Dirty Deeds - Meine wilde Zeit mit AC/DC. Mark Evans

Dirty Deeds - Meine wilde Zeit mit AC/DC - Mark  Evans


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an sich. Die Tätowierungen und die sich ziemlich schnell leerende Scotch-Flasche waren für einen Jugendlichen wie mich, der noch zur Schule ging, ziemlich beeindruckend.

      Für Reno von Compulsion, jener Band, die als Opener für die Valentines spielte, lief es später im Leben übrigens nicht so gut. Er war ein Wahnsinnsgitarrist, der dann aber leider ein bisschen zu viel mit Drogen zu tun bekam und schließlich ein paar Banken überfiel. Erwischt wurde er, als er wieder mal vor einen Schalter trat und seine Knarre zog, aber so zugedröhnt war, dass er nicht merkte, dass es seine Hausbank war. Gehe ins Gefängnis, begib dich direkt dorthin. Gehe nicht über Los, ziehe nicht 4.000 Mark ein. Das war jedenfalls das Ende von Compulsion.

      Anschließend verfolgte ich die Karriere von Bon Scott im Musikmagazin Go Set und bekam also mit, dass er von den Valentines zu Fraternity wechselte, einer richtigen Hippie-Band, die auf einem Grundstück bei Aldgate in den Adelaide Hills den Woodstock-Traum lebte. Die Mitglieder betrachteten sich als australische Antwort auf The Band, Bob Dylans legendäre Begleitband, die Ende der Sechziger und Anfang der Siebziger zu den einflussreichsten und angesehensten Gruppen zählte. Bon sagte später über Fraternity: „Wir haben uns zugekifft und hielten uns für die Allergrößten.“ Als ich Bon sechs Jahre später das nächste Mal sah, saßen wir zusammen in meiner Stammkneipe, dem Station Hotel in Prahran.

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      Gemeinsam mit Graham Kennedy und ein paar Kumpels von der Prahran High School, die einen ähnlichen Musikgeschmack hatten, gründete ich schließlich meine erste Band. Wir probten mit viel Hingabe, und schon bald beherrschten wir eine Reihe von Free-Songs, beispielsweise „All Right Now“, „Ride On A Pony“ oder „Fire And Water“, dazu einige Deep-Purple-Rocker wie „Speed King“ und ein paar Titel von Status Quo. Wie bei allen jungen Bands gab es eine lange und durchaus hitzige Diskussion darüber, welchen Namen die neue Formation bekommen sollte, bevor wir Superstars wurden. Graham, ein großer Micky-Maus-Fan, schlug Steamboat Willie vor, nach dem allerersten Micky-Maus-Cartoon. Wir einigten uns aber schließlich auf Judd, den Nachnamen unseres Drummers Lincoln.

      Die Band bestand aus Graham, der Gesang und Gitarre übernahm, Lincoln am Schlagzeug und mir am Bass. Wir alle waren fest entschlossen, die Band richtig voranzubringen – vor allem wollten wir live spielen. Das war unserer Meinung nach das Größte. Unseren ersten Gig gaben wir 1973 bei einer Silvesterparty, die Grahams Schwester Maureen veranstaltete. Zufällig spielten auch AC/DC an diesem Abend zum ersten Mal, gute 800 Kilometer weiter nördlich, im Chequers in Sydney.

      Besagter erster Judd-Gig fand bei Maureen zu Hause statt, die damals in Montmorency, einem Vorort von Melbourne, wohnte. Sie und ihr Mann Harold veranstalteten damals wie heute großartige Silvesterpartys. Es war meist eine große Sache, 60 oder 70 Freunde und Verwandte waren eingeladen, und auch von unseren Kumpels waren einige dabei. Ich war ganz schön kribblig, bevor wir anfingen. Erst hielt ich das für Nervosität, aber dann merkte ich, dass es eigentlich reine Vorfreude war, eine Art energiegeladener Anspannung.

      Wir bauten unsere Anlage in Maureens ziemlich großem Wohnzimmer auf, organisierten uns ein paar Drinks und legten los. Unsere Lautstärke war vermutlich erst einmal ein Schock für viele Gäste, aber schließlich waren wir eine Rockband und wollten bei unserem allerersten Gig keinerlei Kompromisse eingehen. Und wir hatten kaum den ersten Ton gespielt, als meine ganze Kribbligkeit ruckzuck wie weggeblasen war. Es war ein tolles Gefühl.

      Wir gaben ein paar weitere Auftritte und wurden dabei zu einem gut eingespielten Team. Allmählich begannen die Leute uns wahrzunehmen, und wir bekamen das Gefühl, tatsächlich ein wenig voranzukommen. Woraufhin wir zu dem Schluss gelangten, dass wir ein paar eigene Songs ins Programm nehmen sollten, was zu einigen prinzipiell gut gemeinten und ehrgeizigen, aber ziemlich erbärmlichen Kompositionsversuchen führte, die sich ziemlich eng an den Cover-Versionen orientierten, die wir sowieso schon in unserem Set hatten.

