Steve Howe - Die Autobiografie. Steve Howe

Steve Howe - Die Autobiografie - Steve Howe


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erste wirklich denkwürdige Engagement dieser Art haute mich fast aus den Socken! Immerhin galten Chris Farlowe & The Thunderbirds damals als eine der besten R&B/Jazz/Blues-Gruppen – und ihr Gitarrist war der großartige Albert Lee! Die Syndicats hatten für sie bereits als Anheizer fungiert. Als Albert einstieg, besuchte ich eines ihrer Konzerte in Watford. „Steve, du schaust uns heute besser genau auf die Finger, weil wir einen neuen Gitarristen am Start haben“, meinte Chris. Meine Bandkollegen mussten mich dann buchstäblich stützen, so gut war der! An diesem Abend spielte Albert eine schwarze Les Paul Custom mit drei Tonabnehmern durch einen Fender-Bassman-Amp. Der Sound war so umwerfend, dass ich ihn heute noch hören kann. Das klang extrem durchdringend und ohrenbetäubend. Doch viel mehr noch beeindruckte mich sein Spiel. Er hielt gleichzeitig ein Plektron und zupfte mit seinen Fingern, so wie ich das auch versucht hatte. Hier ging ganz offenkundig jemandes Stern auf. Die Band ließ ihm jede Menge Raum, damit er sich entfalten konnte. Seine Solos rockten heftig.

      Etwas später, vor einem Gig in Wolverhampton, fühlte sich Albert unwohl, und ich erhielt auf den allerletzten Drücker einen Anruf von Chris Farlowe. Er erkundigte sich, ob ich einspringen könne. Natürlich wollte ich mir diese Gelegenheit nicht entgehen lassen. Es war hammermäßig, überhaupt gefragt zu werden. Außerdem war es unbeschreiblich, jemanden zu vertreten, vor dem ich so großen Respekt hatte. Darüber hinaus wurde ich via M1 von London nach Wolverhampton und zurück in einem Aston Martin DB6 Cabrio chauffiert. Meine Gitarre lag auf der Rückbank neben mir. Ich wurde am Nachmittag am Nag’s Head in der Holloway Road abgeholt und kam gerade rechtzeitig an, als die Band ihre Ausrüstung aufbaute. Jemand drückte mir eine Setlist mit Songtiteln sowie deren Tonarten in die Hand: „Stormy Monday Blues“ in F-Dur und so weiter …

      Nach dem Soundcheck und einem Probelauf durch den ersten Song wurde das Publikum eingelassen. Für meinen Geschmack ein wenig überhastet begann unser Konzert schließlich um 20 Uhr. Mir wurde angewiesen, einfach über das Spiel der Band hinweg zu improvisieren. Um Himmels willen, wem verdanke ich bloß diese wunderbare Gelegenheit?, fragte ich mich. Es war der absolute Hammer! Die unterschiedlichen Tonarten, Tempos und Riffs verschmolzen miteinander, und ich bestand diesen Test mit wehenden Fahnen. Meine Liebe für zwölftaktige Musik hat niemals wieder eine solch optimale Bühne geboten bekommen wie an jenem Abend! Allerdings sollte ich noch oft großartige Möglichkeiten erhalten, spontan mit anderen Musikern zu spielen und jeweils noch mehr über die unerwarteten Freuden musikalischer One-Night-Stands erfahren zu dürfen.

      Kapitel 4

      Stets voran

      Mein Freund Dave betrieb einen Gitarrenladen namens Lewison Guitars in der Charing Cross Road. Er legte ein gutes Wort für mich ein, als er hörte, dass für eine Band ein Gitarrist gesucht wurde.

      Die Band hieß The In Crowd. Ich traf mich mit Sänger Keith West in einem nahegelegenen italienischen Restaurant. Die Gruppe hatte erst unlängst mit dem Cover eines Songs von Otis Redding, „That’s How Strong My Love Is“, den Einstieg in die Charts geschafft. Keith hatte mich mit den Syndicats auf Eel Pie Island, einer Themse-Insel, gesehen und hielt mich für einen passablen Musiker. So wurde ich eines Nachmittags zum Vorspielen im Club Noreik in Tottenham eingeladen. Ein peinliches Detail: Ihr ursprünglicher Gitarrist Les Jones kreuzte ebenfalls auf! Der Rest der Band waren John „Junior“ Woods, der Rhythmusgitarre spielte und Harmonien sang, Simon „Boots“ Alcott am Bass und Ken Laurence am Schlagzeug. Ihre Inspiration bezogen sie primär aus dem Soul.

      Das Vorspiel verlief tadellos, und nur wenige Tage später spielte ich mit ihnen einen Playback-Auftritt in einer Fernsehsendung namens Thank Your Lucky Stars, um ihre neue Single zu promoten. Ich lernte alle ihre Songs und wurde immer besser. The In Crowd enterten die Hitparade, weshalb ich mich nun auf kreischende Girls und ein generell größeres Spektakel bei ihren Live-Auftritten einstellen musste. Da ging es schon turbulenter zu als noch bei den Syndicats. Es machte jedenfalls Spaß und war auch profitabel.

