Dirty Deeds - Meine wilde Zeit mit AC/DC. Mark Evans
hier war etwas Besonderes. Die Gitarren bohrten sich geradezu in dich hinein. Das lag nicht allein an der Lautstärke, obwohl es natürlich schon ganz schön schepperte, wenn man im Flur eines Wohnhauses ein paar 100-Watt-Verstärker, Marke Marshall Super Lead, ordentlich aufdrehte. Es war vielmehr die Intensität und die Angriffslust, die mich beeindruckten. Wir spielten die Songs von der Platte, die aber nun viel aggressiver klangen. Wie ich erfuhr, war Phil nach den Aufnahmen zur Band gestoßen und erst seit ein paar Wochen dabei. Das erklärte zumindest einen Teil der neuen Energie.
Wir spielten die Songs von High Voltage einmal durch, ließen allerdings „Love Song“ aus, was mir aber in der Hitze des Gefechts gar nicht auffiel. Wahrscheinlich war der Titel schon auf der Abschussliste. Es lief alles gut: Mein Eindruck war, dass vor allem Malcolm sehr glücklich darüber war, wieder zu seinem angestammten Instrument zurückkehren zu können. Ich hatte sofort gemerkt, wie gut die Gitarren einander ergänzten, und natürlich war auch die Lautstärke, die sie erzeugten, enorm. Ich war froh, dass ich den Weitblick besessen hatte, mir diesen mächtigen 300-Watt-Bassverstärker zu kaufen, denn den brauchte ich auch, um neben Mal und Angus nicht unterzugehen.
Es war ganz eindeutig Mal, der den Ton angab. Er versah die Melodien mit Tempo und Groove, und wir schlossen uns ihm an. Zwar war es das erste Mal, dass wir zusammen spielten, aber es lief schon ziemlich gut, jedenfalls in musikalischer Hinsicht. Mal gab mir ein paar Anweisungen und bemerkte außerdem: „Der letzte Typ, der bei uns war, hat den Song nicht gepackt, deswegen bist du jetzt hier.“ (Wer dieser „letzte Typ“ gewesen war, erfuhr ich nie.) Das klang nicht besonders beruhigend, aber wie ich bald herausfinden sollte, interessierte es bei AC/DC niemanden, ob man sich in ihrer Gegenwart wohl fühlte oder nicht. Davon abgesehen ging es, wie gesagt, richtig gut ab, alles war schön laut und krachig, und wir grinsten uns zufrieden an. „Das haut hin“, dachte ich. „Ich will diesen Job unbedingt haben. Auf genau diese Band habe ich gewartet.“
Später machten wir eine Tee- und Zigarettenpause und unterhielten uns ein bisschen darüber, was ich sonst so machte, um mir mein Geld zu verdienen. Mir war bereits klar, dass mein Job im Öffentlichen Dienst jetzt überhaupt nicht mehr zur Debatte stand; zwar wurde es nicht ausgesprochen, dass man von mir erwartete, alles andere hinzuschmeißen, aber stillschweigend ging wohl jeder davon aus. Damit bekam ich den ersten Vorgeschmack davon, wie AC/DC funktionierten: Du wurdest nicht gefragt, ob dir etwas passte – man erwartete einfach, dass du tun würdest, was für die Band gerade nötig war. Darüber wurde überhaupt nicht geredet. Wenn du dabei warst, dann war es deine Aufgabe, alles für die Band zu tun. Das verstand sich von selbst und bedurfte keiner Worte.
Bei diesem Vorspieltermin erfuhr ich auch, dass Bon Scott in der Band war, obwohl er sich an diesem Tag nicht blicken ließ. Ich hörte lediglich: „Bon ist nicht da.“ Das war alles. Aber für mich war das ein weiteres großes Plus – Phil Rudd, die Youngs und Bon Scott in einer Band, das war Wahnsinn.
Unser informeller Test schien ganz gut zu laufen. Offenbar waren wir alle auf derselben Wellenlänge, aber es war schon komisch, der Größte in der ganzen Band zu sein. Zwar waren die anderen freundlich-kühl, aber mir fiel die enorme Solidarität unter ihnen auf. Sie waren eine Band, daran bestand kein Zweifel, sie wohnten zusammen, sie arbeiteten hart und präsentierten sich als Einheit. Das war keine Attitüde: Es war echt und ungekünstelt. Und ich wollte ein Teil davon sein, unbedingt. Diese Jungs meinten es ernst. Insgesamt hatten wir vielleicht eine Stunde gespielt und ein bisschen gequatscht, immer wieder unterbrochen von Angus’ bösem Husten, und die Band lud mich schließlich ein, am nächsten Donnerstag zu einem ihrer Konzerte zu kommen. Der Gig fand ausgerechnet im Station Hotel in Prahran statt, meinem Stammlokal. Mal wollte wieder den Bass übernehmen, daher bot ich ihm an, dass er mein Equipment benutzen durfte.
