Soziokratie 3.0 – Der Roman. Jef Cumps
alles darüber, wie ich am Samstag herausgefunden habe.«
»Hmm, stimmt«, antworte ich. »Meine Teams nutzen seit Jahren agile Prinzipien und sind damit erfolgreich. Deshalb hat Paul mich gebeten, Geschäftsführer zu werden. Was für ein Zufall, dass sich diese Prinzipien auch in S3 finden.«
»Ich glaube nicht an Zufälle«, lächelt Bernie. »Deine Erfahrungen mit der agilen Philosophie und den agilen Techniken werden dir dabei helfen, S3 einzusetzen. Und ich vermute, dass ich ein paar Dinge über agile Ansätze von dir lernen kann. Mein Hintergrund ist die soziokratische Kreismethode und ich bin erst auf Agilität gestoßen, als ich S3 bei The Facts eingeführt habe.«
Bernie erklärt mir, dass Soziokratie so viel wie »Steuerung durch Kollegen« bedeutet. Diese Form der Steuerung geht davon aus, dass alle Involvierten gleichgestellt sein sollen. Dadurch unterscheidet Soziokratie sich von Autokratie, in der eine Person oder eine kleine Gruppe die Macht hat, Entscheidungen zu fällen. Soziokratie unterscheidet sich auch von Demokratie, in der die Mehrheit entscheidet. Ich schreibe all das emsig in mein Notizbuch. Bernie wartet geduldig, bis ich fertig geschrieben habe, und fährt dann fort.
»S3 ist eine praktische Anleitung, um effektivere und bewusstere Zusammenarbeit zu ermöglichen. Es geht darum, agilere und resilientere Organisationen zu entwickeln; Organisationen, in denen sich Menschen voll einbringen und Erfüllung finden können.«
Definition
S3 ist eine praktische Anleitung für bewusste und effektive Zusammenarbeit sowie zur Entwicklung resilienter Organisationen.
»S3 hat verschiedene Stärken«, fährt Bernie fort. »Es ist unter einer Creative-Commons-Lizenz für alle frei verfügbar und es ist modular aufgebaut. Im Grunde ist S3 eine Sammlung von sich gegenseitig unterstützenden Mustern, aus denen du dir die aussuchen kannst, die besonders nützlich für dich sind.«
»Muster?«, frage ich.
»Ja«, sagt Bernie, »so nennen wir sie. Wenn man sich die Geschichte der Kooperation unter Menschen ansieht, findet man bestimmte Verhaltensweisen und Praktiken, die sich für Zusammenarbeit bewährt haben. Stell’ dir ein Muster als eine flexibel verwendbare Komponente vor – du findest heraus, was für dich nützlich sein kann, und kombinierst die Muster so, wie es für deinen Kontext passend ist. S3 ist kein Top-down-Ansatz und keine ›One size fits all‹-Methode, sondern eher ein Rucksack voller nützlicher Werkzeuge, die sich gegenseitig ergänzen.«
Es erleichtert mich, das zu hören. Ich habe in der IT bereits zu viele drakonische, allumfassende Methoden gesehen, die man komplett einsetzen musste. Diese Methoden basierten meist auf guten Ideen, ihre Umsetzung wurde aber allzu oft erzwungen und war von kommerziellen Beweggründen der Anbieter getrieben.
»Also entscheidet man selbst, welche Muster man auswählt?«, frage ich Bernie.
»Das stimmt«, fährt er fort. »Aber ich habe dir noch nichts von den sieben wichtigen Prinzipien erzählt, auf denen S3 fußt. Diese Prinzipien sind das Fundament der Muster und stellen sicher, dass die S3-Muster in Kombination reibungslos im Unternehmen funktionieren.«
Gleichstellung nicht mit Gleichheit verwechseln.
»Okay, ich verstehe«, sage ich. »Was sind dann die Prinzipien?«
»Das erste Prinzip ist Gleichstellung«, erklärt Bernie.
