Hinter der Maske - Die Autobiografie. Paul Stanley

Hinter der Maske - Die Autobiografie - Paul  Stanley


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wir den Keller der Schiffs alleine benutzen, sodass wir uns dort zuerst einquartierten. Der Kellerraum war fein eingerichtet – die Wände waren mit hübschen Holzpaneelen ausgekleidet, der Boden war mit Linoleum ausgelegt, und es gab sogar ein Fenster. Außerdem führte eine Tür hinaus zum Hinterhof.

      Harold und Matt steckten ihre Gitarren im selben Verstärker an, und meine Stimme lief über den Amp, der auch Jay Singers Keyboard abnahm. Ich schlug, wenn ich sang, auch gegen ein Tamburin – etwas, was man oft im Fernsehen sah. Eric musste nur den Bass so laut wie möglich zupfen. Wir versuchten uns an Songs wie „Satisfaction“ von den Stones und anderen Songs von Bands der British Invasion, wie etwa den Kinks und den Yardbirds. Um größtmöglichen Nutzen aus Jays Farfisa zu ziehen, lernten wir auch „Liar, Liar“ von den Castaways.

      Ich liebte es von Anfang an. Obwohl alle Kids damals vage davon träumten, Rockmusiker zu sein – die Beatles und die Stones standen Pate für diesen Wunsch –, so hatten doch ihre Eltern ihren Lebensweg bereits vorausgeplant. Diese Kinder sollten Zahn- oder Augenärzte werden, so wie ihre Eltern auch. Eine Band war nicht mehr als ein Jux für sie.

      Aber ich wurde nicht müde zu betonen: „Ich werde ein Rockstar!“

      Matt Rael und ich begannen, regelmäßig im Haus seiner Familie abzuhängen. Wir übten teils selbst, teils waren wir bei den Proben der Band seines Bruders Jon dabei. Matt und ich machten so oft Musik bei ihm zu Hause, dass seine Mom einen Deal mit uns aushandelte: Wenn wir ein altes Bücherregal, das sie in Upstate New York gekauft hatte, etwas aufpolierten, dürften auch wir ihren Keller offiziell als Proberaum benutzen. Wir ließen uns nicht zweimal bitten, kratzten die alte weiße Farbe von dem Möbelstück und übten weiter in ihrem Keller.

      Matts Eltern waren so etwas wie Ur-Hippies. Seine Mom hatte sogar auf den ersten Aufnahmen der Weavers mitgesungen und war mit Pete Seeger befreundet. Sie hatte auch auf Woody Guthries Kinder aufgepasst. Zur Zeit, als ich Matts Eltern kennenlernte, buchte seine Mom immer noch prominente Folk- und Bluesmusiker für Musikfeste in Manhattan, darunter Leute wie Sonny Terry, Brownie McGhee und Leadbelly. Und natürlich auch Pete Seeger.

      Ich hörte wie besessen Radio und kannte die aktuellen Hits, aber bei Matt kam ich in Kontakt mit der unglaublichen Folksammlung seiner Eltern. Sie hatten tonnenweise Country-Blues und ganz alte, traditionelle Sachen sowie zeitgenössischen Folk, etwa von Bob Dylan, Eric Andersen, Tom Rush, Phil Ochs, Buffy St. Marie und Judy Collins. Schließlich kramte ich meine Akustikgitarre doch wieder unter dem Bett hervor und Matt brachte mir ein paar Akkorde bei. Dann nahm ich auch ein paar Stunden bei einer Frau, die in einer Lokalzeitung inseriert hatte. Der erste Song, den ich spielen konnte, hieß „Down in the Valley“. Bald schon hatte ich eine Mundharmonika um den Hals und versuchte, die Folkmusic, die ich bei Matt zu Hause gehört hatte, zu imitieren.

      Auch die Band probte weiterhin, und im Sommer 1965 hatten wir unseren ersten Auftritt. In diesem Jahr wurde ein neuer Bürgermeister gewählt, und John Lindsays Wahlkampfteam hatte ein Büro bei uns in der Nachbarschaft eröffnet. Es war in einem Laden untergebracht und war nichts außer einem hell erleuchteten Raum.

      Harold half freiwillig im Wahlkampf aus und teilte Flugzettel aus – ich glaube, er hielt das für eine reife und coole Tätigkeit.

      Eines Tages sprach einer der Typen, der das Wahlkampfbüro leitete, davon, ein Fest zu veranstalten. Er erwähnte auch, dass man dafür ein Unterhaltungsprogramm auf die Beine stellen müsste. Obwohl er sich dabei nicht unbedingt auf Harold bezog, machte dieser sich nun bemerkbar und verkündete: „Ähm, ich hätte da eine Band.“

      Sie luden uns auch tatsächlich ein, bei dieser Veranstaltung aufzutreten. Ich nehme an, dass es sich für die Demokraten ganz gut machte, ein paar Kids aus der Nachbarschaft spielen zu lassen. Wir bekamen keine Gage und es kamen auch nicht viele Leute vorbei, aber es war ein Gig. Mein erster Gig!

