Steve Howe - Die Autobiografie. Steve Howe

Steve Howe - Die Autobiografie - Steve Howe


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gewohnt, die sämtliche Wände schwarz angestrichen hatte. Dort erwarteten mich weitere extreme Aha-Erlebnisse. Ein weiterer Mitbewohner war nämlich niemand Geringerer als dieser komische Kauz und Rock’n’Roll-Pionier Vince Taylor. Er verließ kaum einmal sein Zimmer, und wenn, dann suchte er nur schnell die Küche auf. Wir hatten keine Ahnung, was er sonst so trieb! Die Leute gingen ein und aus, zogen ein und aus, übernachteten und tauchten dann irgendwann mit neugeborenen Kindern auf. Es war eine draufgängerische, gleichzeitig überaus bodenständige Art zu leben, die zu vielen bizarren Vorkommnissen führte. Leute flippten aus und liefen im Drogen- oder Alkoholrausch Amok. Wir aßen Unmengen Reis, Zwiebeln und Tunfisch. So sah unser Speiseplan aus.

      Da wir davon ausgingen, dass unsere Aufnahmen für immer auf Eis lägen, verwendete ich die von mir geschriebenen Passagen aus dem Song „The Ghost Of Nether Street“ für die Yes-Nummer „Starship Trooper“, wo ich sie für „Würm“ einsetzte. Ich behielt dafür die Akkorde G, Es und C bei, modifizierte aber den Basslauf ein wenig. Auch den Auftakt des Gitarren-Breaks übernahm ich, nachdem Yes die Struktur immer weiter aufgeschichtet hatten. Riffs aus „South Side Of The Sky“ stammten ursprünglich aus „Tired Towers“, „Close To The Edge“ enthielt einen Part aus „Black Leather Gloves“. Die Strophen des Asia-Songs „One Step Closer“ basierten auf der Schlusspassage von „Come Over Stranger“. Meine Strukturen und Melodien funktionierten offenbar in unterschiedlichen stilistischen Kontexten.

      Dann verließ ich Bodast. Doch zuvor erlebte ich noch eine weitere Riesenenttäuschung. Wir wurden von einer amerikanischen Produktionsfirma kontaktiert, wo man glaubte, wir wären wie geschaffen für einen Film über den Aufstieg und Fall einer unbekannten Band. Sie sahen, dass wir uns abmühten, über die Runden zu kommen, aber sie glaubten auch daran, dass wir es schaffen konnten. Und zwar im großen Stil. Deshalb planten sie, uns auf 35-Millimeter-Film zu bannen. Es hieß, sie würden sich innerhalb von drei Wochen bei uns mit einem Vertrag (also mit Kohle) melden. Doch nichts geschah, und sie wiesen unsere Versuche ab, mit ihnen in Kontakt zu treten.

      Ich hatte die Nase gestrichen voll. Immerhin hatte ich noch Anfang des Jahres Angebote von funktionierenden Bands, die regelmäßig auftraten, abgelehnt. Dazu zählten etwa The Nice mit Keith Emerson, die man einfach gesehen haben musste. Keiths Spiel war schlichtweg unfassbar. Nachdem Davy O’List ihnen den Rücken kehrte, sahen sie sich nach einem neuen Gitarristen um. Jener Nachmittag, an dem ich bei ihnen vorspielte, ist mir bis heute noch in guter Erinnerung geblieben. Wir versuchten uns an ein paar ihrer Nummern, während Keith und ich uns parallel dazu darüber unterhielten, was wir musikalisch bewerkstelligen könnten, da wir beide die Musik Antonio Vivaldis liebten. Später schrieb ich für mein erstes Soloalbum „The Nature Of The Sea“, das von Vivaldis Flöten-Concerto La Tempesta Di Mare inspiriert war. Es schien vorherbestimmt zu sein, dass wir gemeinsame Sache machen sollten. Ich sagte ihnen also zu, und wir begaben uns in einen Pub, wo ich auch ihren Manager traf. Dieser zog Geld aus seiner Tasche und verteilte es unter den Bandmitgliedern. Das wirkte eine wenig unprofessionell.

      Als ich ins Haus in der Nether Street in Finchley zurückkehrte, erklärte ich den Jungs, dass ich aussteigen wolle. Sie zeigten sich wenig erfreut. Die Band würde sich auflösen, wir würden unser Dach über dem Kopf und unser Einkommen verlieren. Bald schon säßen sie alle auf der Straße. Am nächsten Morgen hatte ich meine Meinung wieder geändert, in erster Linie, weil ich den Rest von Bodast nicht im Stich lassen wollte. Außerdem misstraute ich der Vorgehensweise des Managements von The Nice. So traf man keine guten Entscheidungen für seine Karriere. Schließlich muss man ein bisschen nachhaltiger denken.

      Ich spielte außerdem noch bei Atomic Rooster vor. Musikalisch kamen wir auf keinen grünen Zweig, und ich war nicht allzu heiß auf den Job. Damals trommelte Carl Palmer bei ihnen. Aber als wir später gemeinsam bei Asia spielten, meinte er, er könne sich gar nicht daran erinnern, dass ich je vorgespielt hätte. Darüber hinaus erhielt ich auch einen Anruf von Jethro Tull, nachdem Mick Abrahams bei ihnen ausgestiegen war. Allerdings bestanden sie darauf, dass ich als Songwriter nichts beisteuern solle. Sie brauchten mich ausschließlich als Gitarristen, was bei mir die Alarmglocken schrillen ließ. Ich benötigte einen Neuanfang mit einer neuen Band und wollte das Wesen des Sounds mitgestalten dürfen.

