Steve Howe - Die Autobiografie. Steve Howe

Steve Howe - Die Autobiografie - Steve Howe


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und erschien im September 1965 als Single. Dabei handelte es sich um eine Art Protestsong. Die B-Seite schmückte mit „I Don’t Mind“ ein Song von James Brown. Protest war allerdings nicht gerade unser angestammtes Metier. Auch wenn wir uns dafür stark von unserer liebsten amerikanischen Band, den Byrds, hatten beeinflussen lassen, reichte es nicht aus, um den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Singles sollen in erster Linie kommerziell erfolgreich sein. Damit schien nun das Ende einer Ära eingeläutet worden zu sein.

      Keith und ich teilten uns wenig später ein Hotelzimmer über dem Blaises, einem Club in South Kensington, wo wir ein längeres Gastspiel absolvierten. Wir wohnten somit unweit von Chelsea, nahe dem Victoria & Albert Museum und dem Hyde Park. Im Blaises spielte etwa auch Jimi Hendrix seinen ersten Gig in England, und wir waren ebenfalls vor Ort, als er die Bühne betrat. Er führte bereits sein Trio mit Mitch Mitchell und Noel Redding an. Jedem fiel sofort auf, wie besonders Jimi doch war. Nach seinem aufregenden Auftritt setzte er sich zu uns an den Tisch und erwies sich als perfekter Gentleman. Wir grüßten einander oft, wenn wir uns bei gemeinsamen Auftritten über den Weg liefen.

      The In Crowd spielten zwei Mal pro Woche im Blaises. Dort ließen wir uns auch ein neues allabendliches Ritual einfallen. Bevor wir auf die Bühne stiegen, präparierten wir nämlich eine Shisha mit Tabak und Haschisch. Während unserer Auftritte waren wir voll stoned, aber fühlten uns auch auf eine seltsame Weise miteinander verbunden und erkundeten gemeinsam die Grenzgebiete unserer Musik. So hielten wir es dann den ganzen Sommer der Liebe lang – und auch weit darüber hinaus.

      Wir spielten auch regelmäßig im Speakeasy, einem Club nahe der U-Bahn-Haltestelle Oxford Circus, wo Musiker gern die Nacht zum Tag machten. Es war ein beliebter Treffpunkt, an dem getrunken und auch Essen serviert wurde. Dort gingen viele schöne Frauen ein und aus – so etwa auch meine zukünftige Gemahlin Jan. Wir hingen dort auch dann ab, wenn wir gar nicht spielten. An einem solchen Abend gab Joni Mitchell, die damals in Großbritannien noch eine Unbekannte war, ein spontanes Konzert. Sie fesselte mich förmlich, und fortan war ich ein großer Fan ihrer Songs, ihres Spiels und ihres Gesangs. Sie war schon damals hinreißend, obwohl sie noch ganz am Anfang stand. Alle lauschten wir ihren wunderschönen Alben – damals wie heute. Sie ist eine absolut umwerfende Künstlerin.

      Keith brachte dann ein paar neue Songs, die wie maßgeschneidert für die Band waren. Offenbar bewegten wir uns in eine neue Richtung. Wir standen im Einklang mit der generellen Stimmung, die sich 1967 immer mehr zu verbreiten schien. Wir probten in einem kalten, düsteren Keller und nahmen schrittweise Anpassungen an unserem Sound vor, dehnten etwa die Soli in die Länge. Das hing ganz vom Gefühl ab. Wenn es sich aus irgendeinem Grund nicht richtig anfühlte, hielten wir die Soli kürzer. Wenn der Flow aber passte, zogen wir sie in die Länge. Bei unseren Shows gelang es uns nun, vermehrt musikalisch aufeinander einzugehen. Wir waren diszipliniert, was uns größere Kontrolle über unsere Konzerte verlieh.

      Wir verwandelten uns kontinuierlich in eine andere Band, deren Ideen ganz dem Zeitgeist entsprachen. Es war die Ära von Flower Power, von Liebe und Friede. So benannten wir uns schließlich in Tomorrow um – als ob uns die Gegenwart, das Heute, nicht gereicht hätte. Wir waren ziemlich originell, was auch durch Juniors Performance noch einmal unterstrichen wurde. Spärlich bekleidet tanzte er wie wildgeworden herum. Tatsächlich trug er einen Lendenschurz, der nur das Nötigste bedeckte, und auch sein Gesicht hatte er sich vorab bemalt. Eine Zeit lang hatten wir auch eine eigene Tänzerin auf der Bühne, die Suzy Creamcheese – eigentlich Suzy Zeiger – hieß. Sie war Amerikanerin, mit Frank Zappa befreundet und konnte richtig gut tanzen. Suzy und Junior gaben sich provokant-frivol, während ihre sinnlichen Bewegungen durch den Wirbel des pulsierenden Beats und der improvisierten Gitarrenläufe noch verstärkt wurden. Meine ausgedehnten Soli umfassten dabei oft eine dröhnende Quarte oder D-Saite. Ich erhöhte außerdem die Anzahl der einzelnen Pole Pieces an den Tonabnehmern meiner Gitarre, damit die D-Saite schneller rückkoppelte und somit deutlich lauter wurde. Vor diesem klanglichen Hintergrund jagte ich dann mit meinen Fingern über die drei darüberliegenden Saiten. Obwohl das D oft dröhnte, war es nicht unbedingt der Grundton meiner damals bevorzugten Tonart. Das einzige Album, das diesen explorativen Sound beinahe zu fassen imstande war, war Tomorrow von 1968, das auch eine Coverversion von „Why“ von den Byrds enthielt. Ich fügte diese Aufnahmen auch dem zweiten Teil meiner Anthology hinzu.