      Die Gruppe unterschrieb dann einen Vertrag bei der EMI mit Produzent Roy Pitt. Meine erste Aufnahmesession fand in den De Lane Lea Studios in Holborn statt, wo wir einen Soul-Song namens „Stop! Wait A Minute“ einspielten, der im September 1965 erschien. Ich erinnere mich noch einigermaßen gut an diesen Studiotermin. Mein Lautstärken- und Klangfarben-Pedal kam auf der B-Seite „You’re On Your Own“ zum Einsatz. Mit The In Crowd aufzunehmen stellte einen deutlichen Fortschritt hinsichtlich geordneten Vorgehens und Professionalität dar. Es fühlte sich kontrolliert an, aber eben auch frei jenes schmuddeligen Feelings, das im RGM geherrscht hatte. Beide Songs enthielten Solos meinerseits, bei denen ich mithilfe einer Fuzz Box den Sound der Gitarre aufbrach – eine Verzerrung, die sich durch ein paar Regler variieren ließ.

      Roy Pitt wurde zu einem guten Freund, und wir entspannten uns des Öfteren mal bei ihm zu Hause. Wir tranken und rauchten – eine vergleichsweise harmlose Einführung in die wilderen Seiten des Rock’n’Roll. Es wurde zur Norm, ein bisschen neben sich zu stehen – oder sogar völlig neben sich! Die Musik schien durch den Konsum dieser Substanzen noch besser zu werden. Die Vorstellung, sich „Love Is Strange“ von den Everly Brothers oder Bob Dylans „Positively 4th Street“ bei maximaler Lautstärke anzuhören, erschien einem dann unwiderstehlich. Dylans Song handelte von Haltung. Es ging darum, wo man sich gegenüber einer anderen Person positionierte – wie man in einer Beziehung aufrichtig bleiben konnte, wenn nicht sogar ein wenig grausam. Dylan war zur offenkundigen Stimme unseres Gewissens avanciert. Seine Live-Versionen von „Just Like Tom Thumb’s Blues“ auf der B-Seite von „I Want You“ glich einer Hymne.

      Die Bandmitglieder schien ihre Liebe zur Musik zu verbinden, doch es waren auch noch andere Kräfte im Spiel. Eines der größten Probleme manifestierte sich in der Person von John „Boots“ Alcott. Er war ein cleverer, raffinierter, möglicherweise etwas zwielichtiger Bursche. Obwohl er aus Kilburn stammte, wirkte er sehr vornehm. Mit ihm konnte man immer viel Spaß haben. Er trug seinen Bass unterm Kinn, wie das damals eben Mode war. Außerdem mochten ihn die Frauen sehr. Immerhin wusste er sich gut zu kleiden. Eines Tages wurde er in einem Club in Soho um 50 Pfund geprellt, weshalb er den Laden gleich abfackelte. Tragischerweise kam dabei jemand ums Leben. Wir besuchten ihn daraufhin im Pentonville Prison. Das war ein höllischer Ort. Es war ja so traurig, ihn dort zu sehen! Anstatt uns einen neuen Bassisten zu suchen, wechselte unser Rhythmusgitarrist Junior einfach zur Bassgitarre.

      Als Nächstes stürzte unser Drummer Ken in einer Kurve aus dem Bandbus. Daraufhin benötigten wir einen neuen Schlagzeuger. Twink von den Pretty Things, der mit bürgerlichem Namen John Alder hieß, schloss sich der Band an. Das brachte die Chemie innerhalb der Gruppe auf eine ganz neue Stufe. Wir spielten nun präziser zusammen und fühlten uns in unserem Glauben an die Band bestärkt. Wir hielten uns für die Besten weit und breit und machten uns sogar ernsthaft Gedanken darüber, uns völlig neu zu erfinden.

      Man bot uns dann an, in einem Film namens Smashing Time mit Rita Tushing­ham als Band namens The Snarks mitzuspielen. In einer Szene, die auf einem Set gedreht wurde, das dem Post Office Tower im Londoner Stadtzentrum ähneln sollte, fand eine Party statt, die schließlich in einer großen Tortenschlacht kulminierte. Ich bekam eine kurze Textzeile zugeteilt. „Auf geht’s!“ oder so ähnlich. Die Dreharbeiten fanden im Studio in South Hampstead statt. Im Anschluss daran ging ich zu Fuß via Belsize Park Road nach Hause. Ich war bedeckt mit Creme und musste ein Bad nehmen, um alles wieder aus den Haaren zu bekommen. Als der Film schließlich in die Kinos kam, hatten wir uns bereits in Tomorrow umbenannt.

      Viele Leute innerhalb der Branche schluckten bei Gelegenheit Pillen, die einem einen ordentlichen Push verliehen. Als ich das erste Mal eine einwarf, fühlte ich mich jedoch ziemlich jämmerlich. Nach dem Mittagessen probierte ich eine von den blauen Pillen, die in weiterer Folge meine Zunge lockerte. Ich trank eine Cola nach der anderen und rauchte wie ein Schlot. Nicht sehr empfehlenswert. Speed war nichts für mich. Romilar auch nicht. Dabei handelte es sich um eine gewöhnliche Hustenmedizin, die einen, wenn man sie überdosierte, in einen Rauschzustand versetzte und die subjektive Tiefenwahrnehmung in Mitleidenschaft zog. Die Bandmitglieder entwickelten sich außerdem zu „Gewohnheitsrauchern“. Das war gemütlicher und passte besser zum Musikmachen.

      Eines Abends spielten wir in Brighton, als die Polizei eine Drogenrazzia durchführte. Wir wurden vorab gewarnt,


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