Dirty Deeds - Meine wilde Zeit mit AC/DC. Mark Evans

Dirty Deeds - Meine wilde Zeit mit AC/DC - Mark  Evans


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so begann Mr. Nicholls unsere kleine Unterhaltung dann auch, indem er endlos davon salbaderte, wie intelligent ich doch offenbar war, und mir sagte, dass ich drauf und dran war, die beste Gelegenheit meines Lebens wegzuwerfen, weil ich mich nicht genug anstrengte.

      „Sie wären gut beraten, wenn Sie einmal ernsthaft über Ihre Zukunft im Öffentlichen Dienst nachdenken würden“, erklärte er mir mit völlig ernsthaftem Gesicht. „Und machen Sie mal was mit Ihren Haaren. Mit so einer Frisur wird man Sie ja nie für voll nehmen.“ Ich hatte mich inzwischen für den „Einfach-wachsen-lassen“-Schnitt entschieden, der wahrscheinlich wirklich besser zu einer Rockband passte als in eine Amtsstube.

      Nicholls war sicher überzeugt davon, mir einen Gefallen zu tun; er wusste es einfach nicht besser und trug dicke Scheuklappen, was die wahren Möglichkeiten im Leben betraf. Er wollte einfach nur einem „jungen Mann mit rosigen Zukunftsaussichten“ auf den rechten Weg helfen. Dabei war er durchaus höflich und entgegenkommend, und ich bin mir sicher, dass er das Herz am rechten Fleck hatte, aber all das ging ein bisschen an mir vorbei, weil ich während seiner Ansprache schlicht und ergreifend einnickte. Und Chefs mögen es nicht, wenn ihre Angestellten einpennen, während sie gerade dabei sind, Perlen der Weisheit an sie auszuteilen. Dementsprechend rastete er nun richtig aus.

      „WIE KÖNNEN SIE ERWARTEN, IN 15 JAHREN DA ZU SITZEN, WO ICH JETZT BIN, WENN SIE SICH NICHT AM RIEMEN REISSEN?“

      „Ach du Scheiße“, dachte ich. „In 15 Jahren immer noch hier? Auf seinem Platz?“

      Der Vortrag endete, als ich ihm erklärte: „Das können Sie sich alles in den Arsch schieben“, und sein Büro verließ. Das war’s. Später kehrte ich noch einmal zurück, um meinen restlichen Lohn abzuholen, aber wegen meiner ganzen Fehlzeiten waren das nur noch 7,54 Dollar oder so, wenn ich mich recht erinnere. Eine Angestellte aus der Personalabteilung versuchte mich zu überreden, dass ich nicht kündigen, sondern vielmehr eine unbezahlte, einjährige Auszeit nehmen sollte. „Du wirst es dir bestimmt noch überlegen, und dann kommst du wieder“, sagte sie.

      Sie war ein bisschen enttäuscht über meinen Abgang, weil wir uns ganz nett angenähert hatten, speziell nach Feierabend auf dem Rücksitz ihres Autos. Meine Kumpels wollten gar nicht glauben, dass ich eine Lady Anfang 30 flachlegte, und löcherten mich ausführlich nach allen Einzelheiten unserer Rücksitzabenteuer. Allerdings war ich diskret und verriet nicht allzu viel. Gerne würde ich heute sagen, dass ich mich damals wie ein Gentleman verhielt, aber tief in mir drin weiß ich, dass ich ein gieriger, geiler, kleiner Drecksack war, nicht mehr und nicht weniger.

      Eine der Personalchefinnen hatte einen Narren an mir gefressen (einen rein platonischen, wie ich hier anmerken möchte), und wollte unbedingt verhindern, dass ich meine Berufschancen „wegwarf“. Sie war wirklich eine liebe Seele, und ich fühle mich ein bisschen schäbig, dass ich mich nicht an ihren vollen Namen erinnern kann, aber Margaret, wenn du das hier lesen solltest, dann lass dir sagen, mir ist es gut ergangen, und ich danke dir dafür, dass du dir damals so viel Gedanken gemacht hast. Es war wahnsinnig nett von dir, dich um mich zu sorgen, und ich höre deinen freundlichen Rat noch immer in meinem Kopf, wenn ich an die Jahre vor AC/DC denke.

      „Mark“, sagte sie ganz ernsthaft, „Musik bietet keine Berufskarriere wie der Öffentliche Dienst.“

      Margaret, du weißt ja gar nicht, wie recht du hattest.

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      Im März 1975, kurz nach meinem 19. Geburtstag, saß ich mit meinem alten Kumpel Steve McGrath im Station Hotel in Prahran, und – ja, vielleicht gab es da ein Muster – trank ein kühles Bierchen und spielte Pool. Steve hatte viel Zeit bei mir im Hilton verbracht. Seine Familie lebte etwas weiter draußen im Vorort Springvale, und obwohl er nicht darüber sprach, schien es bei ihm zu Hause nicht gerade fröhlich zuzugehen. Ich wusste, dass er ernsthaften Stress mit seinem Vater hatte, der eine Ladenkette für Militärausrüstung besaß und Steve ziemlich unter Druck setzte, den Familienbetrieb zu übernehmen. Daher zog Steve schließlich so gut wie bei mir ein. Wir waren beide noch Teenager, aber wir hatten eine sehr spannende Zeit im Club 56 mit den jungen Damen aus der Gegend. Besonders interessant für uns war das Schwesternwohnheim des Alfred Hospitals in der Commercial Road, direkt neben dem Chevron Hotel. Die Schwesternschülerinnen – oder zumindest einige von ihnen – hatten eine große Schwäche für Steve und mich und waren gern bereit, uns bei praktischer Weiterbildung in bestimmten Bereichen Schützenhilfe zu geben. Dafür werde ich ihnen immer dankbar sein.

