Jimi Hendrix. Charles R Cross
Laufbahn. Carmen deutete vorsichtig an, dass Jimi eventuell etwas konventioneller spielen solle. Jimi war beleidigt, auch von seiner Freundin wollte er so etwas nicht hören. „Das ist nicht mein Stil“, beharrte er, „das kommt nicht infrage.“ Carmen machte sich daraufhin Sorgen, ob Jimi als Musiker überhaupt vermittelbar sei.
Wenig später driftete die Beziehung zwischen Carmen und Jimi auseinander, obwohl es eigentlich gar keine Meinungsverschiedenheit zwischen ihnen gab. Andere Jungen hatten Carmen gefragt, ob sie mit ihnen gehen wolle, und sie fühlte sich zu ihnen hingezogen. „Ich mochte Jimi wirklich“, erinnert sie sich, „aber die älteren Jungs hatten Autos und Geld, um mich auszuführen.“ Carmens Verabredungen mit Jimi bestanden fast ausschließlich aus Spaziergängen im Park. Dabei kamen sie stets an einem Drive-in-Restaurant vorbei, wo sie anderen Pärchen dabei zusahen, wie diese aneinander gekuschelt auf dem Vordersitz eines Wagens Cola schlürften. „Ältere Jungs konnten mir einen Hamburger kaufen. Jimi hatte weder einen Wagen noch Geld, um mich einzuladen.“ Während der Highschoolzeit blieb sie mit ihm befreundet, aber seine saftigen Küsse waren schon bald nur noch Erinnerung.
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Jimis erste erwähnenswerte Band waren die Velvetones, eine von dem Pianisten Robert Green und dem Tenorsaxofonisten Luther Rabb gegründete Gruppe. „Wir waren eigentlich nur ein paar Kids“, erinnert sich Luther. „Unsere Besetzung hat sich ständig geändert, aber dabei waren auch vier Gitarristen, zwei Pianisten, ein paar Bläser und ein Schlagzeuger. Das war zur Zeit der ‚Revuen‘, als zu jedem Auftritt auch eine Tanznummer gehörte. Wir mussten uns aufdonnern und uns Glitzer auf die Hosen kleben, damit alles funkelte.“
Die Velvetones waren keine formvollendete Band. „Die meisten unserer Stücke waren für Gitarre und Klavier und bestanden aus einer Mischung aus Jazz, Blues und R & B“, erinnert sich Pernell Alexander, der ebenfalls in der Gruppe Gitarre spielte. Zu einem typischen Set der Velvetones gehörte zum Beispiel ein Jazzklassiker wie „After Hours“, gefolgt von Duane-Eddy-Songs wie „Rebel Rouser“ und „Peter Gunn“. Bill Doggetts „Honky Tonk“, ein Instrumentalstück, wurde zu so etwas wie dem Markenzeichen der Band. „Das war Jimis Standardstück“, bemerkt Terry Johnson. Anfänglich war Jimi nicht der beste Gitarrist in der Band, aber er wurde von Tag zu Tag besser. Jimi hatte überdurchschnittlich lange Finger, ein rein körperlicher Vorteil, der es ihm erlaubte, den Hals zu umfassen und hohe Töne zu treffen, die anderen Musikern schwer fielen. Er war sich dessen bewusst und nutzte seinen Vorteil, wo er konnte, indem er einzelne Töne spielte, die nicht zur ursprünglichen Komposition gehörten. Da er noch nicht lange spielte, war das Ergebnis musikalisch oft nicht unbedingt beeindruckend, dennoch gelang es ihm, dadurch die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich zu lenken. Zumindest fiel er auf.
Nach einem Vorspieltermin ergatterten die Velvetones einen ständigen Auftrittsort und spielten einmal pro Woche, an einem Werktag, im Birdland, dem legendären Club an der Ecke Madison Street und Zweiundzwanzigste Straße. Als dort arbeitender Musiker konnte Jimi nun vorbeikommen, wann immer er wollte, und sich andere Bands umsonst ansehen, was für ihn einen größeren Gewinn darstellte als die zwei Dollar, die er bei einem Auftritt mit der Band verdiente.
