Sehnsucht nach Zypern. Julia Lehnen

Sehnsucht nach Zypern - Julia Lehnen


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zurücklief.

      Alexandros murmelte etwas auf Griechisch vor sich hin, was sie nicht verstand, aber das war ihr im Moment egal.

      Sie rief ihre Eltern an, erzählte vom Flug und vom Forsthaus und zog sich in ihr Zimmer zurück.

      Als sie im Bett lag, kreisten die Gedanken. Wie es hier riecht, gefällt mir, nach Holz. Was man sieht, die Hügel, Felder, Bäume, das alte Haus. Was man hört, die Vogelstimmen, das Rauschen der Bäume.

      Alles genau richtig.

      Sie fühlte sich zuhause, weil sie auf einmal das große, weiße Steinhaus vor sich sah. Mit seinen grünen Fensterläden, der Glocke neben der Eingangstür und dem Brunnen im Hof. Und da öffnete sich ein Küchenfenster und ihre Oma hielt ihr einen Teller mit Rhabarberkuchen hin, den sie lächelnd entgegennahm.

      Dann dachte sie an die Gegenwart und das Lächeln verschwand: In diesem Forsthaus gab es keine freundliche Großmutter, nur einen Kollegen, der sie anscheinend nicht da haben wollte. Hoffentlich ist der Chef anders.

      Sie klammerte sich an diesen Gedanken und schlief langsam ein.

      3.

      Kapitel

      Am nächsten Morgen steckte sie ihre dichten blonden Haare mit Haarspangen hoch, trug Sonnencreme auf und zog die Arbeitskleidung der zypriotischen Forstabteilung an: das weite hellgrüne Hemd sowie die lange dunkelgrüne Hose, die Alexandros ihr auf das Sofa gelegt hatte.

      Gut, dass das Hemd kurze Ärmel hatte, langärmlige Hemden endeten bei ihr meist mehrere Zentimeter vor dem Handgelenk, was ihre Arme noch länger erscheinen ließ. Die weite Hose musste sie mit Gürtel tragen – und sie würde ihrem Kollegen klarmachen, dass das Pflanzen nicht ihre Aufgabe war, sondern die Planung.

      »Konzeption eines Zedernwanderwegs von den Weindörfern zu den Scheunendachkirchen, stand in der Aufgabenbeschreibung«, brach es aus ihr heraus, als sie wieder vor Alexandros stand, der auf dem Boden kniete und eine Zeder einsetzte. »Für die Ausführung gibt es doch sicherlich Angestellte.«

      »Wir sind die Angestellten«, wiederholte Alexandros, etwas geduldiger legte er nach: »Für das Projekt gibt es zu wenig Geld, wir haben nicht genügend Zedern, geschweige denn Personal.«

      »Und wie sollen wir das in vier Monaten schaffen?«

      »Indem du mit anpackst, solange wir keinen männlichen Mitarbeiter bekommen. So, mit der Hacke ein zwanzig Zentimeter tiefes Loch ausheben, je nach Größe des Wurzelballens auch tiefer.« Er zeigte ihr, wie man das Loch grub und die Pflanze einsetzte.

      Was bei ihm leicht aussah, gelang Marie nicht.

      »Der Boden ist ja steinhart!«

      »Kein Wunder bei der Trockenheit. Außerdem ist der Boden felsig, sehr kalkhaltig und für viele Pflanzen ungeeignet.«

      Sie versuchte energisch, die harte Erde mit der Hacke zu durchdringen, doch als sie nach zehn Minuten kein ausreichend tiefes Loch zustande gebracht hatte, hörte sie auf.

      Es war ihr extrem unangenehm, wenn sie etwas physisch nicht so gut konnte wie ihre männlichen Kollegen. Das hatte sie schon in der Ausbildung geärgert, weil es alle Vorurteile bestätigte: dass Frauen nicht stark genug wären, einfach körperlich nicht in der Lage, diesen Beruf auszuüben.

      Was hatte damals geholfen? Das, wovon sie mehr hatte, als alle Männer ringsum: Verstand. Den würde sie jetzt einsetzen. Es war kein Chef da, der ihr klar sagen konnte, ob das Pflanzen wirklich ihre Aufgabe war, nur Alexandros, der darauf bestand.

      Sie wollte auf ihn nicht den Eindruck machen, dass sie die Arbeit verweigerte.

      »Wie wäre es, wenn du die Löcher gräbst und ich die Zedern einpflanze? Ich bin nicht an eure Böden gewöhnt.«

      Da Alexandros wahrnahm, dass es keine bessere Lösung gab, ließ er sich darauf ein.

