana. Wir mieteten dafür einen kleinen Wohnanhänger, den wir hinten an unserem ’56er Buick befestigten. Über jedem Rad befand sich jeweils ein kleines Fach mit einer Klappe, die sich versperren ließ. Dort waren unter anderem ein Schlauch verstaut, mit dem der Wassertank gefüllt werden konnte. Uns fiel auf, dass die Klappe mehrere Dellen aufwies, fast so, als wäre sie mit einem scharfen Gegenstand bearbeitet worden.
Nun, nach ein oder zwei Wochen befanden wir uns vermutlich gerade irgendwo im Yellowstone-Nationalpark. Der Motor überhitzte sich, weshalb Dad Wasser aus dem Anhänger in den Kühler umleiten musste. Er parkte, und wir alle stiegen aus, um zu helfen. Die entsprechende Klappe stand offen, und der Schlauch war verschwunden. Wir waren angeschmiert! Offenbar funktionierte das Schloss nicht richtig, und die Klappe war aufgesprungen. Mein Dad wurde ordentlich sauer und fing an, mit einem Beil auf die Klappe einzuschlagen. Uns dämmerte schließlich: Diese Stellen, die uns aufgefallen waren, waren exakt die gleichen wie jene, die nun unser Dad mit dem Beil hinterließ. Anscheinend war dem Vormieter des Anhängers genau dasselbe widerfahren wie uns.
Nun fing Dad an, gegen den Anhänger zu treten. Aus seinem Mund kamen etliche unschöne Ausdrücke. Da ich meinen Dad in erster Linie als bedachten und friedvollen Zeitgenossen kannte, war ich einigermaßen schockiert. Er war plötzlich ein komplett anderer Typ. Um ehrlich zu sein: Wir ähnelten uns sehr in diesem Punkt. Bereits seit meiner frühesten Kindheit war auch ich ein Hitzkopf. Ich erinnere mich da etwa an einen Jungen, der während des Ballspielens zu mir sagte: „Weißt du, du musst lernen, dein Temperament zu zügeln.“ Auch den Lehrern in der Grundschule fiel es auf.
Jahre später also, als wir meinem Vater beim Umzug halfen, stand da dieser alte, verbeulte Fernseher. Creedence waren bereits eine Zeit lang Geschichte, und es war nicht unbedingt so, als wäre ich gerade auf der Sonnenseite des Lebens beheimatet. Aber ich warf einen Blick auf diesen Apparat und begriff, dass mein Vater nun 70 Lenze auf dem Buckel hatte und immer noch so drauf war. Ich dachte mir bloß: Auf keinen Fall will ich als mürrischer alter Mann sterben.
Zum Glück gelang es meiner Mom nach all dem Durcheinander, sich noch einmal zu verlieben. Sie traf einen wunderbaren Mann, Charles Loosli. Sie heirateten am 11. Juni 1977. In späteren Jahren verbrachte ich mehr Zeit mit den beiden. Wir alle mochten Charles.
Die Teenagerzeit ist wohl für fast jeden die schwerste im Leben. Vor allem, wenn man sich als Opfer einer großen Ungerechtigkeit empfindet. Ich fühlte mich unfair behandelt und wertlos. Die Scheidung kam mir wie ein großer, sogar extrem großer Fehlschlag vor. In guten Familien gab es so etwas nicht. Ich baute einfach einen hohen Zaun um mich herum auf. Der Umstand, dass unsere finanzielle Situation nach der Scheidung immer prekärer wurde, machte alles nur noch schlimmer. Ich hatte das Gefühl, mich ganz unten in der gesellschaftlichen Hierarchie zu befinden. Ich war sicher nicht so schlimm dran wie irgendwelche Typen, die in Mississippi in einer Hütte ohne Strom und Wasser hausten, aber irgendwie fühlte ich mich arm. In Verbindung mit der Scheidung meiner Eltern war das kaum auszuhalten.
Nachdem ich die neunte und die halbe zehnte Klasse erneut in einer katholischen Schule, St. Mary’s, besucht hatte, sagte einer der Lehrer zu meiner Mom: „John wirkt so traurig und reserviert. Er ist einfach so ruhig. Ist denn alles in Ordnung? Geht es John gut?“ Meine Mom versuchte, zu erklären: „Ach, nein, er ist nur sehr nachdenklich.“ Ich griff sogar selbst auf diese Begründung zurück. Fast alle Fotos aus meiner Kindheit zeigen mich von meiner grüblerischen Seite. Meine Augenbrauen scheinen auf diesen Bildern ineinander verknotet zu sein. „Traurigkeit“ mag vielleicht nicht das beste Wort für meinen Zustand gewesen sein, aber ein anderes fällt mir selbst heute noch nicht ein.
Ich schämte mich für das Haus, in dem wir wohnten. Der Ofen funktionierte nie richtig. Die Nachbarschaft war zwar Mittelklasse, aber unser Haus war das schlimmste weit und breit. Als ich die siebte oder achte Klasse besuchte, zog ich schließlich in jenes Untergeschoss, das im Winter ständig