Steve Howe - Die Autobiografie. Steve Howe

Steve Howe - Die Autobiografie - Steve Howe


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gebauten Verstärker kombiniert wurde. Diese Gitarre verfügte über einen elektromagnetischen Tonabnehmer, den Charlie Christian brillant für seine Zwecke einzusetzen wusste. Bei ihm handelte es sich um den ersten elektrisch verstärkt spielenden, Single-Note-Jazzgitarristen überhaupt.

      Gibsons Gründer und Namensgeber Orville Gibson kam 1856 in Chat­eaugay im Bundesstaat New York zu Welt. Ihm verdanken wir Innovationen in Bezug auf sämtliche mit Bünden versehenen Saiteninstrumente. Er adaptierte charakteristische Merkmale der Geige wie deren F-Löcher und geschnitzte oder gewölbte Oberflächen für Gitarren und Mandolinen, die er von Hand baute. Er überwachte den Übergang zur Massenproduktion in seiner Fabrik in Kalamazoo, damit man der Nachfrage nach Banjos, Mandolinen und Gitarren auch gerecht werden konnte. Sein Vermächtnis erstreckte sich weit über seinen Tod im Jahr 1918 hinaus. Ab den Achtzigerjahren stand Gibsons wichtigste Produktionsstätte in Nashville, während die Spezialanfertigungen in Memphis gebaut wurden. Einmal schickten sie mir eine schwarze 175 SH mitsamt goldener Hardware. Dafür war ich natürlich sehr dankbar. Bei Gibson behandelte man mich immer sehr gut!

      So brachte ich nun meine neue Gitarre damals auch zur nächsten Aufnahmesession der Syndicats mit, die für Ende 1964 im RGM Sound anberaumt war. Unsere zweite Single hieß „Howlin’ For My Baby“ und erschien im Januar 1965. Kevin übernahm den Gesang, da Tom Ladd der Gruppe den Rücken gekehrt hatte. Es handelte sich um einen Blues-Song, ein wenig rockiger interpretiert, um uns mehr in Richtung R&B-Sound zu pushen. Die B-Seite, die wir als Gruppe geschrieben hatten, trug den Titel „What To Do“. Johnny Melton war ebenfalls ausgestiegen, und unser neuer Drummer hieß S. Truelove. Außerdem hatten wir nun auch einen Pianisten namens Jeff Williams. Trotz Joe Meeks Interesse an unserer Band machte der Erfolg aber einen weiten Bogen um uns. Vielleicht, weil Kevins Gesang in gewisser Hinsicht Punk vorwegzunehmen schien. Georgie Fame rezensierte „Howlin’ For My Baby“ im Melody Maker. Er meinte, dass Gitarren-Break sei „ziemlich gut“. Ich gestehe, dass ich kurzfristig richtig stolz war.

      Zwischen diesen Studioterminen spielten wir einen Gig nach dem anderen im ganzen Land. Wir fuhren auf der M1 und legten am Watfort Gap Zwischenstopps ein. Dort unterhielten wir uns oft bis spät in der Nacht mit anderen Bands. Wir spielten zunächst 14 Chuck-Berry-Songs pro Abend – wir nannten uns selbst die Chuck Berry Appreciation Society. Dann einigten wir uns darauf, eine Blues-Band sein zu wollen. Zweimal wurden wir auch angegriffen. Das erste Mal, als wir mit unserem gelben Commer-Van die Tottenham High Road entlangfuhren. Wir wurden von einem anderen Wagen, der uns geschnitten hatte, dazu gezwungen, stehen zu bleiben. Dann wurden unsere Fenster mit Stangen eingeschlagen. Zum Glück hatten wir da unsere Ausrüstung nicht dabei! Das andere Mal befanden wir uns fernab unseres angestammten Reviers, als ein paar ortsansässige Rabauken ihre Missgunst uns gegenüber zum Ausdruck brachten. Sie gingen auf uns los, schubsten und schlugen uns. Was dachten wir uns bloß dabei, in ihr Territorium einzudringen? Tottenham konnte damals schon ein raues Pflaster sein.

      Den Syndicats gelang es dann sogar, einen Fernsehauftritt zu ergattern. So spielten wir bei The Beat Room auf dem neuen Sender BBC Two. An diesem Abend traten außer uns noch Tom Jones mit „It’s Not Unusual“ und die Kinks mit „You Really Got Me“ auf. Ein bestimmtes Mitglied der Kinks beschloss, mich über seine gegenwärtige mentale Verfassung aufzuklären. Offenbar hatte er schon länger nicht mehr geschlafen, gegessen oder einen Satz frischer Kleidung übergeworfen. Außerdem, so meinte er, sei er high und betrunken. Ich fragte mich, ob das denn normal wäre. Eine junge Band auf der Überholspur war so abgefuckt? Diese aufbegehrende Art wirkte auf den ersten Blick verlockend, doch im Verlauf der Zeit sollte ich erfahren, dass zu viele Musiker dem Rock’n’Roll-Lifestyle zum Opfer fielen. Viele von ihnen lernte ich auf meinem Lebensweg persönlich kennen. Ein paar von ihnen waren charmant und gewitzt genug, sich nichts anmerken zu lassen, doch war es schon sehr tragisch, wenn ihre Live-Darbietungen unter ihren Ausschweifungen litten.

