Steve Howe - Die Autobiografie. Steve Howe

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um ein berühmter Gitarrist zu werden. Ich hoffte und glaubte daran, dass da noch etwas ginge – immerhin hatte sich während meiner gesamten bisherigen Karriere ein Muster herauskristallisiert: Nachdem ich aus einer Band ausgeschieden war, dauerte es nie länger als ungefähr zwei Monate, bis ich mich einer neuen anschloss. Irgendetwas würde sich schon ergeben, und ich würde schon bald wieder spielen.

      Kapitel 6

      Keine Schande

      Eines Tages Anfang Januar 1970 stieg ich das Treppenhaus in unserem zum Großteil renovierten Haus in Fulham hoch, um einen Anruf am Münztelefon entgegenzunehmen, das am Treppenabsatz angebracht war. Am anderen Ende befand sich Chris Squire von Yes. Ich willigte ein, mich ein paar Tage später mit ihnen zu einem Vorspielen zu treffen.

      Jon Anderson hatte mich mit Bodast im Speakeasy gesehen. Chris kannte mich noch von Konzerten, die ich mit Tomorrow gespielt hatte. Das Angebot hörte sich vielversprechend an. Immerhin hatten Yes einen Manager, einen Plattenvertrag, Gigs, einen Vorschuss für neue Ausrüstung und bekamen pro Woche 25 Pfund ausgezahlt. Außerdem hatten sie bereits zwei Alben aufgenommen: Yes und Time And A Word, das schon bald erscheinen sollte. Auf beiden spielten Jon Anderson, Chris Squire, Tony Kaye, Bill Bruford und Gitarrist Peter Banks.

      Ich schnappte mir nun meine 175 und ein paar Pedale und begab mich in den engen Keller im Haus ihres Managers, das sich in Barnes im Südwesten Londons befand. Dort traf ich auf die Band, um ein paar Songs zu spielen. Etwa „Everydays“ und „Then“. Die Truppe bestand aus enorm begabten Musikern, doch war es vor allem Bill Brufords Schlagzeugspiel, das mich umhaute. Darüber hinaus schienen wir uns alle gut zu verstehen. Später begleitete ich Jon noch in seine Wohnung in South Kensington. Dort tauschten wir uns über Tonbandgeräte der Firma Revox und Katzen aus.

      Yes hatten Gefallen an mir gefunden und boten mir einen Job an. Ich nahm an. Die Chemie schien zu passen. Ich erkannte das große Potenzial, und wir alle folgten einer ganzen Reihe von hohen Idealen.

      Schon bald standen Gigs auf dem Programm. Mein erster Auftritt mit Yes fand am 17. Juli 1970 im Londoner Lyceum Ballroom statt. Ich hatte inzwischen einen großen Teil von Time And A Word eingeübt und konnte auch ein paar Sachen von Yes spielen. Ich bin mir nicht sicher, wie gut ich an diesem Abend war – aber auf Bootleg-Aufnahmen wirkt es so, als hätte ich mich prächtig amüsiert. Ich hielt mich nicht sklavisch an Peters Vorgaben, obwohl ich mich an seinen zentralen Melodielinien orientierte. Es war ein interessanter Gitarrist, dem ich da nachfolgte. Auch er machte sich unterschiedliche Gitarrenstile zu eigen und hinterließ mir Rahmenbedingungen, mit denen ich mich durchaus zurechtfand. Er war ein echt netter Kerl, der auch bei vielen meiner ersten Gigs mit Yes auftauchte. Mir fallen jetzt nicht viele ehemalige Bandmitglieder ein, die das tun würden – und ich rede hier davon, direkt nach ihrem Ausstieg zu den Konzerten der Ex-Band zu kommen. Hier entflammte auch meine Liebe dafür, live zu spielen, von neuem – und ich hängte mich voll rein. Tomorrow waren die letzte Gruppe gewesen, bei der ich ein solch gutes Gefühl verspürt hatte. Das Publikum glaubte zusehends an uns, und auch die Musikkritiker wurden langsam auf uns aufmerksam. Es war offensichtlich, dass wir heiß waren. Ein neues Album könnte untermauern, dass wir in dieser Besetzung sogar zu noch größeren Studioleistungen imstande wären.

      Das Cover von Time And A Word hatte für den amerikanischen Markt neu gestaltet werden müssen, da der ursprüngliche Entwurf als zu sexistisch galt. Stattdessen wurde nun ein brandneues Foto der aktuellen Besetzung dafür verwendet. Deshalb dachten viele Leute in den USA, dass ich der originale Gitarrist von Yes wäre. Ich brachte das Thema gegenüber Atlantic Records zur Sprache, und irgendwann wurde das UK-Cover auch für die amerikanische Version der LP zugelassen. Ehrlich gesagt wundert es mich nicht, dass stets große Verwirrung darüber herrschte, wer etwa bei welchem Album gerade in der Band spielte. Solche Dinge passierten angesichts des Kommens und Gehens diverser Bandmitglieder auch später noch. Oft kamen wir an einem Konzertort an und sahen Bandfotos, auf denen noch ehemalige Bandmitglieder zu sehen waren: etwa Tony nach Ricks Einstieg, Bill nach Alans Einstieg und Patrick nach Ricks Rückkehr. Das ging jahrelang so dahin.