      Nachdem ich eine sehr trostlose Phase durchlebt hatte, bei der nur so wenig für mich herausgeschaut hatte, musste ich also mein Interesse an einer neuen Aufgabe als Gitarrist lancieren. Ende 1969 rief mich dann Jim Morris an, der Ehemann und Manager der Sängerin P. P. Arnold. Er frage, ob ich mir vorstellen könne, Pat zusammen mit dem hervorragenden Trio Ashton, Gardner & Dyke, das für seinen Orgel-Sound bekannt war, auf Tour zu begleiten. Sie sollten mit Delaney & Bonnie (mit Eric Clapton!) auf eine einmonatige Konzertreise durch Europa gehen. Natürlich zeigte ich mich von dieser Idee sehr angetan. Es sollte eine Art Aufwärmprogramm für 1971 werden, in der Yes als Anheizer für Iron Butterfly auf Tournee gingen. Diese Tour stellte einen großen Schritt vorwärts dar und war eine rundum gute Erfahrung.

      Wir probten eine Weile mit Pat und begaben uns dann in die Londoner Konzert-Location Lyceum, wo Delaney & Bonnie gemeinsam mit Eric C. ihre finalen Proben absolvierten. Als Delaney & Bonnie loslegten, waren wir alle wie weggeblasen. Der mächtige Sound dieser Besetzung war ein einmaliges Erlebnis: Es war ehrfurchtsgebietend und aufregend. Jimmy Miller hielt diesen Sound auch hervorragend auf einer Platte fest, die eine schöne Erinnerung an diese Tour darstellt. Ich kenne jeden einzelnen Ton, jede Note sämtlicher Songs dieser Live-LP!

      Die Tour startete mit einem Abstecher zu George Harrisons Haus. Wir holten ihn mit dem Bus ab, da er sich bereiterklärt hatte, die erste Woche der Tournee mitzuspielen. Dave Mason war auch mit dabei, blieb aber bis ganz zum Schluss. Jeden Abend rockten sie die Konzerthallen! In der Fairfield Hall in Croydon schaffte es der DJ nicht mehr rechtzeitig auf die Bühne, um die Band vorzustellen, weshalb ich für ihn einsprang. Die einleitende Musik verebbte, und ich musste ankündigen, wer nun welches Instrument spielen würde! Das war schon ein bisschen beängstigend, half mir aber auch dabei, mein Selbstvertrauen aufzubauen.

      Ich bereue immer noch, die Einladung ausgeschlagen zu haben, mich Delaney & Bonnie samt Eric auf der Bühne anzuschließen. Dafür war ich aber wohl ein wenig zu schüchtern. Ich hatte das Gefühl, dass mit Eric, George, Dave und mir einfach zu viele Gitarristen spielen würden. Eine verpasste Gelegenheit! Eines Tages sagte Eric zu mir im Tourbus, dass wir beide, obwohl im Sternzeichen Widder geboren, uns als Typen sehr stark voneinander unterscheiden würden.

      Ich bewunderte so viele Dinge an Eric. Allein schon wegen dieser Tour. Aber auch alles, was er für die Musik geleistet hat, sowie die Hilfe, die er einigen seiner Mitmenschen angedeihen ließ. Er war immer sehr großzügig und bedacht. Vor der Tour besuchte ich ihn einmal in seinem Apartment im Zentrum Londons. Er fragte mich, ob ich „Classical Gas“ von Mason Williams spielen könne. Ich präsentierte es ihm daraufhin, was ihn zu freuen schien. Ein anderes Mal spielte gerade Albert Lee in seiner Begleitband, als wir zufällig im selben Chicagoer Hotel abgestiegen waren. Ich hing mit Albert etwa eine halbe Stunde in Erics Zimmer ab. Wir schoben eine unverbindliche Jamsession ein, bevor wir dafür zu müde waren und dann noch eine abschließende Partie Pool am hoteleigenen Tisch spielten.

      Die Tour mit Delaney & Bonnie führte uns auch nach Skandinavien und quer durchs restliche Europa. Das war von Anfang bis Ende eine fabelhafte Erfahrung. Allein schon jeden Abend ihrer wundervollen Musik lauschen zu können! Damals hatte ich bereits „Clap“ geschrieben, und ich bin mir sicher, dass ich es eines Abends während Pats Auftritt anspielte. Die Tour dauerte den ganzen Dezember und war meine erste Berührung mit der Oberliga der Musikwelt. Wann sonst hätte ich jemals George Harrison dabei beobachten können, wie er in der Garderobe auf seiner Akustikgitarre herumzupfte und dazu „Here Comes The Sun“ sang? Einfach unvergesslich! Auch hörte ich, wie George im Foyer eines Hotels in Manchester ein Interview gab. Er sprudelte nahezu über vor lauter Witz. Wie lustig er doch war! Ein echter Charmebolzen. Wir unterhielten uns oft über Gitarren. Er besaß eine Spezialanfertigung von Gibson, die er für nicht ganz gelungen hielt. Sie hatten seine Vorgaben offenbar falsch interpretiert. Solche Spezialanfertigungen von Gibson galten damals als besondere Rarität. In Großbritannien gierte man damals schon längst nach Modellen von hoher Qualität. Wir mussten aber stattdessen mit europäischen Herstellern Vorlieb nehmen. Eine der ersten Abbildungen einer Fender Stratocaster in Großbritannien


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