      In der TV-Show spielten wir „Howlin’ For My Baby“ und „Hey Bo Diddley“. Ich besitze eine Aufzeichnung von der BBC, die ich hoffentlich einmal für eine Compilation auf DVD verwenden werde. Dies war mein erster Fernsehauftritt, und meine Gitarre sah richtig sauber und schnieke aus – so wie sie das heute immer noch tut. Der Live-Aspekt des Bandlebens stellte einen krassen Lernprozess für mich dar. Die Behauptung, dass die Musikbranche mit einigen zweifelhaften Charakteren aufwarten kann, würde wohl niemand in Frage stellen. So hieß es etwa, dass Joe Meek keinem seiner Acts jemals die ihnen zustehenden Tantiemen ausbezahle. Das entsprach wohl der Wahrheit, da mir die EMI aus genau diesem Grund liebenswerterweise die Tonbänder der Syndicats aushändigte. Das erlaubte mir, sie zunächst 1994 als einen Teil der Raritäten-Sammlung Moth Balls, die Aufnahmen aus den Sechzigerjahren enthielt, zu veröffentlichen. Zwei Tracks landeten später auch auf Anthology 2 – Groups And Compilations, die 2017 bei Rhino erschien. EMI veröffentlichte unsere Aufnahmen seinerzeit auf Parlophone Records, doch lehnten sie unsere nächste Single ab. „Leave My Kitten Alone“ (ursprünglich von Little Willie John 1959 aufgenommen) war ihnen möglicherweise zu traurig-bluesig. Die Beatles nahmen „Kitten“ in den Abbey Road Studios auf, aber die Aufnahme blieb bis zu ihrem Album Anthology in den Neunzigern unter Verschluss. Außerdem versuchte sich auch eine Band namens First Gear an der Nummer. Ein damals an der Aufnahme beteiligter Session-Gitarrist war niemand Geringerer als Jimmy Page.

      Unser neuer Sänger hieß John Lamb. Auf der dritten und letzten Single der Syndicats, „On The Horizon“, die im September 1965 erschien, lieferte er eine echt großartige gesangliche Leistung ab. Hierbei handelte es sich um einen Song aus der Feder des berühmten Duos Leiber & Stoller, den ich erst unlängst solo aufgenommen habe. Auf der B-Seite spielte Ray Fenwick die Gitarre. „On The Horizon“ kletterte bis auf Platz 17 der Charts von Caroline Radio, einem Sender, der von einem Boot aus operierte, das in internationalen Gewässern durch die Nordsee schipperte. Bei diesem Song verwendete ich ein Pedal, mit dem ich Lautstärke und Klangfarbe regeln konnte. So wie schon Chet Atkins hatte auch ich dieses Pedal für meine Zwecke entdeckt, bevor ich mir etwas später ein viel besseres Modell von Fender zulegte. Beide Geräte waren Vorläufer des Wah-Wah-Pedals, das wir alle kennen und lieben.

      Leider hatten wir aber keine Vielzahl an Gigs gebucht, weshalb langsam alles zu zerbröckeln begann. Ich verließ die Band um den Zeitpunkt der Aufnahmesessions herum, weshalb dann eben auch Ray Fenwick auf der B-Seite der Single Gitarre spielte. Er sollte später noch bei der Spencer Davis Group, Tee-Set und der Ian Gillan Band spielen. 2003 heuerte ich ihn als zweiten Gitarristen für meine Band im Rahmen der „Remedy“-Tour an.

      Während einer meiner letzten Sessions mit der Band wurde Joe Meek aufgrund unserer musikalischen Darbietung sauer auf uns. Nach nur einen Durchlauf meinte er: „Hoffentlich bringt ihr den Song auf die Reihe, bis ich wieder zurückkommen – ansonsten könnt ihr euch verpissen!“ Er stürmte hinaus und kehrte eine Stunde später wieder zurück. Zum Glück schien er nun aber mit unserer Leistung zufrieden zu sein. Wir erlebten auch, wie er manchmal mit seiner Rezeptionistin schimpfte. Trotz allem verstand Joe sein Handwerk im Studio. Sein Sound nahm einige Anleihen bei Phil Spector, aber eben auf eine europäische, poppige Art und Weise. Damals galt „kommerziell“ noch als Schimpfwort. „Telstar“ von den Tornadoes war in den USA ein Nummer-eins-Hit, und seine Hits mit den Honeycombs und John Leyton klingen auch heute noch einmalig. In seinen Anfangstagen hatte er bei einem wunderbaren Album von Big Bill Broonzy namens London Sessions als Tontechniker fungiert. Das fiel mir erst viel später auf. Broonzy war und ist auch heute noch mein allerliebster Blues-Gitarrist und -Sänger. Sein Songwriting und seine Spieltechnik waren stets absolute Weltklasse. „The Glory Of Love“ aus der Feder von Peter Maurice sorgt bei mir heute noch für Gänsehaut. „St. Louis Blues“ und „Minding My Own Business“ sind nicht minder außergewöhnlich.

      Der elektrifizierte City-Blues wurde zusehends immer populärer, doch selbst fühlte ich mich in der akustischen Tradition des Country-Blues verwurzelt. Ich kreierte meinen Sound, indem ich mich in eine kleine Nische über einem (ungeheizten) Ofen in der Küche meiner Eltern in London setzte. Dort hatte ich eine herrliche Akustik, nicht unähnlich jener, die Broonzy in den Fünfzigerjahren hatte, als er „Southern Saga“ aufnahm, eine gesprochene Blues-Nummer, von der ich jedes Wort auswendig kannte. Sein Spiel und sein Gesang waren so prägnant. Das Buch I Feel So Good, das Bob Riesman über Bill schrieb, habe ich förmlich verschlungen.

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