Steve Howe - Die Autobiografie. Steve Howe

Steve Howe - Die Autobiografie - Steve Howe


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wie sehr wir alle auf Absolutely Free, das erste Album der Mothers of Invention, sowie seine Spieltechnik und sein Songwriting abfahren würden. Er war sehr einflussreich und vertrat seine Haltung. Auch wusste er, das Wah-Wah-Pedal sehr clever einzusetzen – wie ein Lockgeräusch, wenn man auf der Pirsch lag, bevor er wirklich Gas gab. Es war eine schräge Mischung aus rhythmischer Hexerei, die sich erst zu entfalten vermochte, wenn er zu performen begann.

      Gegen Ende 1967 spendierte Keith uns beiden einen Urlaub auf Jamaika. Der Erfolg unserer Hit-Single machte es möglich. Wir flogen in einer VC10, fläzten uns in große Lehnsessel ohne Sicherheitsgurte und rauchten – nicht, dass ich das heute auch nur im Geringsten vermissen würde. Wir nahmen zwei Gibson-Archtop-Gitarren mit, damit wir komponieren konnten. Seine Cromwell, die zwar von Gibson gebaut, aber unter einem anderen Namen verkauft wurde, kam ganz unbeschadet an. Meine Gibson, das ein ähnliches Modell war, jedoch exklusiv über den britischen Laden Francis, Day & Hunter verkauft wurde, überstand die Reise hingegen nicht. Die British Airways Overseas Corporation zahlte letztendlich für die Reparatur.

      Wir schrieben nicht wahnsinnig viele Songs dort, lagen stattdessen in der Sonne herum und sinnierten darüber nach, ob es nicht möglich wäre, für immer dort zu bleiben. Auch fragten wir uns, ob das Leben in London oder doch unser Leben hier auf Jamaika das „echte“ sei. Wir fuhren mit dem Taxi nach Montego Bay, um lokale Erzeugnisse zu erstehen. Damals war das eine Barackenstadt. Wir schlenderten über einen Marktplatz. An den Ständen wurden in erster Linie Schuhe feilgeboten. Unser Fahrer steckte unser Geld einem Typen zu, der auf der einen Seite des Marktes herumlungerte. Dann fuhren wir auf die andere Seite, wo uns ein Päckchen auf die Rückbank geworfen wurde. Wir waren nun im Besitz des berüchtigten „Ganja“. Bob Marley wäre sicher stolz auf uns gewesen.

      Wenn wir dieses Zeug rauchten, waren wir oft wie gelähmt. Manchmal lachten wir aber auch Tränen. Eines Abends, so erinnere ich mich, sagte ein Kellner mit verschmitztem Lächeln zu mir: „Wenn Sie mir bitte folgen wollen, Madam.“ Da prusteten wir los und konnten uns kaum mehr einkriegen. Wir waren es so gar nicht gewohnt, puren Stoff aus einer Pfeife zu rauchen. Das war schon ziemlich brutal. Bei Gelegenheit zeigte uns ein Typ, der die hoteleigenen Chalets dekorierte, wie man mit Zeitungspapier Joints drehen konnte. Offenbar machten das die Einheimischen so. Wir zeigten uns aber nur wenig beeindruckt davon und vermissten weiterhin unsere angestammten Papierchen von Rizla.

      Die beiden Wochen vergingen wie im Fluge. Es war eine willkommene Abwechslung, die uns neue Sichtweisen eröffnete. Bevor wir uns aber versahen, bestiegen wir erneut eine VC10 und reisten zurück nach London. Wir spürten, dass sich die psychedelische Party von 1967 dem Ende zuneigte. Nun war schon der Januar 1968 angebrochen, und wir fühlten uns nur mäßig auf das vor uns liegende Jahr vorbereitet. Die Stimmung sollte schon bald kippen. Die Gigs wurden immer weniger, und die Band spaltete sich in zwei Lager auf. Junior und Twink vertraten jeweils einen gemeinsamen Standpunkt, wohingegen Keith und ich auf der anderen Seite standen. Es zog uns in unterschiedliche Richtungen.

      Keith und ich freuten uns über die charmante Gesellschaft unserer Freunde, mit denen wir ein herrliches Loft in Cromwell Gardens unweit der Cromwell Road teilten. Wir verbrachten unsere Nächte in einem wunderbaren Nebel aus Musikmachen, Essen, Trinken und Rauchen. Gespräche ergaben sich zwanglos und verebbten, sobald der herannahende Morgen seine ersten Vorboten aussandte.

      Unser Album Tomorrow erschien erst im Februar 1968. Doch da war der geeignete Zeitpunkt, um großen Eindruck zu hinterlassen, bereits verstrichen. Zur Jahresmitte 1968 spielten wir beim Festival im Donington Park. Es sollte eines unserer letzten Konzerte sein. Keith erfreute sich in der Welt der Popmusik immer größer werdender Berühmtheit, was sowohl positive als auch negative Konsequenzen mit sich brachte. Manchmal wurden wir als „Tomorrow fea­turing Keith West“ oder „Keith West & Tomorrow“ angekündigt. Doch in seiner Einstellung blieb er sehr wohl ein Teamspieler. Immerhin opferte er seine Solokarriere dafür, bei uns zu bleiben. Er wollte nicht bloß ein Popstar sein, nein, vielmehr wollte er der Sänger in einer Band sein. In Irland erwarteten sich die Fans aber „Keith West & Tomorrow“, und die Shows liefen alle ein bisschen aus dem Ruder. Sie wünschten sich die Art Song, die ihn berühmt gemacht hatte – nicht irgendwelchen abgefahrenen Psychedelic Rock. Das führte dazu, dass uns das Publikum mit Münzen bewarf. So spielten wir ein neues Arrangement von „Grocer Jack“, das so gar keinen Anklang fand. Jedenfalls wollten sie uns nicht mehr buchen.

