Liebeschaos: Süß wie Cherry Cola. Ute Jäckle

Liebeschaos: Süß wie Cherry Cola - Ute Jäckle


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heiserer, hochgeschraubter Stimme nach und rollte mit den Augen, als nahte ein Orgasmus. »Sei mein Meister, zeig mir dein Können und transkribiere deinen Vargas Llosa in meine Munro. Ich brauche mehr Virtuosität, wenn ich deinen Namen schreie.« Er zwinkerte mir zu. »Ein greifbareres Erlebnis wirst du garantiert nicht mehr finden. Also, ich würde mir das nicht entgehen lassen.«

      »Fällt dir nichts Besseres ein, du Schwanzakrobat?« Ich demonstrierte ein gelangweiltes Gähnen. »Leider kapierst du immer noch nicht, dass ich nicht auf billige Nummern stehe. Du hast in etwa das Niveau dieser platten Frauenärzte in Groschenromanen am Bahnhofskiosk. Tut mir leid, aber die sind einfach nichts für mich. Zu nichtssagend, man konsumiert sie und hat die Typen fünf Minuten später schon wieder vergessen.« Natürlich hütete ich mich, zu erwähnen, wie gerne ich diese Heftchen eine Zeitlang gelesen hatte.

      Die Haut über seinen Wangenknochen spannte sich an und seine geschwungenen Lippen öffneten sich einen Spalt, als machten sie sich für einen Kuss bereit. Der Player zog alle Register. Mir wurde warm. Ich stand voll auf sein Gesicht, verdammt. Noch immer. Das konnte doch nicht sein. Auf die kräftigen Konturen seines Mundes und die kantigen Linien des Kinns. Alles an ihm war männlich, sexy und auffällig. Nein! Nein! Nein! Er war der größte Fiesling des Jahrhunderts, das durfte ich über seinem imposanten Erscheinungsbild nicht vergessen. »Mich würdest du für immer in Erinnerung behalten«, sagte er plötzlich mit leiser, aber fester Stimme und tief in mir drinnen, wusste ich das ebenfalls. Diesen schönen Mann in meinem Bett würde ich garantiert für immer in Erinnerung behalten.

      Unwillkürlich fragte ich mich, ob er mir diesen heißen Blick auch dann noch schenken würde, wenn er wüsste, was sich unter meinem Shirt verbarg. Mist. Warum machte ich mir über so etwas überhaupt Gedanken? Der Kerl stand hundertprozentig nicht zur Debatte.

      »Ich würde am liebsten sogar den Tag vergessen, an dem wir uns kennengelernt haben«, sagte ich eine Spur härter als beabsichtigt. Mein Herz klopfte mir hoch bis zum Hals. Ich hatte das Gefühl, als müsste ich mich irgendwie erwehren, was vollkommen verrückt war.

      Nick stieß den Atem durch die Nase aus, er sah sauer aus. Sauer und verletzt. Aber dieses Mal verschaffte mir seine Reaktion keine Genugtuung.

      Zum Glück kam uns gerade Oberschwester Biggi entgegen. Sie schien blendender Laune zu sein und ihr schnittlauchdünnes blondes Haar wippte bei jedem Schritt fröhlich auf ihre Schultern. Ich fragte mich, ob sie am Ende gar nicht wusste, dass sie gerade für das Tagesgespräch auf sämtlichen Stationen sorgte, oder ob die Liebe sie in eine Art drogenähnlichen Rauschzustand versetzte, der sämtliche Gerüchte an ihr abperlen ließ wie Wassertropfen an einem Lotusblatt. Im Prinzip eine gesunde Einstellung. Ihr Privatleben ging uns nämlich überhaupt nichts an. Aber ich wusste nicht, ob ich eine solche Tratsch-Orgie über fünf Stockwerke so einfach wegstecken könnte.

      »Nick.« Sie blieb neben uns stehen und lächelte. Ich mochte Biggi gern. Sie war immer freundlich und gut gelaunt, von ihr hatte ich schon einiges Wertvolles in der Patientenpflege gelernt.

      »Hey, Biggi. Wie geht’s?« Er klang nett, wie immer wenn er mit anderen Leuten redete, offenbar bekam nur ich seine dunkle Seite zu spüren.

      Sie zuckte mit den Achseln und blinzelte. Plötzlich wirkte sie ein wenig traurig. »Ganz okay, mal abgesehen von den hundert dummen Sprüchen, die ich noch vor der Frühstückspause zu hören bekommen habe.«

      Er rieb aufmunternd ihren Arm. »Mach dir nichts daraus. Lass die Leute reden. Dein Leben geht niemanden etwas an. Du hast schon so viel durchgestanden. Hör einfach nicht hin, nächste Woche ist ihnen der Tratsch um dich zu langweilig geworden und sie suchen sich das nächste Opfer.«

      »Du hast recht.« Der Anflug eines Lächelns huschte über ihr Gesicht und verwandelte sie wieder in die gut gelaunte Biggi von vorhin. Ein Schutzpanzer, wie ich nun wusste, und ich konnte ihr das nicht verdenken. »Sollen sie doch reden. Erik ist so ein toller Mann, das lasse ich mir von niemandem kaputt machen.«

      »Du hast es auch verdient.« Er nahm sie in den Arm und streichelte freundschaftlich über ihren Rücken. Also kannte Nick das fiese Gerede über Biggi ebenfalls und ich musste zugeben, er reagierte wirklich toll.

