Hinter der Maske - Die Autobiografie. Paul Stanley

Hinter der Maske - Die Autobiografie - Paul  Stanley


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Cynthia Weil, Gerry Coffin und Carole King sowie Jeff Barry und Ellie Greenwich. Das waren Songs mit Strophe, Refrain, Bridges und großartigen Hooks. Songs, die so eingängig waren, dass man sie bereits auswendig kannte, wenn der Refrain zum zweiten Mal einsetzte. Es ging um Melodien und darum, eine Geschichte zu erzählen.

      Harold Schiffs Kellerband hatte sich aufgelöst, aber Matt Rael und ich jammten regelmäßig, seitdem ich meine Gitarre hatte. Manchmal schloss sich uns auch noch ein Junge namens Neal Teeman an den Drums an. Wir nannten uns Uncle Joe und nahmen fortlaufend neue Songs in unser Repertoire auf. Matt hatte allerdings seine eigenen Probleme zu bewältigen, da ihn seine Eltern mittlerweile in eine Privatschule in Manhattan schickten.

      Meine Haare waren nun richtig lang, aber auch sehr lockig. Damals hasste ich die Locken, da glatte Haare angesagt waren. Deshalb kaufte ich mir im nahe gelegenen Schwarzen-Wohngebiet ein Haarglättungsmittel namens Perma-Strate. Es roch nach Ammoniak und anderen Chemikalien und verätzte einem ordentlich die Kopfhaut. Man musste Perma-Strate auf die Haare auftragen, sie dann zurückkämmen, das Mittelchen einwirken lassen und die Haarpracht dann wieder nach vorne kämmen. Gelegentlich ließ ich das Zeug zu lange drauf, was zur Folge hatte, dass meine Kopfhaut blutete. Manchmal bügelte ich meine Haare auch. Alles nur, damit die Haare glatt waren. Die Mutter eines anderen Jungen, mit dem ich mich anfreundete, David Un, nannte mich „Prinz Eisenherz“ wegen meines Looks. Mein Dad hingegen hatte inzwischen angefangen, mich „Stanley Fettarsch“ zu nennen.

      Ich hatte David Un in der Parsons Junior-High kennengelernt. Seine Familie war wie Matts Eltern fürsorglich und künstlerisch interessiert. Sein Dad war Maler und seine Mutter war Lehrerin. So wie ich hatte David richtig lange Haare. Manchmal, wenn ich die Schule schwänzte und nach Manhattan fuhr, begleitete er mich. Er stand auch total auf Musik. Und so begannen wir, so gut wir konnten, uns in die aufkommende Gegenkultur zu stürzen. Eines Tages schlenderten wir die Hauptstraße unseres Wohngebiets hinunter und bemerkten einen neuen Shop, der Middle Earth hieß. Es war ein Kifferladen, in dem Wasserpfeifen, Bongs aus Glas und alle möglichen anderen Drogen-Utensilien über den Ladentisch gingen. Die Leute, die dort arbeiteten, hatten auch lange Haare.

      Vielleicht sind sie ja wie ich?

      Ich passte nicht zu normalen Leuten, aber hier, in meiner Nachbarschaft, gab es eine Alternative. Ich begann, dort abzuhängen und mich mit den Besitzern und ein paar der Kunden zu unterhalten. Es ging nicht um Drogen, obwohl ich anfing, hin und wieder mal Pot zu rauchen. Es ging mir um Akzeptanz. Auf einen Ausgestoßenen oder auf jemanden, der sich in einer Art selbst auferlegtem Exil befand, wirkte Middle Earth behaglich. Ich nahm auch meine Akustikgitarre mit in den Laden und klimperte darauf herum, während ich dort abhing.

      Ein Mädchen aus meiner Schule namens Ellen Mentin war mir gegenüber besonders geduldig und verständnisvoll. Ich sprach mit ihr sogar über einige meiner inneren Dämonen, aber dadurch, dass ich ihr meine Probleme andeutete, konnte ich meine Beklommenheit auch nicht vermindern. Ellen wollte, dass wir ein gewöhnliches Junior-High-Pärchen würden und gemeinsam ins Kino gingen oder so. Jedoch war ich nicht in der Lage, Dinge mit ihr in der Öffentlichkeit zu unternehmen. Es fühlte sich zu riskant, zu erstickend, zu einengend an.

      Was ist, wenn jemand anfängt, sich über mich lustig zu machen, wenn ich gerade mit ihr zusammen bin?

      Ich konnte gar nicht begreifen, warum sie mit jemandem wie mir zusammen sein wollte. Mit oder ohne lange Haare – ich war immer noch ein Freak. Ich fragte sie sogar: „Warum magst du mich? Warum willst du mit mir zusammen sein?“ Es ergab überhaupt keinen Sinn für mich.

      Ellen und ich blieben Freunde. Allerdings war es mir nicht möglich, fest mit jemandem zu gehen, der so unerschütterlich fürsorglich war. Sogar gemeinsam im Bus zu fahren, barg Risiken, die ich nicht auf mich nehmen wollte.