      Immerhin hatten Judd aber einige Auftritte und spielten noch bei ein paar anderen Partys, und wir konnten auch ein paar Mädchen abschleppen. Graham bekam dann als erster ein richtig gutes Angebot – er stieß zur wohl bekanntesten Band aus Prahran, die von den Madaferri-Brüdern Peter und Mark angeführt wurde, den Fat Bubbles — unglaublicher Name, aber die hießen wirklich so. Mit ihnen spielte er zwei oder drei Gigs die Woche, während ich die Augen offen hielt, ob sich nicht auch für mich eine ähnlich gute Gelegenheit ergeben würde.

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      Meine Schulzeit fand im sechsten Jahr auf der Prahran High School ein abruptes Ende. Es zeichnete sich ab, dass ich die seltenen Male, die ich im Unterricht auftauchte, sowohl die Zeit meiner Lehrer als auch meine eigene verschwendete. Und so meldete ich mich zwischen zwei Trimestern für die Aufnahmeprüfung zum Öffentlichen Dienst. Meine Schwester hatte einen gut bezahlten Verwaltungsjob in dem Gebäude am östlichen Ende der Spring Street, das von den Einheimischen „das große, grüne Toilettenhaus“ genannt wurde. Im GGT waren zahlreiche Behörden untergebracht, und hier arbeiteten Tausende von Tintenklecksern.

      Während ich auf diese Prüfung wartete, bewarb ich mich für drei andere Jobs, wurde zu Bewerbungsgesprächen eingeladen und bekam drei Zusagen. Das mag den Schulabgängern von heute wie reiner Hohn erscheinen, aber das waren eben andere Zeiten. Damals fand man leicht Arbeit, wenn man keine zu großen Ansprüche stellte, und man konnte sich ohne weiteres von der Schule verabschieden, ohne sich allzu große Gedanken über die Zukunft machen zu müssen. Ich jedenfalls dachte überhaupt nicht groß nach, und ich besprach mich auch nicht weiter mit meiner Mutter. Ich glaube, sie war beeindruckt, weil ich so viel Eigen­initiative zeigte und mich selbst zur Aufnahmeprüfung angemeldet hatte. Allerdings wusste sie auch nicht, dass ich an der Prahran High vor dem sicheren Aus stand und mir gar nichts anderes übrig blieb, als mir zügig etwas anderes zu suchen.

      Wie man mir sagte, war ich der Jüngste der mehr als 100 Anwärter, die an jenem Tag zur Prüfung antraten. Es dauerte gar nicht lange, vielleicht eine Stunde, aber es war gesteckt voll. Man sagte uns als erstes, dass es sehr viele Fragen gäbe und wir uns beeilen sollten, da viele Prüflinge mit dem Test erfahrungsgemäß gar nicht fertig würden. Also stürzte ich mich gleich hinein. Ich schrieb, bis mein Bleistift qualmte. Es gab Fragen wie „Was bedeutet ICBM?“ (Wir hatten vier Antwortmöglichkeiten zur Auswahl, und nur der Vollständigkeit halber, es ist die internationale Abkürzung für Interkontinentalrakete.) „In welchem Land residiert der Papst?“ Ich glaube, sie zielten vor allem darauf ab, einen nervös zu machen. Ich ackerte mich hindurch, sah mir meine Antworten alle noch einmal an, und dann blickte ich mich um und merkte, dass um mich herum noch alle emsig schrieben. Nach ein paar Minuten kam der ältere Mann, der die Prüfung beaufsichtigte, an meinen Tisch und fragte mich, ob alles in Ordnung sei.

      „Ja“, erwiderte ich, „aber ich bin mir nicht sicher, ob ich die kompletten Prüfungsfragen bekommen habe.“

      Der Mann blätterte die Bögen durch. „Doch, das ist alles. Sie haben alles beantwortet, Sie können gehen. Hervorragende Arbeit, junger Mann.“

      In diesem Augenblick erfuhr ich, wie blanker Hass aussieht: Er wallte mir von jedem Anwesenden im Prüfungsraum entgegen. Schon allein die Tatsache, dass ich alles beantwortet hatte, war den meisten übel aufgestoßen. Dass ich das noch dazu in nur 20 Minuten geschafft hatte, sorgte beinahe für eine Meuterei.

      Während ich auf die Nachricht von der Behörde wartete, nahm ich eine Ausbildungsstelle bei GTE Sylvania als Lagerarbeiter an. Sylvania war ein amerikanischer Leuchtmittelhersteller, der unter anderem den Blitzwürfel für Kameras erfunden hatte. Eine gefühlte Ewigkeit stapelte ich Kisten mit den verdammten Dingern in einem Lagerhaus mit Betonboden, während draußen tiefster Winter herrschte. Es war arschkalt, und es ist ein Wunder, dass ich später noch Kinder zeugen konnte. Wenn man eine Weile in der Halle stand, fühlte man sich wie nach einer Rückenmarknarkose, oder jedenfalls so, wie ich mir das vorstelle.

      Die Zeit verging, ohne dass ich etwas von der Aufnahmeprüfung hörte. Bis es eines Abends an meine Tür klopfte. Vor mir stand ein älterer Herr mit einem Stapel Briefe. „Die hier sind wahrscheinlich für Sie – sind Sie Mark W. Evans?“ Die


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