Dirty Deeds - Meine wilde Zeit mit AC/DC. Mark Evans

Dirty Deeds - Meine wilde Zeit mit AC/DC - Mark  Evans


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ein recht beschauliches Leben. Finanziell ging es mir gut, wobei das damals für mich gar keine so große Rolle spielte, und ich hatte das, was mein Großvater Will als eine „Anstellung fürs Leben“ bezeichnet hätte. Ich kam als Verwaltungsangestellter in die Finanzabteilung der Postbehörde. Mein neuer Kumpel und Mentor war ein gewisser Peter Stevenson. „Stevo“ zeigte mir den ganzen Laden, und er wusste ganz genau, wo in unserem Gebäude in der William Street 172 im Westen der Stadt die Skelette im Schrank versteckt waren. Es war ein Wunder, dass ich dort so lange durchhielt, aber das hatte auch viel mit Stevo zu tun. Er war Mitte 20 und adoptierte mich sozusagen; er war einfach jemand, den man gern in seiner Nähe hatte, ein echter Typ. Zufällig stammte er auch aus Prahran und gehörte zu denen, die schnell gemerkt hatten, dass dieses Ghetto eine Einbahnstraße war und man am besten zusah, dass man dort herauskam.

      Mein Anfangsgehalt lag bei 70 Dollar pro Woche, und das war für einen jungen Kerl in meinem Alter eine Menge Kohle. Einen Teil davon gab ich für Klamotten aus, und ich leistete mir auch einen neuen Plattenspieler. Außerdem kaufte ich meiner Mutter eine neue Sitzgarnitur, ließ unsere Wohnung mit Teppichboden auslegen und leistete zum ersten Mal im Leben einen finanziellen Beitrag zu unserem Auskommen.

      Die Arbeit war nicht besonders aufregend, aber man konnte in der Mittagspause durchaus ein bisschen Spaß haben. Wir gönnten uns regelmäßig eine kleine Thresenmahlzeit – oder zwei, ich musste für den Football ein wenig an Gewicht zulegen, denn ich spielte immer noch. Jedenfalls gab es im Pub eine ordentliche Portion Kartoffelbrei mit Würstchen, Shepherd’s Pie oder Porterhouse-Steaks, die wir mit ein paar Bieren herunterspülten. Nach der Arbeit verschwanden wir gleich wieder in der nächsten Kneipe, angelockt von der Aussicht auf ein paar weitere eiskalte Biere und eine Runde Pool-Billard. Ich hatte ziemlich schnell kapiert, wie man Pool spielte; die Jungs, die in der Innenstadt nach Dienstschluss in die Pubs gingen, betrachteten mich mit meinen 16 Jahren nicht unbedingt als ernstzunehmenden Gegner, schon gar nicht bei all dem Bier, das im Spiel war, und so konnte ich immer mal wieder ein paar zusätzliche Dollar mitnehmen.

      Zu dieser Zeit begann ich allmählich, über eine Karriere als Profimusiker nachzudenken, und der Football trat in den Hintergrund – bei den langen Nächten, dem vielen Alkohol und den Partys mit den Mädels im Club 56 ließ meine Fitness allmählich nach. Es machte einfach zu viel Spaß zu feiern, und die Musik spielte dabei natürlich immer eine Rolle. Ich ging zu kleinen Gigs in Pubs („Willste’n Bier, Alter?“) oder saß mit ein paar Kumpels zusammen, die akustisch spielten („Noch’n Bier vielleicht?“), trat selbst in Clubs oder bei Partys auf („Hol’ mal besser noch’n Bier, nur für den Fall“). Und wenn ich zum Football ging, na ja, da wäre es völlig unaustralisch gewesen, kein Bier zu trinken. Oder mehrere.

      Ins Jahr 1975 startete ich mit einer brandneuen Bassverstärkeranlage, einem 300-Watt-Röhrenmonstrum mit zwei Boxen, in denen richtig dicke JBL-Lautsprecher saßen. Das war tatsächlich das Beste, was bei dem ganzen Job im Öffentlichen Dienst herauskam – eine anständige Verstärkeranlage und ein paar gute Freundschaften.

      Der Job an sich war nerv- und geisttötend. Nach zwei Jahren war ich offiziell immer noch in der Probezeit. Normalerweise bekam man nach sechs Monaten eine unbefristete Festanstellung, aber in meinem Fall geschah das nicht wegen meiner Fehlzeiten, und weil ich „ein Problem mit Hierarchien“ hatte. Zumindest nannte die entscheidende Dienststelle das so.

      Stevo kümmerte sich um mich, zeigte mir, wo’s langging und – das war besonders wichtig – ordnete die entscheidenden Überstunden an. So kam ich an meine Verstärkeranlage, und vor allem auch an die Bars vieler Pubs im Westen der Stadt, ins Golden Age, Great Western oder Mitre Tavern. Es war eine sehr geregelte Welt, verglichen mit der, die sich bald für mich auftun sollte, aber es machte trotzdem Spaß. Mittags konnte man über ein frisch gezapftes Carlton ein paar nette Ladys aus dem Schreibpool und der Personalabteilung kennen lernen. Ich verbrachte einige Samstagnachmittage auf dem Boden des Schreibzimmers mit einer sehr attraktiven, aber auch sehr verheirateten jungen Dame, oder ich spielte Karten mit den Jungs. Der Boden des Schreibzimmers war mir lieber, auch ohne meine gut bestückte Tippsen-Freundin konnte man dort nach dem Mittagessen gut ein Schläfchen halten. Aber diese Kunstfaser-Teppichfliesen sind tödlich für die Knie; bei zu viel Reibung konnte man sich ganz üble Abschürfungen holen.

