Unbestreitbare Wahrheit. Mike Tyson
„Wer ist da? Bist du’s, Liebling?“ Ich dachte, es sei Curtis, also erwiderte ich: „Ich versuche, eine Waffe und das Geld zu finden. Kümmerst du dich um den Safe?“ Dann erkannte ich, dass es nicht Curtis’ Stimme war. Es war der Kerl, der hier wohnte und auf der Couch lag. Ich eilte zur Tür. „Curtis, diese Scheiße hier klappt nicht. Lass uns verduften, jemand ist im Haus“, sagte ich. Aber Curtis war ein Perfektionist. Er wollte lieber ganze Arbeit leisten und nicht einfach davonrennen. Ich rannte aus dem Haus, so schnell mich meine Füße trugen. Aber Curtis blieb zurück und versuchte, das Sicherheitsschloss zu knacken. Der Besitzer öffnete die Tür, knallte sie ihm gegen den Kopf und schlug ihn eiskalt nieder. Ich dachte lange, er wäre tot. Erst ein Jahr später sah ich ihn wieder. Er lebte, aber sein Gesicht war zerstört, so hart war der Aufprall der Tür gewesen.
Wenn wir Silber gestohlen hatten, brachten wir es zu Sal’s, einem Laden an der Utica und Sterling. Ich war noch klein, aber sie kannten mich, da ich immer mit den älteren Jungs kam. Die Jungs in dem Laden wussten, dass ich gestohlenes Zeug brachte, aber sie konnten mich nicht übers Ohr hauen, denn ich wusste, was der Kram kostete. Auch wenn ich den genauen Preis nicht kannte, wusste ich, was das Zeug wert war. Und ich wusste, was ich wollte.
Manchmal gingen wir, wenn wir unterwegs waren, zur Mittagszeit in eine Schule, in die Cafeteria, schnappten uns ein Tablett, stellten uns an und ließen uns dann das Essen schmecken. Wir hielten Ausschau nach jemandem, den wir beklauen könnten, und entdeckten Jungs, die einen edlen Schulring um den Hals trugen. Wir beendeten unseren Lunch, stellten die Tabletts zurück, schnappten uns den Ring und stürmten hinaus.
Auf der Straße wollten wir immer ordentlich aussehen, denn ein kleines schwarzes Kind auf der Straße, das ungepflegt und schmutzig aussieht, wird schikaniert. Also sahen wir gepflegt und harmlos aus. Wir hatten das gesamte Outfit, Schulranzen und nette kleine Brillen und den typischen Look einer katholischen Schule, eine ordentliche Hose und weiße Hemden.
Nach etwa einem Jahr unternahm ich die Brüche auf eigene Faust. Es war recht lukrativ, aber auf der Straße herumzuhängen und Ausschau nach Opfern zu halten, war viel aufregender als das Ausrauben von Häusern. Man erleichterte ein paar Ladys um ihren Schmuck, und die Bullen jagten einem hinterher. Wir nannten sie Helden, die kamen und den Tag retteten. Höheres Risiko für weniger Geld.
Manchmal stellte man fest, dass man Konkurrenz hatte. Man stieg in einen Bus, in dem bereits jemand auf der Lauer lag. Vielleicht war man selbst auffällig. So was nannte man „Aufsehen erregen“. Bevor man einstieg, war im Bus alles ruhig, aber dann machte der Busfahrer eine Durchsage.
„Meine Damen und Herren, soeben sind ein paar junge Männer eingestiegen. Passen Sie auf Ihre Handtaschen auf, man wird versuchen, Sie auszurauben.“ Dann stieg man bei der nächsten Haltestelle aus, aber der andere, der unauffällige Dieb, stieg ebenfalls aus und folgte einem.
„Du Arschgesicht, du hast den ganzen Bus in Aufruhr gebracht“, schrie er. Und wenn er älter war als man selbst, versohlte er einem den Arsch und nahm einem das ab, was man bis dahin gestohlen hatte – das Geld und den Schmuck.
Ich fand schwer einen Partner, der mit mir gemeinsam auf Taschendiebstahl gehen wollte, da ich weder so geduldig noch so gut wie die anderen darin war. Ich war nie so glatt, dass ich gesagt hätte: „Ich werde jetzt den Nigga da verarschen, mich langsam von rechts ranschieben und ganz nah dranbleiben.“ Ich war viel besser darin, jemanden zu überrumpeln.
Jeder starke Kerl kann andere überrumpeln. Aber der Kick bestand darin, gerissen zu sein und den anderen auszutricksen. Die meisten Leute würden denken: „Man verfolgt mich, ich werde mich schnell verziehen.“ Aber nicht mit uns. Auch wenn eine Lady den ganzen Tag krampfhaft ihre Geldbörse umklammerte, ließen wir sie nicht aus den Augen, auch wenn sie keine Sekunde die Geldbörse losließ. Wir folgten ihr, zogen uns dann aber zurück. Eins der kleinen Kinder, die immer bei uns waren, beobachtete sie jedoch weiterhin. Ein paar Sekunden lang ließ sie sich ablenken, und der Kleine schnappte sich den Geldbeutel und machte sich aus dem Staub. Und bevor wir wieder auftauchten, hörten wir einen herzzerreißenden Schrei: „Um Himmels willen, mein Geld ist weg!“
Es war verrückt.