      Hin und wieder, wenn wir probten, brachte mir Harold Barré-Akkorde auf seiner Fender Mustang bei. Die Grundlagen waren ziemlich einfach, aber wenn ich gewusst hätte, wie lange ich brauchen würde, um ein einigermaßen annehmbarer Gitarrist zu werden, hätte ich es wohl gleich wieder sein lassen. Damals allerdings fühlte ich mich wie getrieben. Ein bisschen Krach im Keller zu machen war ganz cool, aber ich wollte meine eigene E-Gitarre haben und Nägel mit Köpfen machen. Ich begann, so oft wie möglich mit der U-Bahn nach Manhattan zu fahren, um die Musikläden in der 48th Street nach erschwinglichen Gitarren zu durchstöbern.

      Diese Ausflüge wurden zu so etwas wie Pilgerreisen für mich. Zwischen der Sixth und Seventh Avenue säumten kleine Instrumentengeschäfte beide Seiten der 48th Street. Und einen Block weiter, an der der Ecke 49th Street und Seventh Avenue, gab es einen Sandwich-Laden namens Blimpies. Dort holte ich mir ein Sandwich oder bei Orange Julius einen Texas-Chili-Dog, der nur so vor zähflüssigem Käse triefte. Dann machte ich mich auf die Suche nach Gitarren. Damals durfte man gar nichts anfassen. Wenn man ein Instrument spielen wollte, erkundigten sich die Angestellten erst einmal, ob man vorhatte, etwas zu kaufen. Wenn man nicht so aussah – wie etwa in meinem Fall –, dann forderten sie einen auf: „Zeig mir, ob du Geld dabei hast.“ Deswegen ging es bei diesen Trips eigentlich nicht darum, auf Instrumenten zu musizieren, sondern darum, die Ausrüstung einer Rock-’n’-Roll-Band zu bestaunen: Schlagzeug, Gitarren, Bässe. Und manchmal erspähte man sogar einen Musiker, den man aus dem Fernsehen oder einem der Magazine, die ich anfing zu sammeln, kannte. Ich war dann wie im Himmel.

      Als die Junior-High voranschritt, begann ich die Schule zu schwänzen, um immer öfter die 48th Street anzusteuern. Ich kam dann schon früh am Morgen an, noch bevor die Läden geöffnet hatten – deshalb ging ich, der jüdische Junge, dann schnurstracks in die St. Patrick’s Cathedral an der Ecke 49th Street und Fifth Avenue, um dort in einer der Sitzreihen zu warten. Ich fand auch einen Schallplattenladen, der nur einen Block von der Kirche entfernt lag und Record Hunter hieß. Dort konnte man sich sogar Platten anhören, denn es gab eine Reihe von Plattenspielern und Kopfhörern. Das verstand ich dann unter einem perfekten Tag – zuerst in der Kirche warten, bis der Plattenladen öffnete, dann Musik hören, einen Chili-Dog mampfen und Gitarren bewundern.

      Irgendwann entdeckte ich, dass ich – weniger weit von zu Hause entfernt ­– mit der Buslinie Q44 bis zur letzten Haltestelle in Jamaica, Queens, fahren konnte, wo sich ein riesiges, zweistöckiges Schallplattengeschäft namens Triboro Records befand. Dort gab es Tausende LPs, und da es sich um eine vorwiegend von Schwarzen bewohnte Gegend handelte, hatte ich die Gelegenheit, andere Dinge kennenzulernen als die, die ich aus meiner Nachbarschaft kannte: James Brown, Joe Tex und Otis Redding etwa, aber auch schwarze Comedians wie Redd Foxx, Pigmeat Markham und Moms Mabley. Ich hatte nicht die Kohle dabei, um mir etwas zu kaufen, aber einfach nur die Plattencover zu bestaunen und in Händen zu halten, reichte oft schon aus, damit es sich für mich auszahlte.

      Nachdem ich ein Jahr lang mein Geld angespart hatte und zum 14. Geburtstag noch was dazubekam, fuhr ich eines Tages wieder in die 48th Street und spazierte in einen Laden namens Manny’s. Den Blick auf eine Gitarre gerichtet, fragte ich: „Darf ich die mal ausprobieren, bitte?“

      Als Antwort erhielt ich sogleich die Gegenfrage: „Hast du denn vor, heute was zu kaufen?“

      „Ja.“

      „Dann zeig mir mal bitte dein Geld.“

      Ich kramte mein ganzes Geld hervor, und der Mann hinter der Theke reichte mir die Gitarre, für die ich mich entschieden hatte: eine Strato­caster-Kopie von Vox mit zwei Tonabnehmern. Es war jetzt nicht die Hammer-Gitarre, aber ich konnte sie mir leisten. Sie war billiger, da sie nicht ganz so groß wie eine herkömmliche Gitarre war. Außerdem wusste ich nichts über Gitarren und konnte kaum spielen.

      Aber nun hatte ich wirklich meine Fahrkarte in die Freiheit.

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      Sobald ich meine E-Gitarre hatte, begann ich damit, Songs zu schreiben. Ich versuchte es zumindest. Irgendwie schien mir das der nächste natürliche Schritt zu sein – ein Instrument zu spielen und zu komponieren ging Hand in Hand. Jedes Mal, wenn ich Songs hörte, die mir gefielen, versuchte ich sie nachzuahmen. So war einer meiner ersten Versuche etwa eine Hommage an „The Kids


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