Hinter der Maske - Die Autobiografie. Paul Stanley

Hinter der Maske - Die Autobiografie - Paul  Stanley


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Dann hörte sie plötzlich auf. Der Hammer war im Holz steckengeblieben, und auf einmal herrschte Stille. Ich kauerte mich zusammen und zählte die Minuten und Stunden.

      Werden sie kommen, bevor es wieder losgeht?

      Dann kamen sie endlich.

      „Was ist denn hier passiert?“, fragten sie. Ich erklärte ihnen, dass Julia mich mit einem Hammer verfolgt hatte. Aber nun fuhren sie mich an, als ob es meine Schuld gewesen wäre. Zuerst schrien sie mich an, dann schlugen sie mich. Ich hatte solche Angst gehabt, und nun kannte ich mich überhaupt nicht mehr aus.

      Ihr habt mich mit ihr allein gelassen! Das war eure Entscheidung, nicht meine! Sie hat versucht, mich umzubringen!

      Auch die Schule war weiterhin eine Herausforderung. Noch in der Grundschule wurde ich in den Begabtenzweig geschickt, und auch in der Junior-High landete ich wieder in der Begabtenklasse.

      Ich hätte das nicht auf Grundlage meiner Noten geschafft, da ich kein sehr guter Schüler war, jedoch öffnete mir eine Art Intelligenztest die Tür in diese Klasse. Obwohl mein IQ es rechtfertigte, dass ich die Begabtenklasse besuchte, war ich einer der schlechteren Schüler dieses Zweigs. Ich denke, alle wunderten sich über mich und dachten, dass ich nicht lernen wollte. Was allen verborgen blieb, war, dass mein Gehör einen schrecklichen Nachteil für mich darstellte. Vieles konnte ich einfach gar nicht wahrnehmen. Und wenn ich erst einmal einen Satz überhört hatte, kannte ich mich nicht mehr aus. Sobald ich den roten Faden verloren hatte, gab ich auf.

      Bei Elternabenden erzählten meine Lehrer meinen Eltern stets dasselbe: „Er ist intelligent, aber er bringt sich nicht ein“, oder „Er hat Köpfchen, aber er schöpft sein Potenzial nicht aus.“ Kein Lehrer sagte jemals: „Er ist ein aufgeweckter Junge, aber er kann nicht verstehen, was ich sage.“

      Damals blieben derartige Einschränkungen einfach unbemerkt.

      Andererseits: Meine Eltern wussten, dass ich auf einer Seite taub war – und trotzdem kamen sie nach jedem Elternabend nach Hause und rügten mich: „Gott hat dir dieses wundervolle Gehirn geschenkt und du benutzt es nicht.“

      Ich weinte und fühlte mich schuldig. „Ab morgen werde ich mich bessern“, gelobte ich.

      Zweifellos ein guter Vorsatz. Dann ging ich am nächsten Tag in die Schule und war immer noch taub, worauf ich mich bald wieder wie ein Loser fühlte.

      Ich wusste, dass die Dinge einen üblen Verlauf nehmen würden, wenn ich nichts unternahm. Sollte das bedeuten, dass ich scheitern würde? Dass ich mich umringen würde? Ich war mir nicht sicher. In diesem Unglück zu leben, eine Lüge zu leben, andere Menschen darunter leiden zu lassen – ich wusste, dass das alles falsch war. Ich wusste nicht, wo es enden würde, aber ich wusste, dass es schlecht enden würde. Es war eine schreckliche Lage, die mich vor allem in der Nacht sehr beschäftigte. Zusätzlich zu den Albträumen und dem Schlafwandeln wurde ich nun auch noch ein Hypochonder: Ich dachte, ich würde abkratzen. Ich lag nachts wach und hatte Angst einzuschlafen, weil ich befürchtete, nicht mehr aufzuwachen. Irgendwann döste ich dann doch ein, da ich meine Augen nicht mehr offenhalten konnte. Das wiederholte sich jede Nacht.

      Du stirbst. Du steckst in der Scheiße.

      Dann – sieh da! – bekam ich mein erstes Transistorradio. Es eröffnete mir den Zugang in ein ganz neue Welt, in die ich gehen konnte, wann immer ich den Ohrhörer in mein funktionierendes linkes Ohr steckte. Musik gewährte mir wieder einmal Zuflucht und bescherte mir zumindest ein flüchtiges Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit.

      Und im Februar 1964, ein paar Wochen nach meinem zwölften Geburtstag, sah ich die Beatles in der Ed Sullivan Show. Als ich ihren Auftritt verfolgte, durchfuhr es mich: Das ist meine Fahrkarte in die Freiheit. Hier war das Transportmittel, das mich aus dem Unglück führen und mit dessen Hilfe ich berühmt, bewundert und beneidet werden würde.

