Sehnsucht nach Zypern. Julia Lehnen

Sehnsucht nach Zypern - Julia Lehnen


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Stamm rankte über die grüne Eingangstür, die durch die violette Blütenpracht im oberen Teil verdeckt wurde.

      »Die Bougainvillea wächst wunderschön!« staunte Marie.

      Alexandros nickte.

      »Na, wenigstens hast du dich mit Mittelmeerfauna beschäftigt.«

      Sein gönnerhafter Ton gefiel ihr nicht, ganz und gar nicht. Sie würde einiges klarstellen, sobald sie sich das Haus angesehen hatte.

      Er stieß die schwere Haustür auf, die quietschend über den Fußboden schabte, und sie trat hinter ihm in den Flur, wo er Maries Koffer abstellte.

      Nach links bogen sie durch eine halboffene Tür ins Büro ab. Zwei graue Metallschreibtische befanden sich darin, einer unter dem Fenster, ein anderer vor der Wand. Ein altes Telefon mit Wählscheibe fiel ihr ins Auge. Es kontrastierte mit dem Laptop, das auf einem der Schreibtische lag. An den Wänden entdeckte sie Poster von Pflanzen und Tieren: die häufigsten Giftpflanzen und Singvögel.

      Sie verließen das Büro und gingen über das knarrende Holzparkett durch den Flur in das Wohn- und Esszimmer. Es gab einen Kamin aus rotem Backstein, daneben stand ein Korb mit Feuerholz.

      Marie wurde unruhig: der Kamin, der Geruch nach Feuerholz, die aus Flusssteinen gemauerte Wand. Das erinnerte sie an das Haus ihrer Großeltern.

      Neben dem Kamin stand ein Fernseher, den Bildschirm auf ein abgewetztes braunes Sofa gerichtet. In der Nähe der Tür befand sich ein Holztisch mit sechs Stühlen. Genau wie früher bei ihrem Großvater.

      Sie suchte die Wände nach Hirschgeweihen ab, doch die gab es hier nicht. Die Holzbalken an der Decke? Sie waren da, dunkelbraun, aber nicht mir Engelsköpfen dekoriert, wie bei ihren Großeltern. Sie fragte sich, ob es hinter dem Haus auch einen Garten gab.

      Alexandros führte sie weiter durch den Flur in die Küche.

      »Der Gasherd ist uralt, eine Spülmaschine haben wir nicht, auch keine Kaffeemaschine oder Mikrowelle.«

      Marie schaute sich um. Oft zeigten einem andere Leute ihre Wohnungseinrichtung mit Stolz. Warum wies Alexandros nur auf das Negative hin? Doch er hatte schon Recht, diese Küche erinnerte sie eher an die eines alten Bauernhauses.

      Sie kamen an der geöffneten Tür der Abstellkammer vorbei und erreichten die Terrassentür, die tatsächlich nach draußen führte. Die Bank in der Sonne? Da war sie!

      Marie ging nach draußen und setzte sich auf die Bank, als wollte sie sich überzeugen, dass sie nicht träumte. Zu ihrer Linken lag ein Gemüsegarten mit Stangenbohnen und Tomaten. Auf dem Kies unmittelbar hinter dem Haus befand sich ein weißer Metalltisch mit vier Stühlen.

      Sie erhob sich und ging über den Weg zum anderen Ende des Gartens. Dabei nahm sie das Geräusch der kleinen Steine unter ihren Füßen bewusst wahr und den leichten Staub, der dabei hochwirbelte. Im hinteren Bereich ging der Kies in einen Rasen über, auf dem eine Liege stand. Im Garten ihrer Großeltern waren hinten rechts Bienenstöcke gewesen.

      Sie wandte sich zu Alexandros, der in der Terassentür wartete.

      »Gibt es hier Bienenstöcke?«

      Alexandros betrachtete sie irritiert.

      »Der letzte Förster hatte welche. Jetzt gibt es keine mehr.«

      »Schade, meine Großeltern hatten damals welche. Mich wundert, dass du hier noch leben darfst. Mein Opa musste raus, weil aus den Forsthäusern Verwaltungsgebäude geworden sind.«

      »Willst du dein Zimmer gar nicht sehen?«

      »Doch, natürlich«

      Durch Küche und Flur gingen sie zurück zu dem Zimmer, das direkt gegenüber dem Büro lag.

      Es war spartanisch eingerichtet, ein schmales hölzernes Bett mit Nachttisch stand rechts an der Wand, auf der linken Seite befand sich ein Schrank; das Bett war nicht bezogen, aber ein Stapel Bettwäsche lag auf dem Kopfkissen. Auch ihr Zimmer hatte einen Kamin. Bis auf ein Poster, das die Pilze des Troodos-Gebirges auf Griechisch vorstellte, waren die Wände kahl, der Holzboden abgenutzt.

