The Who - Maximum Rock I. Christoph Geisselhart
Geld verdienen können als mit den Türklinken, die er in seiner Gießerei herstellte.
Tatsächlich glaubten damals viele Geschäftsleute im britischen Königreich, dass das Phänomen der Beatles und ihrer Millionen Pfund schweren Karriere nur einen Vater habe: Brian Epstein.
Dieses Vorbild war für jeden Geschäftsmann, der etwas auf sich hielt, eine Herausforderung. Gordon interessierte sich zwar nur mäßig für Musik und hatte von der neuen Szene keine Ahnung. Aber wenn ein Typ wie Epstein die Beatles erschaffen hatte, so dachte er, müsste er so etwas ebenfalls auf die Beine stellen können.
Man traf sich nach dem Auftritt, und Gordon bot der Band an, Geld zu investieren und einen Plattenvertrag zu besorgen.
Die Jungs waren begeistert. Roger erzählt: „Ich betrachtete Gordon als eine Art wandelnde Ladenkasse – eine Möglichkeit, endlich genug Geld für eine bessere Ausrüstung zu kriegen.“ (Einige Biografien legen Gordons Einstieg als Manager erst auf Anfang 1964 fest, nachdem The Detours sich schon in The Who umbenannt hatten. Ich halte ein so spätes Datum angesichts der kommenden Ereignisse für unwahrscheinlich und gehe davon aus, dass Gordon die Band schon am Sonntag, dem 24. November 1963, im White Hart Hotel gesehen hat. Für eine Woche später vermeldet auch die Who-Chronologie Eyewitness The Who, dass die Detours „dank ihres neuen Managers Helmut Gordon“ ein neues Engagement im Railway Hotel antraten.)
Jedenfalls wurde in Dougs Haus, in der Vincent Road, South Acton, ein Vertrag geschlossen, dessen Gültigkeit abermals fraglich war. Petes Eltern verweigerten ihre Unterschrift für ihren minderjährigen Sohn erneut. Die Eltern von Roger und John hatten dagegen keine Einwände, solange die Söhne ihre Jobs nicht aufgaben; doch Betty und Cliff waren mit dem Musikbusiness vertraut genug, um zu wissen, dass Helmut Gordon auf Dauer nicht der richtige Mann für die Band war.
Sie sollten recht behalten; aber einstweilen war Gordon ein Glücksfall, der die Detours als seine „kleinen Diamanten“ betrachtete und für alles aufkam, was die Band dringend brauchte: einen neuen Transporter, nachdem der alte, von Rogers wilder Fahrweise ohnehin schon demoliert, auf einer Rückfahrt von Derby endgültig seinen Geist ausgehaucht hatte; sowie neue Boxen und Verstärker, damit sich Pete und John noch lautere Duelle auf der Bühne liefern konnten. Außerdem entwarf Pete sündhaft teure Lederwesten, die knielang waren und bei jeder Bewegung um die Hüften flatterten. Und die ganze Gruppe, einschließlich des Kumpels Barney, gönnte sich auf Gordons Kosten jeweils zwei Paar der angesagten Beatles-Lederstiefel.
Barnes, der sich selbst als „damalige Mutter der Gruppe“ bezeichnet und ihre Auftritte im Railway Hotel organisierte, war auch dabei, als die Detours kurz nach der Vertragsunterzeichnung Gordon ein zweites Mal trafen:
„Wir fuhren zu einer verwahrlosten Fabrik in einer Gasse von Shepherd’s Bush. Jemand führte uns durch die Gießerei nach hinten, in Gordons Büro. Es war eine zwielichtige Szene, wie in einem Roman von Dickens. Wir fünf stellten uns in einer Reihe vor seinem Schreibtisch auf, während Gordon Pläne entwarf, die er sich für die Band überlegt hatte. Vor sich, auf einem mit Schreibmaschine getippten Blatt, hatte er die Namen verschiedener einflussreicher Leute aus der Musikbranche aufgelistet. Helmut dachte, diese Topleute würden mit ihm verhandeln und er könne der Gruppe damit den Durchbruch verschaffen.“
Obwohl diese „Topleute“ nicht mehr ganz die erste Adresse im Musikbusiness darstellten, sondern noch aus der Vor-Beatles-Ära stammten, bestand doch kein Zweifel, dass Gordon ein mutiger und erfolgreicher Unternehmer war, der allerdings den Fehler machte, die logischen Maximen seiner Branche auf die letztlich unkalkulierbaren Gesetzmäßigkeiten in der Unterhaltungsindustrie zu übertragen.
Zum Abschluss ihres Besuchs fragte John den Geschäftsmann, ob er wohl ein paar goldlackierte Türknöpfe für seine Garderobe mitnehmen dürfe. In einer Ecke standen Kisten mit Tausenden davon, und Gordon meinte, John möge sich nur bedienen. John tat, wie ihm geheißen, woraufhin ihm ihr neuer Manager umgehend sechs Schilling pro Stück abknöpfte.