      Aber zurück zum Station Hotel. Steve und ich saßen also da, tranken unser Bier und redeten ein bisschen.

      „Sag mal, was treibst du denn jetzt eigentlich so arbeitsmäßig?“, fragte ich ihn. Es war eine ganz harmlose Frage, aber eine, die mein Leben verändern sollte.

      „Ich arbeite für so eine neue Band, AC/DC. Die brauchen übrigens einen Bassisten – was treibst du denn jetzt eigentlich gerade so?“

      Was Bands angeht, war es bei mir wieder ziemlich ruhig geworden. Ich spielte mit ein paar älteren Typen und lernte zwar eine Menge von ihnen, wusste aber auch, dass ich das nicht für den Rest meines Lebens machen wollte. Was mich damals rettete, war die Tatsache, dass der Gitarrist meiner damaligen Truppe den irischen Rocker Rory Gallagher verehrte und entsprechend scharf drauf war, echten Hochdruck-Blues zu spielen. Eugene, der Drummer, war auch ziemlich cool, der Keyboarder hingegen ein bisschen eingefahren und konservativ – wenn es nach ihm gegangen wäre, hätten wir ausschließlich Elton-John-Songs gebracht, am liebsten das komplette Album Goodbye Yellow Brick Road. (Keyboarder sind mir sowieso meist irgendwie unheimlich, wenn sie nicht zufällig Fats Domino, Little Richard oder Jerry Lee Lewis heißen.) Komische Sache irgendwie. Ich war immer der jüngste in den Bands, in denen ich spielte.

      Kurz gesagt, meine musikalischen Zukunftsaussichten waren ziemlich finster. Meine Monster-Bass-Anlage teilte mit mir (und Glynis) das Schlafzimmer. Wenn ich im Bett lag, waren die silbernen Kuppeln der dicken JBL-K140-Töner in der Mitte auch im Halbdunkel gut auszumachen, und sie schienen mich dauernd anzusehen und spöttisch zu fragen: „Machen wir bald mal irgendwas, oder hocken wir nur hier rum und drehen Däumchen?“ Es war so eine coole Verstärkeranlage, aber ich lag daneben im Bett und dachte immer nur, wenn nicht bald irgendetwas passiert, dann drehe ich komplett durch. Es war schon schlimm genug, dass mein Bassverstärker mit mir sprach.

      Dabei wusste ich genau, was ich wollte. Ich wollte Bassist in einer lauten, fiesen Rockband sein, so wie Billy Thorpe & The Aztecs oder die Coloured Balls. Meine Vorbilder waren ZZ Top und Blueser wie Rory Gallagher, Johnny Winter und Freddie King. Außerdem entdeckte ich gerade die Blues-Legenden, von denen die Rolling Stones stark beeinflusst waren – Robert Johnson, Muddy Waters, Buddy Guy, Willie Dixon und Howlin’ Wolf, der in meinen Augen der Größte von allen war.

      Was ich in diesen Aufnahmen, von denen einige schon in den Dreißigern entstanden waren, vor allem spürte, war eine gewisse Erdigkeit. Der Sound war karg und akustisch, die Typen schrien und heulten dazu ihre Gefühle heraus, und all der Zorn, die Leidenschaft, die Gefahr schienen geradezu aus den Lautsprechern herauszusickern. Sie waren echt. Sie sangen, spielten und bluteten aus echter Erfahrung.

      Tja. Und so stand mein Bassverstärker da in meinem Schlafzimmer und rief meinen Namen. Ich wusste, in was für einer Band ich gern gespielt hätte, und die hatte definitiv nichts mit Elton John am Hut. Es sollte vielmehr laut sein, mit zwei Gitarren wie bei den Stones, fies und dreckig und auf den Blues aufgebaut. Wo konnte ich eine solche Band finden? Und würde die, wenn ich sie fand, einen Bassisten brauchen?

      Diese eine Frage, die Steve mir stellte, änderte alles für mich. Ich habe mich oft gefragt, was passiert wäre, wenn ich ihn an jenem Tag nicht gefragt hätte, was er gerade so machte. Vielleicht würde ich dann heute immer noch jeden Freitagabend Pool spielen und mich nach der Arbeit besaufen? Inzwischen würde man mich ins Grosvenor Hotel wohl wieder reinlassen.

      Steve interessierte sich zwar nicht besonders für Musik, aber er arbeitete trotzdem gern gelegentlich als Roadie für AC/DC. Von der Band hatte ich schon gehört, und ich wusste, dass ein Typ dabei war, der sich wie ein Schuljunge anzog und sogar mit Ranzen


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