Bei einem jener Besuche überredete Jimi Dave Lewis, ihm die Bühne für Soloauftritte zu überlassen, wenn seine Band Pause machte. Mit diesen zehnminütigen Blitzshows bekam Jimi Gelegenheit, einige seiner Bühnentricks in einem Forum auszutesten, in dem für ihn nichts auf dem Spiel stand. Lewis erzählte später, Jimi habe das ältere, gepflegtere Publikum, das vor allem wegen Lewis gekommen war, regelmäßig schockiert: „Er spielte so wildes Zeug, aber die Leute konnten dazu nicht tanzen. Sie haben ihn einfach nur angestarrt.“
Zu den regelmäßigen Auftrittsorten der Velvetones gehörte das Yesler Terrace Neighborhood House am Freitagabend. Der Aufenthaltsraum eines sozialen Wohnblocks war kaum glamourös, und die Auftritte zahlten sich finanziell nicht aus, aber Jimi und seinen Bandkollegen war es so möglich, zu experimentieren. „Eigentlich waren das informelle Tanzpartys, ein paar Kids haben auch wirklich getanzt, meistens aber hat man nur vor anderen Musikern gespielt“, erinnert sich der Musiker John Horn. „Sie spielten R & B und ein bisschen Blues. Es machte damals schon ziemlich Spaß, Jimi zuzusehen – allein, dass er eine Rechtshändergitarre verkehrt herum spielte, war faszinierend.“
Jimi hatte noch immer keinen Verstärker, und er hütete sich, seinen Vater um finanzielle Unterstützung zu bitten. Obwohl Al ihm die Gitarre gekauft hatte, bereute er seinen Entschluss längst, da er der Meinung war, sein Sohn vergeude viel zu viel Zeit mit Musik. Al ließ später durchblicken, er habe Jimis frühe Bands immer unterstützt, aber die Mitglieder jener Gruppen erzählen ausnahmslos eine andere Geschichte. „Jimi ließ seine Gitarre meist bei Pernell stehen, aus Angst, bei ihm zu Hause könnte sie kaputtgehen“, erinnert sich Anthony Atherton von den Velvetones. „Sein Vater hatte was dagegen, auch gegen Musik im Haus, sogar gegen Gitarreüben.“ Jimi zu den Proben aus dem Haus zu lotsen gehörte schon bald zu den alltäglichen Aufgaben der Band. Mehrere Bandmitglieder wurden Zeugen, wie Al seinen Sohn schlug, wenn er wütend war. „So war Al“, sagte Pernell. „Er war ein brutaler Mann. Zum Teil lag das an der damaligen Zeit und wie Männer damals waren. Wenn gerade keine Frau da war, die man schlagen konnte, dann prügelte man eben die Kinder. Mann, da ging’s echt heftig zu. Das war absolut krass.“
Al war nur unregelmäßig zu Hause, doch wenn er da war, vermieden die Bandmitglieder es nach Möglichkeit, dort aufzukreuzen. „Schon als Teenager wusste ich, dass Mister Hendrix eine andere Sorte Dad war“, erinnert sich Atherton. „Ich hatte Angst vor ihm, wegen des Donners in seiner Stimme und weil ich gesehen hatte, wie er seine Kinder behandelte. Jeder, der mit einem Instrument vorbeikam, kriegte Ärger mit ihm. Dann sagte er: ‚Leg das Scheißding weg, damit kriegst du keinen Job.‘“
Eines Abends nach einem Auftritt im Birdland ließ Jimi seine Gitarre im Club hinter der Bühne stehen, vielleicht, weil er das für sicherer hielt, als sie mit nach Hause zu nehmen. Als er am nächsten Tag zurückkam, war die Gitarre gestohlen. „Er war absolut am Boden zerstört“, erinnert sich Leon. „Aber ich denke, er war noch fertiger als sowieso schon, weil er wusste, dass er es unserem Dad würde erzählen müssen, und er wusste, er würde eine ordentliche Tracht Prügel kassieren.“ Einen Moment lang schien es, als sei Jimis Musikerkarriere vorbei.
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Ab Herbst 1959 war Jimi mit Betty Jean Morgan zusammen, die er in der Schule kennen gelernt hatte. Betty war im Süden aufgewachsen und sprach mit breitem Akzent – was für Afroamerikaner in Seattle sehr ungewöhnlich war. Ihre Verabredungen bestanden aufgrund von Jimis nicht vorhandenen finanziellen Reserven aus Spaziergängen im Leschi-Park. Bettys Eltern waren sehr konservativ, und wenn Jimi mit ihrer Tochter ausgehen wollte, musste er ihren Vater persönlich um Erlaubnis bitten. Jimi machte diese Formalität Spaß. „Er war ein Schatz“, erinnert sich Betty Jean. „Meine Eltern mochten ihn, weil er höflich war. Meine Mutter war eine ausgezeichnete Köchin, und er vergötterte sie.“ Als Jimi noch seine Gitarre hatte, spielte er auf der Veranda für Betty Jean, um Eindruck bei ihr zu schinden.
Im Herbst wurde Jimi siebzehn Jahre alt. Sein Schulkamerad Mike Tagawa erinnert sich, dass er modisch immer zwei Jahre hinterherhinkte: „Er trug schwarze Bundfaltenhosen, ein schwarzweiß gestreiftes Hemd mit hochgestelltem Kragen und einen sehr schmalen Gürtel, den er seitlich trug. Im Prinzip war das derselbe Look, wie man ihn im Film Grease zu sehen bekam.“ Als Jimi schließlich einen Job als Zeitungsjunge beim Seattle Post-Intelligencer bekam, behielt er ihn nicht lange: Nach nur drei Monaten gab er auf, da er auf seinen Runden Ärger bekommen hatte.
Jimi half seinem Vater regelmäßig beim Rasenmähen, und Al wollte, dass er in das Familiengewerbe einstieg und mit ihm arbeitete. „Wenn Jimi den ganzen Tag hart arbeitete, bekam er einen Dollar dafür. Aber es war harte Arbeit, und Jimi hasste sie.“ Jimmy Williams hatte im Gegensatz dazu einen Job in einem Lebensmittelladen und verdiente fünfzig Dollar die Woche. Er versuchte, Jimi ebenfalls dort unterzubringen. „So viel Geld hätte in seinem Leben echt einiges verändert“, sagt Williams, aber Al erlaubte Jimi nicht, die Stelle anzunehmen. „Al sagte immer nur: ‚Ich kann ihm nicht erlauben, so spät noch zu arbeiten, weil er lernen und in die Schule gehen muss‘“, erinnert sich Williams. „Aber natürlich ging Jimi nur äußerst