Der einfachste Beutegang war das Klauen einer Goldkette, was ich ganz dreist in der U-Bahn tat. Ich setzte mich an einen Platz am Fenster. Zu der Zeit konnte man noch die Fenster öffnen. Ich kurbelte ein paar Fenster herunter, dann hielt die Bahn an und neue Fahrgäste stiegen ein und setzten sich ans Fenster. Ich stieg aus, und sobald sich der Zug langsam wieder in Bewegung setzte, griff ich hinein und schnappte mir ihre Ketten. Sie schrien auf und blickten mich an, aber sie konnten nicht aussteigen. Ich behielt die Kette ein paar Tage lang, versteckte sie gut und verkaufte sie dann, bevor die älteren Jungs sie mir wegnehmen konnten.
Obwohl ich mittlerweile mehr oder weniger dazugehörte, kam ich damals mit den Mädchen nicht so recht klar. Ich mochte Mädchen, aber in dem Alter wusste ich nicht, wie ich es ihnen sagen sollte. Einmal beobachtete ich die Mädchen beim Seilspringen. Ich mochte sie und wollte mit ihnen zusammen springen, also fing ich an, sie zu ärgern. Und plötzlich fingen diese Mädchen aus der 5. Klasse an, mich ohne Vorwarnung zu verprügeln. Ich spielte mit ihnen, aber sie meinten es ernst, und ich wurde überrumpelt. Erst viel zu spät dämmerte es mir, dass ich mich wehren musste. Damals kam jemand und beendete den Spuk, aber sie hatten sich als stärker erwiesen als ich. Ich wollte nicht mit ihnen streiten.
Für meine Mutter und meine Schwester war es keine Überraschung, dass ich klaute und keineswegs gesellschaftsfähige Dinge tat, um Geld heimzubringen. Sie sahen meine hübschen Klamotten, und ich versorgte sie mit Essen – Pizza oder was von Burger King und McDonald’s. Meine Mutter erkannte, was es geschlagen hatte, aber es war bereits zu spät. Sie dachte, ich sei ein Krimineller, ich würde umkommen oder vor die Hunde gehen. Vermutlich hatte sie schon früher Kids wie mich erlebt und ahnte, dass ich jeden bestehlen würde. Ich kannte keinerlei Grenzen und machte vor niemandem Halt.
Meine Mutter zog es vor zu betteln. Sie verwirrte mich ein wenig, da sie zu ehrlich war. Allerdings bettelte sie ständig um Geld, so war sie halt. Ich gab meiner Schwester viel Geld für den Haushalt. Manchmal gab ich meiner Mutter 100 Dollar oder so, aber ich bekam es nie zurück. In den Augen meiner Mutter war ich nie so viel wert. Wenn ich sagte, „Ma, du schuldest mir Geld“, antwortete sie lediglich: „Und du schuldest mir dein Leben, Junge. Ich zahle dir nichts zurück.“
Nachdem die großen Jungs in der Nachbarschaft wussten, dass ich ein Dieb war, nahmen sie mir das Geld, den Schmuck und meine Schuhe weg, und ich hatte Angst, es meiner Mutter zu sagen. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Sie verprügelten mich, stahlen mir meine Tauben und wussten, wie sie mich einschüchtern konnten. Barkim brachte mir nicht bei, wie man sich wehrte. Er brachte mir lediglich bei, wie man sich gut kleidete und Hygiene betrieb. Wenn mich auf der Straße jemand anschrie oder jagte, nahm ich einfach mein Zeug und machte mich aus dem Staub. Ich wurde weiterhin schikaniert, aber ich wurde jetzt auch mehr respektiert.
Als ich heranwuchs, wollte ich immer im Mittelpunkt stehen. Ich wollte der Kerl sein, der cool daherredete: „Ich bin der größte Dreckskerl weit und breit“, „Ich habe die besten Vögel“. Ich wollte ein richtiger Straßenjunge sein, ein cleverer Bursche, aalglatt und redegewandt, aber ich war zu schüchtern und unbeholfen. Wenn ich versucht hätte, so zu reden, hätte mir jemand was auf die Rübe gegeben und gesagt: „Halt die Schnauze, Nigga!“ Doch als ich in meinen ersten Straßenkampf geriet, bekam ich einen Vorgeschmack davon, wie es war, sich in der Bewunderung der Menge zu sonnen.
Eines Tages ging ich nach Crown Heights und brach mit einem älteren Jungen in ein Haus ein. Wir fanden 2.200 Dollar Bargeld, und er gab mir 600 Dollar. Ich ging in eine Tierhandlung und kaufte für 100 Dollar Vögel. Sie wurden für mich in eine Kiste verpackt, und der Besitzer half mir, sie in die U-Bahn zu verfrachten. Als ich ausstieg, half mir jemand aus meiner Nachbarschaft, die Kiste zu dem Abbruchhaus zu schleppen, wo ich meine Tauben versteckte. Aber dieser Junge erzählte einigen Kids der Umgebung, dass ich all diese Vögel hätte. So tauchte ein Kerl namens Gary Flowers mit ein paar Freunden auf, um meine Tauben zu klauen.
Meine Mutter beobachtete, wie sie sich an den Vögeln zu schaffen machten, und rief mich sofort. Ich rannte zu ihnen und stellte sie zur Rede. Sie sahen mich kommen und ließen