Der Brockopath. Marie Kastner

Der Brockopath - Marie Kastner


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letzte glühende Umarmung mit dem Höllenfürsten‹ gegeben haben. Nicht wahr, Frau Schmidbauer?«

      Anstelle einer Antwort hielt die Schmidbauer nur einen Daumen hoch, strahlte über das ganze Gesicht.

      »Wir sind mit der Obduktion noch nicht fertig, das werden wir überprüfen. Momentan kann ich Ihnen nur den Todeszeitpunkt nennen. Das Opfer muss in den frühen Morgenstunden des ersten Mais, so zwischen zwei und drei Uhr, verstorben sein, und zwar durch dreizehn Messerstiche in den Rücken. Die Lunge wurde total perforiert. Danach wurden die Verstümmelungen vorgenommen, und zwar unprofessionell. Welche Art von Messer oder Säge der Täter hierfür verwendet hat, müssen wir erst noch ermitteln. Die Auswertung der Spuren wird ein Weilchen dauern, wie Sie wissen«, referierte der Gerichtsmediziner.

      Die Spurensicherung kam zum Zuge.

      »Wir haben am Tatort jede Menge DNA-Material gesammelt, auch Fingerabdrücke am Besenstiel und den Schüsseln … aber ob da etwas Verwertbares dabei ist, steht bislang in den Sternen.

      Vermutlich haben zahllose Touristen diesen Hexenaltar besucht und ihr Genmaterial hinterlassen, was selbstverständlich auch für die Fußabdrücke rund um die Felsformation gilt. Der Tatort war verunreinigt. Na, mal sehen, ob es in der Datenbank Treffer gibt. Eine Wiederholungstat ist ja nicht auszuschließen.«

      Mader brachte die entsprechenden Notizen auf der Tafel an.

      »Gut, dann warte ich auf Ihren Bericht. Nun zu unserem letzten Punkt für heute. Ich habe mich entschieden, eine Soko zu bilden. Es versteht sich von selbst, dass ich in diesem Team nur sehr erfahrene Ermittler gebrauchen kann. Herr Remmler hat mir freundlicherweise bis zu fünf Personen genehmigt, mich selbst als Leiter eingeschlossen. Meldet sich jemand freiwillig?«

      Im Besprechungsraum herrschte Totenstille. Remmler spielte immer noch den kalten Felsblock. Mader begann zu schwitzen. Er kannte die Kollegen noch zu wenig, um deren ermittlungstechnische Fähigkeiten einschätzen zu können.

      Da schnellte Marit Schmidbauers Arm nach oben.

      »Ich würde sehr gerne mitwirken, das Rätsel zu lösen. Und ich empfehle Ihnen, die Herren Schröck, Jablonski und Beckert mit ins Boot zu holen.«

      Dafür erntete sie missbilligende Blicke der genannten Beamten. Als er diese direkt ansah, einen nach dem anderen, nickten sie jedoch alle.

       Feiges Pack.

      »Einverstanden«, sagte er erleichtert.

      »Wie soll unsere frisch gegründete Soko eigentlich heißen?«, fragte die Schmidbauer neugierig. Ihr hellwacher Blick erinnerte an den eines Erdmännchens.

      »Sie werden lachen, aber darüber habe ich mir gestern Abend schon Gedanken gemacht. Wie wäre es mit Urian

      Wieder entstand Gebrabbel. Was hatten diese Unsympathen nun schon wieder auszusetzen? Er hatte nach seiner Rückkehr vom Brocken extra noch gegoogelt und herausgefunden, dass Urian einfach ein anderer, altmodischer Ausdruck für den Teufel war. In früheren Tagen nannte man wohl auch ungebetene Gäste manchmal ›Herr Urian‹.

      »Keine gute Idee«, widersprach Marit schnell.

      »Wieso? Der Teufel wird hier doch als vorgeschobener Täter missbraucht«, konterte der Kommissar.

      »Zu DDR-Zeiten wurde die gesamte Bergkuppe des Brockens für Überwachungsund Spionagezwecke genutzt. Es gab zwei leistungsfähige Abhöranlagen, wovon die eine dem sowjetischen Geheimdienst gehörte. Sie hießen Jenissej und Urian … manche Leute sind auf diese Vergangenheit nicht gut zu sprechen, also könnte der Name in der Bevölkerung Unwillen erwecken.«

      »Ich sehe schon, Sie sind ein wandelndes Lexikon und haben einen klassischen Heimvorteil. Wie gut, dass ich Sie in der Soko habe«, lachte Mader. »Alternative Vorschläge?«

      Das viel zitierte Schweigen im Walde wäre vermutlich lauter gewesen, dachte Mader frustriert. Er drehte sich wieder zum Magnettafel um und da traf ihn der Einfall wie ein Blitz.