      »Doktor Lehmann möchte, dass du dem kauzigen Herrn Koslowski zwei Ampullen Blut abnimmst«, sagte Biggi.

      »Geht klar«, erwiderte Nick, als wäre diese Anweisung das Selbstverständlichste auf der Welt, und mir wurde schlagartig bewusst, dass er dieser Aufgabe in der Tat nicht zum ersten Mal nachging.

      Wie? Nick durfte schon ganz allein Blut abnehmen? Im Pflegepraktikum? Wo und vom wem hatte er das denn gelernt? Was kam als nächstes? Eine Bypass-OP?

      Zu meinen Highlights zählte bis jetzt das Ziehen einer Infusionsnadel unter den wachsamen Augen von Biggi, die mir das ein einziges Mal großzügig gestattet hatte. Außer der gestrigen Visite natürlich, selbst an den Patienten arbeiten zu dürfen, toppte alles.

      Biggi musste meine Verstimmung aufgefallen sein, Mr. Großkotz merkte natürlich nichts, er sonnte sich in seiner Sonderstellung wie unter einem Solarium.

      »Willst du dabei zuschauen?«, fragte sie mich. Natürlich wollte ich das, aber nicht bei ihm.

      »Ich weiß nicht.« Ich verschränkte die Arme vor der Brust wie ein trotziges Kind.

      »Komm schon mit.« Nick deutete mit dem Kopf zur Seite, aber ich regte mich nicht. »Stell dich nicht so an.« Er beugte sich etwas in meine Richtung. »Du willst es doch auch.«

      Kichernd ging Biggi weiter. »Jetzt geht es mir schon viel besser. Ihr zwei seid wie füreinander gemacht.«

      Hä? Ich sah ihr baff hinterher, ihr reges Liebesleben vernebelte ihr wohl das Hirn. Was wollte sie denn damit sagen?

      Seufzend fügte ich mich in mein Schicksal und schloss mich Nick an. Immerhin war Blutabnehmen um einiges interessanter, als Betten zu machen, was gerade auf meiner Agenda stand.

      »Du kennst dich aber gut in Biggis Privatleben aus«, konnte ich mir dann doch nicht verkneifen, obwohl ich eigentlich gar nicht wissen wollte, wieso er das tat. Biggi war mindestens fünfzehn Jahre älter als er.

      »Sie hat viel durchgemacht in ihrer Ehe und jetzt endlich einen tollen Mann gefunden. Aber hier ziehen das mal wieder alle in den Dreck.«

      »Na ja, in den Dreck ziehen, geht wohl etwas zu weit. Eine schnelle Nummer in einem Rettungswagen ist ja nicht alltäglich.«

      »Und deswegen muss man sie gleich verurteilen?« Er warf mir einen unangenehm schrägen Blick zu, als stünde ich auf dem Prüfstand.

      »Nein, ich verurteile Biggi nicht. Mir ist es egal, was sie wann mit wem tut.«

      »Ihr Mann ist schwerer Alkoholiker, er hat sie jahrelang misshandelt und sie hat trotzdem immer zu ihm gehalten, ihn unterstützt, zig Therapien mit ihm durchgestanden. Aber er wurde immer wieder rückfällig und hat sie brutal geschlagen.«

      »Oh.« Ich blieb stehen. »Das wusste ich nicht.« Mein Herz sank gefühlt in den Magen, als ich das hörte. Die liebevolle, gutmütige Biggi war in einer brutalen Ehe gefangen?

      »Jetzt hat sie endlich den Absprung geschafft«, erzählte Nick weiter, »Erik kennengelernt und diesen alten Säufer verlassen.«

      »Die arme Biggi, ich hätte so etwas nie vermutet.«

      »Vermutungen sind immer scheiße«, erwiderte er und es klang wie eine Anspielung. Bloß worauf? Auf ihn?

      »Woher weißt du eigentlich von der schnellen Nummer im Rettungswagen?«, fragte ich.

      »Marga erzählt es doch überall herum. Woher weißt du sonst davon?«

      Ich zuckte nur mit den Achseln. Auf einmal kam ich mir schäbig vor, dass ich Marga vorhin diese Plattform gegeben und mich auch noch über Biggi amüsiert hatte.

      7. Kapitel

      Obwohl wir nun täglich bei den Visiten dabei waren und das die Arbeit viel interessanter


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