      Damals fühlte es sich geradezu berauschend an, die eigene Leidenschaft mit ähnlich denkenden Menschen zu teilen, die ebenfalls nach einer neuen Art Freiheit strebten, sich selbst sein wollten – oder zumindest diejenigen, die sie dachten, dass sie sie wären. Chelsea galt damals als angesagtester Ort – für Spaziergänge, eine Shoppingtour oder um etwas zu essen. Das Epizentrum bildeten hier die Shops, Cafés und Wohnungen unserer Freunde auf der King’s Road. Der Laden Granny Takes A Trip verkaufte heiße Klamotten und verfügte über eine eigene Stammkundschaft. Tatsächlich besitze ich auch heute noch jene Jacke, die ich bei Granny gekauft hatte und auf den Fotos von Tomorrow trage. Die Auswahl an Drogen in dieser Gegend wurde nur durch die eigene Vernunft beschränkt. LSD wurde kaum konsumiert und wenn, dann nur mit gebotener Vorsicht. Hasch und Gras wurden brüderlich geteilt, solange der Vorrat reichte. Speed galt mittlerweile als uncool. Harte Drogen standen im Ruf, total destruktiv zu sein. Zumindest traf das auf unseren eigenen Bekanntenkreis zu. Immerhin hatte ich mit eigenen Augen die fatalen Folgen dieser Rauschmittel gesehen, weshalb ich mich nie darauf einließ. Mir wurde schon relativ früh eingebläut, die Finger von dem Zeug zu lassen – und zwar von jemandem, der sich auskannte.

      Der benebelte Impuls, der unsere Leben damals kurzfristig zu bestimmen schien, dauerte nur 1967 an. Der Spaß schien keine Grenzen zu kennen, und wir fühlten uns auf telepathische Weise mit Menschen verbunden, die wir gar nicht persönlich kannten. Unser Ziel hieß Frieden – und Liebe war die bevorzugte Methode. Eines Tages saßen wir alle in einem Londoner Taxi und fuhren die Kensington High Street hinunter. Wir waren durch ein geschlossenes Fenster vom Fahrer getrennt. Hinten rauchten wir gerade, als plötzlich ein Polizeiwagen auf sich aufmerksam machte. Er überholte und stoppte direkt vor uns. Ich nahm an, dass wir nun gleich festgenommen würden, weshalb ich ein weißes Kistchen samt anderen „Raucher-Paraphernalien“ aus dem Fenster bugsierte. Was wir bis dahin geschmaucht hatten, flog gleich hinterher. Die Polizisten näherten sich dem Fahrer und erklärten ihm, dass er verbotenerweise rechts abgebogen sei. Wir aber sprangen flott aus dem Taxi und betonten, dass wir nicht länger warten könnten. Schnell liefen wir die Straße zurück, um das weiße Kistchen sicherzustellen. Ach, so typisch 1967!

      Unsere Musik ertönte in den populärsten Schuppen Londons – etwa im UFO an der Tottenham Court Road, im Middle Earth in Covent Garden und im Roadhouse in Chalk Farm. Tomorrow machten oft den Anheizer für Pink Floyd, und eines Abends, als wir gar nicht selbst spielen sollten, wurde ich eilenden Schrittes ins UFO befohlen, um für Syd Barrett einzuspringen, von dem die Jungs von Pink Floyd vermuteten, dass er sie versetzen würde. Ich hatte mich bereits darauf eingestellt und sollte einfach improvisieren, da wir ja keine Zeit gehabt hatten, miteinander etwas einzustudieren. Aber dann kam Syd (leider!) doch noch auf den letzten Drücker zur Tür hereingeschneit. Allerdings sah er schon ein wenig angeschlagen aus, der Gute.

      Wir spielten Unmengen Konzerte, gingen mit anderen Gruppen auf Tour und traten einmal ein Wochenende lang mit Donovan und Tom Jones in einer Küstenstadt auf. Keine Ahnung, wie diese Touren, die wir mit anderen Bands absolvierten, nur funktionieren konnten. So begaben wir uns etwa mit Traffic und Vanilla Fudge auf Achse. Am ersten Abend traten wir im Astoria in Finsbury Park auf, aus dem später das Rainbow wurde. An diesem Abend kam es noch vor ihrem Auftritt zu einem Mordsstreit zwischen den Jungs von Traffic. Kurze Zeit später stiegen sie aus der Tour aus.

      Ein weiterer überaus denkwürdiger Abend fand am 28. April im UFO statt. Während einer unserer Improvisationen stellte Junior seinen Bass zur Seite und ergötzte das Publikum mit einer spontanen Tanzeinlage. Das verstand Jimi Hendrix als Einladung, auf die Bühne zu kommen und sich Juniors Bass zu schnappen. Die Musik ging weiter, nun mit Jimis Unterstützung. Er wirkte konzentriert – fest entschlossen, mit uns einen heißen Jam hinzulegen. Diese Solo-Passagen konnten schon einmal 10 bis 15 Minuten anhalten. An diesem Abend dehnten wir diese Sequenz sogar noch länger aus. Wenn damals nur irgendjemand unser Set aufgenommen hätte! Unser Freund Joe Boyd, der auch im Publikum stand, meinte, er hätte jemanden mit einer Kamera filmen gesehen.


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