      »Die Würfel sind gefallen, um mit Julius Cäsar zu sprechen.«

      Er griff nach dem roten Marker und brachte über den Fotos in Großbuchstaben den Schriftzug BROCKOPATH an.

      »Wir haben es mit einem Psychopathen zu tun, der am Brocken mordet. Welcher Begriff läge also näher?«

      Diesmal klang das Gemurmel zustimmend. Vielleicht tauten jetzt allmählich die Ersten auf, was ja auch Zeit wurde. Mit frischem Elan fuhr er fort:

      »Frau Schmidbauer, Sie checken bitte noch heute die Vermisstenanzeigen, ob sich unser Opfer dort finden lässt – bei uns und in benachbarten Revieren. Es könnte ja sein, dass dort gerade erst eine Anzeige eingegangen ist, die sich noch nicht im System befindet. Falls dem nicht so sein sollte, warten wir noch einen Tag, ob etwas hereinkommt. Andernfalls müssten wir eine Fotografie der Toten in der Zeitung abdrucken lassen und darauf hoffen, dass die Frau hier in der Region wohnte und sie irgendjemand erkennt. Sie wissen schon – vorher noch eine Abgleichung von Zahnstatus und Fingerabdrücken … allem eben, was zur Identifizierung beitragen kann.«

      Marit Schmidbauer nickte gehorsam, nahm eine Fotografie entgegen. Das hübsche Gesicht des Mordopfers wirkte darauf zwar unnatürlich blass, aber man hätte annehmen können, dass die Frau nur friedlich schlafe. Einzig die blutverkrusteten blonden Haarsträhnen wiesen auf eine Gewalttat hin.

      »Klar, die übliche Vorgehensweise halt«, entgegnete sie grinsend. Der Angeber aus der Stadt musste sich schon was anderes einfallen lassen, wenn er hier Eindruck schinden wollte. Scheinbar meinte er, sie hätten drüben in Dresden die Weisheit mit Löffeln gefressen, während hier ermittlungstechnisch noch tiefste Steinzeit herrschte. So ein Schnösel, aber das würden sie ihm bestimmt noch austreiben. Schließlich hatte es im Raum Wernigerode 2012 und 2015 Morde gegeben, so unbefleckt war dieser Landstrich nun auch wieder nicht.

      »Prima, damit ist für den Moment alles gesagt. Wir warten die Ergebnisse der Gerichtsmedizin ab und bis dahin macht sich bitte jeder Gedanken über mögliche Mordmotive, den genauen Tathergang und diesen teuflischen Inszenierungs-Unsinn. Das Briefing ist für heute zu Ende. Ich entlasse Sie jetzt in Ihre tägliche Tretmühle – oder in die wohlverdiente Mittagspause.«

      Letztere in Anspruch zu nehmen, hatte auch Bernd vor. Er wollte im Baumarkt noch ein paar Utensilien besorgen. Doch kaum hatte er die Fallakte Brockopath im Dienstzimmer auf seinen Schreibtisch geknallt und nach seiner Lederjacke gegriffen, öffnete sich die Tür. Walter Remmler schien seine Starre überwunden zu haben, stand in voller Lebensgröße vor ihm. Wobei diese Lebensgröße höchstens eins zweiundsiebzig betrug.

      »Wohin so eilig, Kollege Marder? Wir müssen noch die Statements für die morgige Pressekonferenz durchgehen. Da möchte ich Sie besser dabeihaben. Wir müssen da sehr genau abwägen, welche Details wir preisgeben und welche wir der Öffentlichkeit vorläufig vorenthalten. Ich möchte vermeiden, dass die Angst umgeht und die Gastronomie oben am Brocken unter dem Vorfall leiden muss. Oder schlimmer noch, die HSB. Der Bahnbetreiber ist ein wichtiger Steuerzahler.«

      Der Angesprochene setzte sich auf die Kante seines Schreibtisches, atmete tief durch. Provinzieller Klüngel. Auch das noch.

      »Der Name ist Mader, nicht Marder.«

      »Auch recht. Also auf geht’s, wir verkrümeln uns in mein Büro. Dort sind wir ungestört.«

      Erst zehn Minuten vor acht schaffte es der Kommissar, fliegenden Fußes das Polizeirevier zu verlassen. Der Baumarkt lag in der Halberstädter Straße und somit außerhalb des Stadtkerns. Er würde ein paar Geschwindigkeitsbeschränkungen ignorieren müssen, um noch rechtzeitig vor Ladenschluss dort einzutreffen. Die Uhr lief gegen ihn.

      Die Zeitanzeige am Armaturenbrett stand auf 19.58 Uhr, als er endlich auf den Parkplatz des Bauund Heimwerkermarktes eintraf. Respekt, wer’s selber macht, prangte in riesigen Lettern über dem Eingang. Nur noch vereinzelt standen Autos in den Parkbuchten.

      Im Laufschritt rannte Mader zum Eingang – und prallte fast gegen


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