      Mitte Januar 1975 nahm ich vier Wochen Urlaub. Es gab Urlaubsgeld – 500 Dollar, eine Riesensumme für mich. Mit den vielen Scheinen in der Tasche schlug ich mit den Kumpels im Grosvenor Hotel für einen Abschiedsdrink auf. Nach ein paar Bier hielt ich auf den Pooltisch zu, während mir die Textzeile aus Rod Stewarts „Maggie May“ im Kopf herumgeisterte – von wegen „make a living out of playing pool“. Ich konnte einfach nichts verkehrt machen: Jede Kugel, die ich anguckte, ging rein, sehr zum Verdruss einiger älterer Stammgäste, die den „Bubi“ gern um sein Urlaubsgeld erleichtert hätten.

      Natürlich legte man es allgemein darauf an, einen Spieler, wenn es gut für ihn lief, möglichst schnell betrunken zu machen, bis er sich auf blöde Wetten einließ und schließlich in die unangenehme Lage geriet, sein eigenes Geld zurückgewinnen zu müssen. Das war auch der Plan für mich und meine 500 Dollar. Wenn jemand an einem Freitagabend mit einem Bündel Scheine in einem Pub in der City aufkreuzte, dann sprach sich das schnell rum. Diese Geier wussten allerdings nicht, dass meine älteren Arbeitskollegen mich mit vielen Ratschlägen gut auf eine solche Situation vorbereitet hatten und dass mein Mentor Stevo vor Ort war, um mich im Auge zu behalten. Es dauerte nicht lange, und die Einsätze wurden immer höher. Wir räumten ziemlich ab, und schnell war abzusehen, dass es eine lange Nacht werden würde – mit dem Vorsprung, den wir hatten, hätten wir uns unmöglich gefahrlos einfach so verabschieden können.

      Stevo half mir durch den Abend, indem er die Biere im Auge behielt, die man mir ausgab und die oft verstohlen mit einem Schuss Wodka versetzt wurden. Er gab mir ein paar Pillen und sagte: „Nimm die hier, dann wirst du nicht so schnell besoffen.“ Und er hatte Recht. Die Pillen schienen jeden Schluck Wodka zu neutralisieren, der in meinen Körper gelangte, obwohl ich natürlich drauf war wie die Hölle.

      Schließlich organisierte Stevo unseren Rückzug. Er schlug vor, dass ich mit viel Getöse 20 Dollar auf die Bar legte, das reichte 1975 für jede Menge Bier, und eine Lokalrunde ausgab, bevor ich dann laut verkündete: „Ich muss mal pissen!“

      Stevo flüsterte mir ins Ohr: „Jetzt gehst du Richtung Klo und dann immer schön weiter geradeaus, durch die andere Bar, raus auf die Little Collins Street, und dann VERPISST du dich im Eiltempo. Ich haue ab, sobald die geblickt haben, dass du weg bist.“

      Stevo wartete auf ein Bier, und dann brüllte er zu einem Kumpel hinüber: „Was soll das heißen, er hat sich verpisst? Der Arsch hat mein ganzes Geld!“ Damit stürmte er hinaus auf die Little Collins Street und rannte in die entgegengesetzte Richtung, gefolgt vom halben Pub.

      Ich war noch vor Mitternacht wieder zu Hause, immer noch total drauf und völlig unter Strom, und mit mehr als 1000 Dollar in der Tasche. Diese Summe war einfach unvorstellbar, aber noch unvorstellbarer war die Tatsache, dass ich ohne eine Abreibung aus dem Pub rausgekommen war. Keine Ahnung, ob es am Geld oder an den Pillen lag, aber ich fand vor Sonntagabend keinen Schlaf.

      Ein paar Tage später traf ich Stevo wieder und erwartete ein paar nette Worte oder sogar ein Dankeschön für den großen Gewinn vom Freitag.

      „Ich gebe dir einen freundschaftlichen Rat, Mark“, erklärte er stattdessen. „Geh nie, nie wieder ins Grosvenor Hotel.“

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      Mein Büro war nur zehn Minuten mit der Straßenbahn von Prahran entfernt, aber nach meinem Urlaub fiel es mir enorm schwer, rechtzeitig zur Arbeit zu erscheinen, wenn ich dort überhaupt aufschlug. Nachdem meine Probezeit zum vierten Mal verlängert worden war – möglicherweise ein Rekord – rief mich ein gewisser Mr. Nicholls in sein Büro. Er war ein Staatsdiener mit 20 Dienstjahren auf dem Buckel, in einer ziemlich hohen Besoldungsgruppe weit oben in der Nahrungskette und ganz offensichtlich jemand, der lebenslänglich in dieser Tretmühle hockte. Ich fand den Typ eigentlich ganz okay, aber er war fürchterlich korrekt und sah immer so aus, als ob er Schuhe trüge, die ihm ein paar Nummern zu klein waren. Wir waren


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