Ralph schlug mir vor, mich mit dem Swivel Hips nach Hause zu fahren, dem Truck der Band, der den Wackelhüften-Namen bekommen hatte, weil er nie in der Spur blieb. Es war nicht weit, nur zehn Minuten zu Fuß, aber Ralph bestand darauf. Auf dem Weg unterhielten wir uns. Er war überzeugt, dass ich den Job in der Tasche hatte, und gab mir einige Verhaltenstipps. Und ein paar von den Sachen, die Ralph mir sagte, gruben sich tief in mein Gedächtnis ein.
Ralph kannte Bon schon seit den Zeiten von Fraternity, für die er in England und in Australien als Busfahrer gearbeitet hatte. Ihm zufolge wurde Bon allgemein „Bonnie Roadtest“ genannt, weil er alles ausprobierte, was sich ihm bot. Für einen jungen Kerl wie mich klang das alles ziemlich aufregend.
„Pass mal auf, ich geb’ dir mal einen freundschaftlichen Rat“, fuhr Ralph fort. „Es ist Malcolms Band, und ich glaube, es wäre eine ziemlich gute Idee, wenn du dir das immer vor Augen hältst.“
„Ist okay, Ralph, vielen Dank“, dachte ich, sprach es aber nicht laut aus.
Ralph setzte mich beim Hilton ab und sagte: „Dann mal viel Glück, Kumpel, ich freu mich drauf, mit dir zu arbeiten. Ach ja, übrigens – nach unserem Plan werden wir in einem Jahr in England spielen.“
Als ich ins Haus ging, dachte ich, so ein Quatsch, diese Band wird doch auf keinen Fall in einem Jahr den Durchbruch in England geschafft haben – und ich sollte recht behalten.
Es dauerte ein Jahr und zehn Tage.
Vom Gefühl her war mein Vorspielen bei den Jungs jedenfalls gut gelaufen, und nach meinem Dafürhalten waren wir auch recht gut miteinander zurecht gekommen, auch wenn sie ein bisschen unterkühlt geblieben waren. Nur spürte ich doch eine gewisse Unruhe. Klar, ich wollte den Job, aber es war doch eine kleine Unsicherheit dabei – ich kannte diese Typen im Grunde überhaupt nicht. Es war riskant, aber auch ziemlich aufregend, und vor allem konnte ich mir nichts vormachen – auf mich wartete auch kein besseres Angebot. Phil erzählte mir später, wie die Band über mich geurteilt hatte, nachdem ich wieder verschwunden war. Wie immer hatte Malcolm das erste und letzte Wort.
„Wenn er so gut spielt, wie er redet, dann ist er dabei.“
Ich war vielleicht nicht besonders redselig gewesen, aber ich glaube, meine Bemerkung über den „soliden Rock-Bass, keinen abgedrehten Scheiß“ hatte bei Malcolm Young einen Nerv getroffen.
Es gab allerdings noch ein kleines Problem. Ausgerechnet an dem Wochenende vor unserer Jam-Session war ich im Station Hotel gewesen, und es hatte sich eine kleine Rangelei an der Bar ergeben, wie das in einem australischen Vorstadt-Pub so üblich war. An dem besagten Samstag war es knackevoll in dem Laden, und von daher ließ es sich nicht vermeiden, dass auch Unbeteiligte wie ich in das Geschehen hineingezogen wurden.
Ein Bierglas kam angeflogen, knallte direkt gegen meine Stirn und knockte mich mit einem Schlag aus. Als ich wieder zu mir kam, lag ich in der Greville Street auf dem Bürgersteig; offensichtlich war ich vor die Tür gesetzt worden, weil man mich für einen der Störenfriede hielt. Ich war noch damit beschäftigt, Blut zu spucken und zu checken, ob noch alle Zähne an Ort und Stelle saßen, als die beiden Besitzer, Albert und Marino, zu mir rauskamen und mir mitteilten, ich hätte ab sofort bei ihnen Hausverbot. „Na klasse“, dachte ich, „erst kriegt man ein Bierglas in die Fresse, und dann fliegt man auch noch raus dafür!“
Allen unter euch, die noch nie ein Bierglas mitten ins Gesicht bekommen haben, muss ich sagen: Es tut beschissen weh, wenn man wieder zu Bewusstsein kommt. Es ist kein scharfer Schmerz, eher so ein dumpfes Pochen, als ob dir aus großer Höhe etwas ziemlich Schweres auf den Kopf gefallen ist. Kann ich überhaupt nicht empfehlen. Es ist wie in diesen Zeichentrickserien, wenn irgend so ein armes Schwein einen Amboss auf die Rübe bekommt. In den Jahren zuvor hatte ich im Station Hotel schon allen möglichen Ärger gehabt, und deswegen dachte ich mir zunächst: „Scheiß drauf, diesen Saftladen braucht eh keiner!“ Ich jedenfalls nicht. Bis zu meinem Vorspielen bei AC/DC.
Trotzdem marschierte ich am 19. März 1975 zum Station Hotel, um mir AC/DC anzusehen. Ich war in bester Laune und freute mich auf ein paar Bier und lauten Rock’n’Roll. Weil ich ja eigentlich Hausverbot bei Albert und Marino hatte, war mir ein bisschen unwohl, aber so etwas kam nun auch nicht gerade selten vor, auch wenn es bei mir persönlich tatsächlich das erste Mal war. Jedenfalls war ich ganz optimistisch, dass sich der Pulverdampf