      Mein Dad beschloss ungefähr zu dieser Zeit, mir seine Version der Geschichte von den Blumen und Bienen aufzutischen. Völlig ansatzlos, während einer unserer Spaziergänge, sagte er: „Wenn du eine schwängern solltest, dann bist du ganz allein auf dich gestellt.“

      Sollte das heißen, er würde mich mit 14 auf die Straße werfen?

      Na toll.

      Ich wusste ja kaum, wie man jemanden schwängert, aber nun wusste ich zumindest, dass es mir einen Fußtritt einbringen würde, der mich zur Tür hinausbeförderte.

      Als wenn ich nicht schon längst auf mich selbst gestellt wäre.

      Ich verbrachte die meiste Zeit allein, in meinem Zimmer, wo ich mich von der Außenwelt abschottete, Musik hörte, Gitarre spielte und Musikmagazine las. Meine Mom, die ein schlechtes Gewissen hatte, weil die missliche Lage meiner Schwester ihre ganze Zeit in Anspruch nahm, hatte mir eine Stereoanlage besorgt.

      Ich wurde zu einem Stammhörer der Radiosendung von Scott Muni, The English Power Hour, eine der ersten Shows im FM-Radio, die sich auf die neuesten Sounds aus Großbritannien konzentrierte. Im Frühling 1967 dominierte Jimi Hendrix, der nach England gezogen war, die britische Szene und die dortige Hitparade. Seine Musik fand durch solche Sendungen auch immer mehr Anklang in den USA. Als sein erstes Album herauskam, traf es mich wie eine Atombombe.

      Ich liebte es, The Jimi Hendrix Experience auf den Plattenteller zu legen und mich mit dem Kopf genau zwischen beide Lautsprecher ganz flach auf den Boden zu legen. Obwohl ich auf der rechten Seite taub war, konnte ich die Schwingungen der Musik mittels Knochenleitung wahrnehmen. Ich malte mein Zimmer nun auch violett an und befestigte eine Lichterkette, die zu einer Weihnachtsbeleuchtung gehörte, an der Zimmerdecke. Ich spielte auf meiner Gitarre und beobachte mich im Spiegel dabei, wie ich im Licht der Lämpchen Pete Townshend von The Who und seine Windmühlen-Schläge imitierte.

      Jedoch kam der womöglich größte Einfluss, den Hendrix auf mich ausübte, von seiner Frisur. Seine Haare standen ihm zu Berge, und auch Eric Clapton und Jimmy Page machten es ihm bald nach. Ehe man sich’s versah, war das der angesagte Look, was bedeutete, dass Perma-Strate von nun an der Vergangenheit angehörte. Als ich nun meine explodierende Haarpracht der Welt präsentieren wollte, schlug meine Mutter die Hände über dem Kopf zusammen: „Du wirst doch wohl nicht so vor die Tür gehen, oder?“

      „Doch, sieht ganz so aus. Bis später.“

      Es war an der Zeit, ganz unverblümt den Freak raushängen zu lassen.

      Als das Ende der Junior-High näher rückte, bewarb ich mich bei der Highschool of Music & Art, einer privaten Schule, die einen alternativen Lehrplan verfolgte und sich an der Ecke West 135th Street und Convent Avenue in Manhattan befand. Ich war einer der besten Zeichner in meiner Junior-High. Zeichnen lag mir einfach im Blut. Doch ebenso wichtig war es mir, durch diese spezialisierte Schule in ein angenehmeres Milieu zu wechseln. Zuerst war ich noch wegen etwas angestarrt worden, für das ich nichts konnte – mein Ohr – und im Anschluss für etwas, das ich mir selbst zurechtgelegt hatte – meine Klamotten und meine Haare. Die meisten Schulen hatten damals noch Bekleidungsvorschriften, aber an der Music & Art war es egal, was man trug, solange man überhaupt zum Unterricht erschien.

      So, wie ich es sah, würde ich nicht länger der Freak der Schule sein, sondern in eine Schule voller Freaks wechseln.

007.tif

      Mit 15 im Central Park … glückselig dank kleiner Hilfsmittel. maury englander

sterne.pdf

      Obwohl das Zeichnen meine Eintrittskarte für die Musik- und Kunstschule war, dachte ich nicht ernsthaft an eine Karriere im Bereich der bildenden Künste. Es sollte sich herausstellen, dass das auch kein Fehler war, denn es war ernüchternd, im Herbst 1967 in der Schule aufzukreuzen und dort auf viele Leute zu treffen, die nicht nur ebenso gut waren wie ich, sondern ganz offensichtlich sogar deutlich besser.

      Ich hatte mich vor allem deshalb mit Kunst beschäftigt, weil es noch keine Schule für angehende Rockstars gab – Kunst war also mein Plan B. Aber nun nicht mehr. Ich wusste mittlerweile, dass es die Musik oder gar nichts sein würde. Und doch blieben meine musikalischen Ambitionen jeden Tag, wenn ich mich auf


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