      Und ohne jegliche rationale Grundlage war ich überzeugt: Das kann ich auch. Ich kann in dieselbe Kerbe schlagen. Ich hatte noch nie zuvor Gitarre gespielt und schon gar keinen Song geschrieben. Und doch war dies mein Ticket in die Freiheit.

      Ich wusste es einfach.

      Ich fing sofort an, mir die Haare wachsen zu lassen, da ich eine Pilzkopffrisur wie die Beatles anstrebte. Natürlich tat ich dies nicht nur, weil mir der Schnitt gefiel, sondern auch, um mein Stummelohr auf der rechten Seite meines Kopfes zu verbergen. Irgendwie ging dieses Motiv völlig an meinen Eltern vorüber. Sie gingen mir wegen meiner Haare auf die Nerven und drohten mir, sie mir abzuschneiden.

      An einem Nachmittag, kurz nachdem ich die Beatles bei Ed Sullivan gesehen hatte, traf ich einen Jungen aus meiner Nachbarschaft namens Matt Rael. Er erzählte mir, dass er eine E-Gitarre besäße und Musik machte. Er war eine Klasse unter mir, aber ich war trotzdem sehr beeindruckt. Ich brauchte nun auch eine E-Gitarre, damit ich ebenfalls Musik machen konnte. Und bald hatte ich auch eine Idee, um an so ein Instrument ranzukommen: Die nächsten elf Monate, während die British Invasion nicht nur die Beatles, sondern auch die Dave Clark Five, die Kinks, die Rolling Stones, die Searchers, Manfred Mann, Gerry and the Pacemakers, die Animals und viele andere zu uns brachte, lag ich meinen Eltern in den Ohren, mir zu meinem 13. Geburtstag eine E-Gitarre zu schenken.

      „Das ist mein größter Wunsch“, erklärte ich ihnen.

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      Ich sollte noch herausfinden, dass ich besser geeignet war, ein eigenes Team zu haben, als nur in einem zu spielen.

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      Meine Schwester (14) und ich (12) stehen vor unserem Wohnhaus in der 75th Road in Queens … und sind angezogen, als wollten wir bei den Sopranos mitspielen.

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      Am Morgen des 20. Januar 1965 erwachte ich voll Aufregung. Endlich meine E-Gitarre! „Sieh unter dem Bett nach“, sagte meine Mom. Ich schaute erwartungsvoll unters Bett. Dort sah ich einen Karton, der, von der Form her, etwas zu enthalten schien, das wie ein akustische Gitarre aussah.

      In mir stieg Enttäuschung hoch.

      Ich zog den Karton unter dem Bett hervor. Ohne jeden Zweifel, es war eine gebrauchte japanische Akustikgitarre, die mit Nylonsaiten bespannt und mit ein paar notdürftig geflickten Rissen übersät war. Ich war am Boden zerstört und schob die Kiste samt Gitarre zurück unters Bett. Ich wollte nicht darauf spielen.

      Meine Eltern entstammten Familien, denen es sinnvoller erschien, Kinder am Boden zu halten, als ihnen Hochgefühle zu verschaffen. Das war ihr Erziehungsansatz. Sie schenkten mir aus Prinzip nicht das, was ich mir gewünscht hatte, obwohl es für sie nicht schwieriger gewesen wäre. Ich glaube, sie hatten verhindern wollen, dass mir die Erfüllung meines Wunsches zu Kopfe stieg.

      Nachdem ich die Gitarre verschmäht hatte, begannen sie, mir Schuldgefühle einzureden – wobei sie ihre eigene Rolle in dieser riesengroßen Enttäuschung niemals anerkannt hätten.

      Mein Freund von den Pfadfindern, Harold Schiff, bekam ein paar Wochen später eine E-Gitarre – eine hellblaue Fender Mustang mitsamt einem Perlmutt-Pickguard. Er gründete dann sofort eine Band. Und er wollte mich als Sänger!

      Harolds Freunde Eric London und Jay Singer, die ich ein wenig vom Glee-Club und den Pfadfindern kannte, stiegen auch ein. Eric spielte Kontrabass im Schulorchester und zupfte nun dasselbe Instrument auch bei uns. Jay, der Klavierunterricht bekam, hatte seit Kurzem ein elektrisches Keyboard, eine Farfisa-Orgel. Harold holte noch einen weiteren Jungen dazu, den er aus dem Hebräischunterricht kannte. Er hieß Arvin Mirow und sollte Schlagzeug spielen. Auch ihn kannte ich aus dem Glee-Club. Dann schlug ich vor, dass wir noch Matt Rael, der Tür an Tür mit Eric wohnte, dazuholen sollten. Er wurde unser Leadgitarrist. Matt und ich waren die einzigen Jungs aus dieser Truppe, deren Eltern nicht irgendwelche Doktoren waren.

      Anders als wir wohnten die Familien von Harold und Matt nicht in Apartments, sondern hatte eigene Häuser, die auch


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