      Da wir planten, ein Album in ländlicher Umgebung aufzunehmen, um so der Großstadt zu entkommen, wandten wir uns telefonisch an einen jungen Veranstalter in Devon. Der fand für uns das Haus Church Hill im gleichnamigen kleinen Dorf Churchill in Barnstable, wo wir zwei Wochen verbringen sollten. Dort entstanden das Grundgerüst der Songs „Perpetual Change“ und „Yours Is No Disgrace“. Bald schon fühlten wir uns jedoch eingeengt. Es war uns einfach nicht gut genug, und unsere abendlichen Sessions mussten früher, als es uns gefiel, beendet werden. Der junge Promoter gab daraufhin eine Annonce in einer lokalen Zeitung auf: „Band sucht nach Probemöglichkeit und Unterbringung.“ So landeten wir in einem alten Bauernhaus, wo wir dann zwei Monate blieben, um den Schreibprozess abzuschließen und einen Großteil von The Yes Album einzustudieren.

      Der neue Proberaum war schon etwas Besonderes. Man musste zunächst eineinhalb Kilometer eine einspurige Landstraße entlangfahren, dann erreichte man ein mit Stroh gedecktes Bauernhaus. Es lag buchstäblich mitten im Nirgendwo. Ganz ohne Nachbarn. Als wir eintraten, stieß ich mir den Kopf am niedrigen Türrahmen. So einen Ort hatte ich noch nie gesehen. Diese Räumlichkeiten besaßen Charakter – einen ganz eigenen Charme. Die Decken der verwinkelten Räume waren generell eher niedrig. Schon im Domesday Book – einer historischen Landbeschreibung Englands aus dem elften Jahrhundert – wurde eine Niederlassung auf diesem Flecken Erde erwähnt. Teile des Hofes, wie wir ihn vorfanden, waren auch bereits über 300 Jahre alt. Zehn Jahre später sollten Jan und ich das Haus schlussendlich kaufen, das in weiterer Folge zu meinem Arbeitsplatz, Studio, Lagerraum und gelegentlichem Rückzugsort für Familienausflüge avancierte. Auch Yes fügten der langen Historie des Gebäudes ein interessantes Kapitel hinzu, doch, so wie alle alten Bauernhöfe, brauchte es Menschen, die sich darum kümmerten. Offenbar waren Jan und ich dazu berufen, ebendiese zu sein. Unsere Renovierungsarbeiten machten das Haus schließlich fit fürs nächste Jahrtausend.

      Wir durften dort spielen, wann immer wir wollten. Das Gebäude war ein für Devon typisches Langhaus, das zur damaligen Zeit der Familie Dartnall gehörte, die aber in einiger Entfernung wohnte und von unseren abendlichen und nächtlichen Aktivitäten unbehelligt blieb. Die Besitzer waren Frühaufsteher, die morgens die Tiere auf ihrer 100 Morgen großen Farm fütterten. Die Band konnte sich ganz auf die Arbeit konzentrieren, da niemand erst anreisen musste, um zu spielen. Wir waren allesamt sehr fleißig, und selbst nach dem Abendessen erledigten wir oft noch einiges an Arbeit: Wir knöpften uns Song-Fragmente vor, lernten die Riffs, probierten Textstellen aus und suchten nach Rhythmen, die zu den jeweiligen Melodielinien passten. Dies führte zu einigen unserer besten Arrangements.

      Jon sagte etwa: „Lasst uns mit dem Ton nach unten gehen.“ Chris ergänzte dann: „Aber danach sollten wir wieder nach oben gehen.“ Bill fügte dann vielleicht noch hinzu: „Aber in doppeltem Tempo.“ Wir gaben all diesen Ideen eine Chance und wählten dann die besten aus. Das hört sich jedoch einfacher an, als es in der Praxis war. Oft versuchte ich, uns mithilfe eines Tonbandgerätes beim Spielen eines Arrangements aufzunehmen, damit wir einen Anhaltspunkt hätten. Nur zu oft kam es nämlich vor, dass wir schon am nächsten Tag nicht mehr wussten oder uns nicht darauf einigen konnten, was wir am Vortag ausprobiert hatten.

      Schriftliche Aufstellungen von Akkordstrukturen stellten zwar ein nützliches Hilfsmittel dar, doch notierten wir nicht allzu regelmäßig, und wenn, dann nur die groben Umrisse eines Songs in Akkordsymbolen. Ich verstand, was ich mit meinen meinte, doch stand ich damit leider allein da. Während ein Song komponiert wurde – noch bevor er einen Titel hatte –, wurde der Prozess grafisch festgehalten. Später änderten wir dann aber noch die Tonart oder schrieben einen neuen Anfang. Die titellosen grafischen Darstellungen mit irgendeinem bestimmten Song in Zusammenhang zu setzen gestaltete sich daher oft sehr schwierig. Ich besitze noch etliche Notizhefte, deren einzelne Seiten mit einem bunten Durcheinander aus Akkordmustern und Notizen zu den jeweiligen Arrangements übersät sind. Manche kann ich mit konkreten Songs in Verbindung bringen, wohingegen andere mit irgendwelchen hingekritzelten Titeln nicht mehr zu identifizieren sind. Viele meiner betitelten Song-Skizzen erweisen sich aber als überaus praktisch, wenn man eine Nummer 30 Jahre lang oder so nicht mehr gespielt hat. Die meisten Arrangements sind aber ohnehin irgendwo in


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