»Ah, nett«, unterbreche ich ihn. »Ich behandle meine Mitarbeiter auch alle gleich.«
»Vorsicht«, reagiert Bernie. »Du solltest Gleichstellung nicht mit Gleichheit verwechseln, bei der alle gleich sein und das Gleiche tun sollen. Gleichstellung bedeutet in S3, dass alle, die von einer Entscheidung betroffen sind, die Möglichkeit haben sollen, diese zu beeinflussen. Daher werden Entscheidungen häufig über Konsent hergestellt, das auch gleich das zweite Prinzip ist. Konsent als Prinzip bedeutet, dass wir aktiv nach Einwänden gegen Entscheidungen suchen und diese dann auflösen. Begründete Einwände sind uns dabei sehr willkommen.«
»Begründete Einwände?«, frage ich. »Was bedeutet das?«
»Wir haben alle unsere Meinungen und Präferenzen und das kann die Entscheidungsfindung sehr schwer machen. Ein Einwand hingegen deutet auf unbeabsichtigte Konsequenzen einer Entscheidung oder Handlung hin. Ein Einwand kann auch direkt einen Verbesserungsvorschlag enthalten.«
Definition
Konsent lädt dazu ein, Einwände gegen Entscheidungen oder Handlungen zu suchen, zu äußern und aufzulösen.
Ich nicke, um Bernie zu signalisieren, dass ich verstehe, was er sagt. Zumindest glaube ich das.
»Das dritte Prinzip ist Transparenz«, fährt er fort. »Alle Informationen und Entscheidungen sind transparent für jeden, mit Ausnahme von Informationen, die aus guten Gründen vertraulich behandelt werden müssen. Über Vertraulichkeit wird wieder im Konsent entschieden.« Ich sehe überrascht auf.
»Wenn du von ›allen Informationen‹ sprichst, meinst du dann auch Finanzdaten wie Umsatzziele und Gehälter? Und das bezieht sich auch auf strategische Entscheidungen?«, frage ich.
»Ja. Tatsächlich sind fast alle Informationen bei uns transparent«, antwortet Bernie. »Eine Ausnahme sind Details zu einigen unserer Quellen oder andere hochsensible Informationen.«
Ich beginne zu verstehen, wie sich die Prinzipien gegenseitig unterstützen, aber Bernie fährt bereits fort.
»Ein anderes Prinzip ist Verantwortung. Es bedeutet, dass alle Initiative ergreifen, alle reagieren, wenn etwas benötigt wird, und alle Verantwortung übernehmen für das, was vereinbart wurde.«
»Ja, das tut mein Softwareentwicklungsteam auch«, antworte ich begeistert. »Sie nennen es ›Commitment‹. Alle halten sich an das, was vereinbart wurde, und helfen konstruktiv mit. Wenn etwas schiefgeht, gibt es keine Schuldzuweisungen.«
»Genau das meine ich«, bestätigt Bernie. »Ich freue mich, dass deine Teams das bereits können. Davon kann man nicht immer ausgehen.«
»Das stimmt«, sage ich. »Und es funktioniert nicht immer perfekt. Aber erzähle weiter. Was sind die verbleibenden drei Prinzipien?«
»Empirismus ist das fünfte Prinzip, und es passt gut zum sechsten Prinzip: Kontinuierliche Verbesserung. Empirisches oder faktenbasiertes Arbeiten bedeutet, dass man Dinge nicht blind aufgrund von Annahmen oder Theorien weiter verfolgt, sondern dass man möglichst schnell auf Basis von Experimenten und überprüfbaren Ergebnissen dazulernt. Wissen entsteht aus Erfahrung, und Beobachtungen der Realität helfen, kontinuierlich zu lernen und zu verbessern.«
Entscheidungen müssen gut genug für jetzt und sicher genug zum Ausprobieren sein.
Ich nicke, weil ich diese Prinzipien aus der agilen Arbeit meiner Teams kenne.
»Wir sagen, dass unsere Entscheidungen oder Lösungen ›gut genug für jetzt und sicher genug zum Ausprobieren‹ sein müssen«, erläutert Bernie.
»Das bezieht sich vor allem auf das Konsent-Prinzip, aber man kann deutlich sehen, wie Konsent Empirismus und kontinuierliche Verbesserung impliziert. Wir begutachten und verbessern regelmäßig unsere Vereinbarungen, sodass diese nicht perfekt sein müssen, sondern nur ›gut genug für jetzt‹.«
»Großartig«, sage ich. »Ich kann jetzt erkennen, wie die Prinzipien miteinander verbunden sind. Aber hast du nicht von sieben Prinzipien gesprochen? Ich habe bisher nur sechs gezählt.«
»Richtig«, nickt Bernie. »Das letzte Prinzip ist Effektivität. Wir fokussieren auf das, was notwendig ist, um unsere Ziele zu erreichen, Hindernisse zu beseitigen und Verschwendung zu elimieren.«
Ich bin noch dabei, das letzte Prinzip aufzuschreiben, als Bernie weiter ausführt:
»Das