      Aber ansonsten erschien ihr das Zimmer passabel, denn das Fenster eröffnete den Blick auf ein Feld mit Pfirsichbäumen, und im Hintergrund erstreckten sich Hügel, die von weitem dunkelblau wirkten. Wenn davor im Frühjahr die Pfirsichbäume rosafarben blühen, könnte das wie auf einer Postkarte aussehen, stellte sie sich vor. Jetzt hingen reife gelb-rote Früchte an den Zweigen.

      Sie öffnete das Fenster und atmete den leichten Duft von Pfirsichen ein.

      Alexandros führte sie in den Flur:

      »Mein Zimmer ist direkt daneben, gegenüber vom Kaminzimmer.«

      »Und wo sind unsere Kollegen?«

      »Es gibt nur einen, und das ist unser Chef Stavros, der mit seiner Familie im Dorf wohnt.«

      »Das heißt, wir leben hier ganz alleine, und das Auto gehört dir?« Erst jetzt wurde Marie so richtig klar, was das bedeutete. Und die Situation war ihr unangenehm.

      Wenn sie mit einem Mann so nah zusammenwohnte, müsste sie sich richtig gut mit ihm verstehen, und sie bezweifelte, dass das bei Alexandros und ihr der Fall wäre. Sie hätte sich vielleicht doch ein Hotel in Larnaka nehmen sollen.

      »Ich habe noch meinen eigenen Wagen und ein Mountain Bike. Das Rad kannst du benutzen«, ergänzte Alexandros.

      Zwischen seinem Zimmer und der Werkzeugkammer lag das Bad. Der Blick ins Badezimmer ließ sie stutzen. Die kahle Dusche ohne Vorhang war zwar geputzt, doch daneben stand ein hoher weißer Wasserboiler, neben dem Holzscheite aufgestapelt lagen. Um mit warmem Wasser zu duschen, würde sie den Boiler mit Holzscheiten heizen müssen, hoffentlich funktionierte das!

      Jetzt verstand Marie, was Alexandros mit renovierungsbedürftig meinte.

      »Gibt es noch ein Bad?«

      »Ja, aber das hat nur eine Toilette und liegt in der Scheune. Ich habe ja gesagt, dass das Haus nicht dem neuesten Standard entspricht.« Ruhig lehnte er sich in den Türrahmen, verschränkte die Arme, seine Gesichtsmuskeln entspannten sich. »Hier hat noch nie längere Zeit eine Praktikantin gewohnt. Sie verbringen ein paar Tage hier und suchen sich dann ein Zimmer im Dorf oder in der Stadt. Das stellt das Forest Department zur Verfügung, keine Sorge! Die Umgebung ist traumhaft, aber das Haus ist alt, nicht antik oder gemütlich, sondern einfach nur alt und abgenutzt.«

      Er hatte Recht. Genau das war die sachliche Beschreibung des Zustands »alt und abgenutzt«. Im Dorf waren die Häuser wahrscheinlich alt und gemütlich und in der Stadt modern und komfortabel.

      Aber es gab eine Ebene, die Alexandros nicht sah, und das war die Liebe zu ihrem Opa und zu alten abgelegenen Häusern, in deren Nähe sofort Bäume erreichbar waren, an denen sie sich festhalten konnte, wenn die Welt ins Wanken geriet.

      In diesem Haus zu leben bedeutete, neben Alexandros zu wohnen. Sie würde ihre Interessen deutlich klarmachen müssen und sich nicht bevormunden lassen.

      »Bei uns gibt es auch Forsthäuser mit ganz einfachen sanitären Anlagen.« Dass sie einen solchen Wasserboiler noch nie gesehen hatte, erwähnte sie nicht.

      »Komm, ich zeige dir deinen Arbeitsplatz.«

      Sie hoffte, dass sie nicht unmittelbar nach der langen Anreise loslegen musste. Doch zu ihrer Überraschung gingen sie an dem kleinen Büro vorbei nach draußen.

      Wenige hundert Meter vom Haus begann ein Weg, der rechts und links mit kleinen Zedern bepflanzt war. In einigem Abstand ragten aus dem weißen, felsigen Boden einzelne Kiefern und Büsche hervor. Rechts vom Wegesrand standen zwanzig weitere Zedernsetzlinge, die auf das Einpflanzen warteten.

      »Bei uns übernehmen die Forstangestellten das Einpflanzen.« Marie schaute ihn fragend an.

      »Löcher graben, Zedern einpflanzen; wenn andere Bäume im Weg sind, mit der Motorsäge entfernen. Zieh dich um, dann legen wir los, oder bist du zu müde?«

      »Heute


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