      Nachdem er das erste Loch gegraben hatte, griff Marie mit beiden Händen eine Zedernpflanze aus der Schubkarre, die hellbraune Erde des Wurzelballens krümelte ihr durch die Hände. Stolz reckte sich die kleine Zeder in die Höhe.

      Sie setzte die Pflanze in den harten, steinigen Boden. Vorsichtig, fast zärtlich wischte sie den Staub von den feinen kurzen Nadeln, die sternförmig angeordnet waren. Mit dieser Mission konnte sie sich identifizieren, der Zypern-Zeder, die noch vor wenigen Jahrzehnten vor dem Aussterben stand, einen neuen Lebensraum zu geben. – »Platsch«, ein Schwall Wasser ergoss sich über Maries Hose, Schuhe und die kleine Zeder.

      »Nach dem Einsetzen wässern!« Alexandros schüttete schmunzelnd die letzten Tropfen Wasser aus dem Eimer.

      »Beim nächsten Mal gießt du nur die Pflanze und nicht mich!« Marie richtete sich auf und wischte mit einem Taschentuch das Wasser von ihrer Hose.

      Nach einer Weile schlug Alexandros einen verständnisvolleren Ton an:

      »Wenn du Wege planen und anlegen möchtest, wirst du die Arbeit nicht interessant genug finden. Vielleicht kannst du in ein anderes Projekt wechseln.«

      Trotz seines verbindlichen Tonfalls hatte Marie das Gefühl, dass er sie loswerden wollte. Von wegen, dachte sie, ich habe mich so dafür eingesetzt hier zu sein, ich gebe noch lange nicht auf.

      Als sie die nächste Zeder in den weißen felsigen Boden setzte, fragte sie Alexandros:

      »Ich kenne mich zwar nicht mit euren Böden aus, aber meinst du wirklich, dass die Zedern hier anwachsen? Und das Troodos-Gebirge ist so weit entfernt. Wie sollen wir das mit dem Zedernweg erreichen?«

      Alexandros stützte den rechten Ellbogen auf seinen Spaten.

      »Für Zedern ist der PH-Wert des Bodens nicht ideal und die Erde zu kalkhaltig, sie würden besser auf den eisenhaltigen Böden weiter oben im Troodos-Gebirge wachsen. Wir versuchen es trotzdem, wenn es funktioniert, können wir die ganze Insel aufforsten.«

      Sein Gesicht wurde von der Sonne angestrahlt, hellbraune Reflexe leuchteten in seinen dunklen Augen. Er hatte die Augenfarbe von Mousse au Chocolat, aber wahrscheinlich dachte sie nur daran, weil sie hungrig war.

      Nach zwei Stunden entschied er:

      »Genug für heute.«

      Sie gingen die wenigen hundert Meter zurück zum Haus und schauten vorher auf die zwölf Pflänzchen, die sie in dieser Zeit geschafft hatten. Die Arbeitsteilung war keine schlechte Idee gewesen.

      Marie setzte sich auf einen der weißen Terrassenstühle, die hinter dem Haus standen.

      Vögel zwitscherten, Jasminbüsche und einzelne Schwarzkiefern umgaben das Grundstück.

      Sie bewunderte einen Mammutbaum und blickte durch die Baumkrone in der Hoffnung, einen Adler über sich kreisen zu sehen. Sie versuchte ihre Gedanken zu ordnen.

      Wie komme ich von hier aus in den nächsten Ort, um Einkäufe zu erledigen? Alexandros später fragen. Erst einmal ausruhen ...

      Sie genoss die Sonnenstrahlen auf ihrem Körper und den Geruch der Pinien. Auch die Rosenstöcke, die die Wiese umrahmten, rochen gut, doch sie nahm außer dem Pinien- und Rosenduft noch etwas anderes wahr, sie spürte, dass Wasser in der Nähe war.

      Neben dem Haus ihrer Großeltern lag ein Teich, in dem sie und ihr Bruder im Sommer geschwommen waren. Es wäre wunderbar, wenn es hier auch einen See gäbe, in dem sie sich nach der Arbeit erfrischen könnte.

      Sie ging Schritt für Schritt in Richtung der Pfirsichfelder, am Ende des Gartens lief sie einen kurzen Abhang hinunter, und da war er: kein See, aber dafür ein Bach, der über Steine und Wurzeln sprudelte. Am Ufer wuchs ein Erdbeerbaum und da, nah am Wasser eine Goldeiche.

      Marie zog ihre Schuhe aus und ging mit den Füßen ins Wasser. Es war erfrischend und so kalt, dass sie für einen Moment ihre Füße nicht mehr spürte. Sie rutschte auf einem moosigen Stein aus und tat sich die Zehen weh. Sie brauchte Flusssandalen, genau, Kunststoffsandalen, dann könnte sie im Flussbett gehen.

      Schließlich


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