      Tomorrow verfügten über enormes Potenzial, aber mittlerweile wirkte die Band wie ein Zusammenschluss individueller Talente und nicht wie ein starkes Kollektiv. Mark Wirtz produzierte mehrere als Solo-Veröffentlichungen vorgesehene Songs, die Keiths Erfolg mit „Grocer Jack“ wiederholen sollten. So nahm ich etwa eine Nummer mit dem Titel „Moth Balls“ auf, die dann aber nicht erschien. Junior und Twink veröffentlichten unter der Aufsicht Marks als The Aquarian Age den Track „Ten Thousand Words in A Cardboard Box“. Gleichzeitig fabrizierten Keith und Mark noch die Nachfolge-Single zu „Grocer Jack“, die den Titel „Sam“ trug, aber hinter den Erwartungen zurückblieb.

      Kapitel 5

      Unten am Fluss

      Keith und mich verschlug es als Nächstes ins Grenzgebiet zwischen Highgate und Muswell Hill, wo mein Bruder Philip die beiden oberen Stockwerke eines Hauses bewohnte, von dem aus man auf Alexandra Palace hinabsehen konnte.

      Im Dachboden dieser Bude begann ich, viel klassische Musik zu hören. Mithilfe der Schönheit eines ganzen Orchesters bekam ich so richtig den Kopf frei. Den Klängen von Vivaldi, Mozart, Villa-Lobos und Bach zu lauschen, schien meinen Sinnen neues Leben einzuhauchen. Damals wurde mir klar, dass wir niemals die Fähigkeiten und Power jener Musiker unterschätzen sollten, die die Werke dieser Komponisten zum Leben erweckten. Etwa Leute wie Ashkenazy, J.-P. Rampal, André Previn und John Williams. Auch verspürte ich die unbestrittene Genialität vieler großer Komponisten, die ihre Werke direkt auf Notenblättern zu ersinnen und zu orchestrieren verstanden. Sie konnten die komplizierten harmonischen Modulationen förmlich hören. In ihren Köpfen. Von Vivaldis Flötenkonzerten, von J.-P. Rampal gespielt, bis hin zu Rodrigos Concierto De Aranjuez, gespielt von John Williams, besaß diese Musik immenses Drama und Spannung. Ein solch subtiles Loslassen, welch entspannte Sanftheit! Das fesselte mich, damals wie heute. Dieses großartige musikalische Vermächtnis wird an passionierte Musiker weitergereicht, um es neu zu interpretieren und zu verfeinern. Ihr Verständnis revitalisiert die Lebenskraft dieser auf Papier festgehaltenen Musik und holt sie in die Gegenwart.

      Wenn man noch weiter zurückgeht, etwa bis ins Mittelalter, wird offensichtlich, dass Musik seit jeher darauf abzielte, die Stimmung und Gefühle ihrer jeweiligen Epoche widerzuspiegeln. Julian Bream spielte nicht nur die Gitarre des 20. Jahrhunderts meisterhaft, sondern rückte auch die Laute erneut in den Mittelpunkt des Interesses, indem er die Musik und Lieder John Dowlands aus dem 16. Jahrhundert in sein Repertoire aufnahm. Sein Spiel strotzte nur so vor Emotion und Ausdruck. Er fühlte jede einzelne Note, die er spielte. A Life In Music ist eine wunderbare DVD-Dokumentation, die zeigt, dass Julian sogar Jazz gespielt hat. In den Siebzigerjahren besuchten Jan und ich viele seiner Aufritte in London. Nach einem Konzert, das er mit John Williams als Duo gespielt hatte, stellte uns dieser einander vor. (Wie schon Segovia gesagt hat, ist das Einzige, was noch besser ist als eine Gitarre, eben zwei Gitarren!) Julian wirkte, als wollte er gerade die Garderobe verlassen, und erinnerte uns mit seinem breitkrempigen Hut und seinem Mantel ein bisschen an Zorro. Zum Glück willigte er ein, John in seiner Wohnung in Hampstead zu besuchen, wo ich dann ein wenig ausführlicher mit ihm quatschen konnte. Er fragte mich, ob ich dieser Gitarrist sei, der mit drei Wagenladungen voll Ausrüstung durch die Lande ziehe. Ich musste bejahen – genau dieser Gitarrist war ich nämlich.

      Rund um den Oktober 1968 begann Keith, Solo-Tracks für die EMI aufzunehmen, auf denen ich ihn begleitete. Bei manchen dieser Songs spielte Ronnie Wood Bassgitarre, und bei allen saß Aynsley Dunbar hinterm Schlagzeug. Bei „On A Saturday“ spielte ich Spanische Gitarre, und auf der B-Seite, „The Kid Was A Killer“, übernahm ich sowohl Bassgitarre als auch E-Gitarre. Auch auf seiner nächsten Single, dem Song „She“, war ich vertreten. Mark engagierte mich weiterhin für alle möglichen Sessions. Ich spielte auf einigen Tracks mit Caroline Munro und vielen deutschen Versionen von Popsongs, die ich aber nie wieder zu hören


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