The Detours hatten nunmehr zwei Manager, Gordon und Druce, mit denen sie jeweils einen ungültigen Vertrag besaßen. Überraschenderweise entstand daraus kein Problem, sondern eine höchst komfortable Position für die Band. Denn Druce, der von Gordons Abwerbungsversuchen Wind bekommen hatte, unterbreitete nun seinerseits plötzlich ein lukratives Angebot und wollte die Band mit allerlei Versprechungen exklusiv an sich binden.
Die beiden nicht legitimierten Manager trafen sich, und nachdem wohl keiner vom anderen wusste, dass er in der gleichen unhaltbaren Position war, einigte man sich gütlich auf die Gründung einer Firma namens Gordon-Druce Enterprises Ltd., die die Zusammenarbeit mit den und für die Detours regeln sollte.
Daraufhin erhielten sie merklich bessere Auftrittsmöglichkeiten. Ihr nächster Etappenerfolg war, dass sie als Begleitband für die Rolling Stones gebucht wurden. Das Konzert fand am 22. Dezember 1963 statt, wieder einmal in der St. Mary’s Hall in Putney, wo die Band zuvor schon Anschauungsunterricht in Sachen Bühnenshow erhalten hatte, damals von Johnny Kidd & The Pirates.
Die Stones galten inzwischen als ernsthafte Konkurrenten der Beatles, als wilder, schmutziger Haufen, ein düsterer Gegenentwurf zu dem fröhlichen Quartett aus Liverpool. Wer für die Stones war, konnte den Fab Four nichts abgewinnen, und umgekehrt verabscheuten die meisten Beatles-Anhänger den großstädtischen, eingebildeten Habitus der Londoner R&B-Band. Für die Detours und besonders für Pete waren die Rolling Stones aber eine „Offenbarung“. Als Pete sie zuerst sah, war er verblüfft, wie organisch sie zusammenspielten. Die Stones arbeiteten seit achtzehn Monaten zusammen, und sie benahmen sich wie Stars.
Über den gemeinsamen Bekannten Glyn Johns, der Detours und Stones gleichermaßen hoch schätzte und später als Toningenieur für beide Bands tätig wurde, kam Pete in den Umkleideraum. Mick Jagger zeigte sich sehr freundlich, und der viel bewunderte Schönling Brian Jones machte sogar Komplimente, dass ihm die Detours gefielen, und er bot seine Hilfe an. Für Pete war es, „als strich mir der liebe Gott persönlich übers Haupt.“
Einer allerdings gab sich völlig uninteressiert, distanziert, unerreichbar: Keith Richards, der zweite Gitarrist der Stones, der Pete im Konzert mit einer genialen, scheinbar von innen kommenden Geste am meisten beeindruckt hatte: Bevor der Bühnenvorhang aufging, hatte Richards den Arm angehoben und ihn, wie ein geheimes Aufwärmritual oder Kommandozeichen an die Band, in einer lakonischen Kreisbewegung auf- und abgeschwungen, ohne dabei die Saiten zu berühren. Dem Publikum blieb dieser windmühlenartige Anlauf verborgen, allein Pete und die andern hinter der Bühne sahen Richards dünnen Arm durch die Luft kreisen. Doch als sich der Vorhang hob, ließ der Stones-Gitarrist abrupt den Arm sinken, schrammte haargenau über die Saiten und spielte ein hartes Riff an – und die Stones legten mit „Come On!“ los wie die Teufel.
Beim nächsten Gig probierte Pete die gleiche machtvolle Geste aus; allerdings nicht hinter dem Vorhang, sondern während der Aufführung. Er schlug einfach seine Akkorde auf diese spektakuläre Weise an, und er verlor dabei vermutlich die ersten von unzählig vielen Fingernägeln und Blut aus aufgeschrammten Fingerkuppen, die er der Entwicklung seines Markenzeichens immer wieder opferte.
Keine zwei Wochen später, am 3. Januar 1964, trafen sich beide Gruppen erneut, diesmal im Glenlyn Ballroom in Forrest Hill. Sicherheitshalber setzte Pete mit seiner neu entdeckten „Windmühle“ aus, konnte es sich dann aber doch nicht verkneifen, den überheblichen Richards zu testen. Pete hatte beobachtet, dass auch der Stones-Gitarrist die Geste nicht ständig ausführte, und schließlich sprach er ihn darauf an: „Ich glaubte, dass ich Keith Richards kopierte“, erzählt Pete. „Aber er fragte nur: ,Was schwinge ich?‘ Er musste es als eine Art Aufwärmübung irgendwann einmal angefangen haben, aber er war sich dessen nicht mehr bewusst, und so entwickelte es sich zu meinem Markenzeichen.“
Man beachte die feine Untertreibung, wonach „es“ sich quasi von selbst, ohne Petes Zutun entwickelt haben sollte. Aber insgesamt hat Townshend, der bald als „Birdman“ in der Szene Furore machte und seine „Windmill“ wie einen kultischen Akt zelebrierte, nie einen Hehl daraus gemacht, woher er die Inspiration zu seiner Show bezogen hatte. (Keith Richards seinerseits hat die Geste nach eigener Auskunft übrigens