Sehnsucht nach Zypern. Julia Lehnen

Sehnsucht nach Zypern - Julia Lehnen


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der Insel. Als er von den Mosaiken in Pafos schwärmte, die sie sich unbedingt ansehen sollte, schlug er spontan vor:

      »Lasst uns doch nächstes Wochenende gemeinsam hinfahren.«

      Dionissis schaute zu Ariadne, die klarstellte:

      »Ich habe keine Zeit, ich muss lernen.«

      »Es ist gut, wenn wir mal herauskommen«, versuchte Dionissis, sie zu überzeugen, »wir können nicht die ganze Zeit lernen. Das würde dich auf andere Gedanken bringen. Denk noch mal darüber nach!«

      Alexandros schüttelte ablehnend den Kopf. Sie hatten mittlerweile die Altstadt durch die meterdicke ockergelbe Stadtmauer verlassen und standen vor dem archäologischen Museum.

      »Das solltest du unbedingt besichtigen«, empfahl Dionissis, indem er sie durch seine runden Brillengläser ansah. Er zögerte, ob er sie begleiten sollte, dann seufzte er: »Ich muss leider zurück an den Schreibtisch«

      Marie bedankte sich für den Tipp, trennte sich von den anderen und erkundete das Museum auf eigene Faust. Sie vertiefte sich in die Keramik, versuchte sich die unterschiedlichen Stile seit der Bronzezeit einzuprägen und bestaunte die drei Löwenstatuen von Tamassós.

      Besonders zog sie die Statue der Aphrodite von Soloi in Bann, die schön und stolz in der Mitte von Saal 5 stand und ihren Blick in die Ferne richtete. Was sah Aphrodite? Ihr gefiel die Art, wie die Göttin den Kopf hob, dadurch sah sie sehr selbstbewusst aus.

      Marie ging näher an die Statue heran und berührte unauffällig den Marmor. Früher haben die Menschen wirklich an diese Götter geglaubt, dachte Marie, sie haben um etwas gebeten, aber wurde es auch erfüllt? Haben sie eine Antwort bekommen? Marie wurde nachdenklich, sie dachte an ihr Studium, das sehr naturwissenschaftlich ausgerichtet war. Die griechischen Götter kannte sie nur aus dem Geschichtsbuch.

      Sie dachte plötzlich an die beiden jungen Frauen aus dem Flugzeug zurück, die sich von Aphrodite den richtigen Mann gewünscht hatten. Komisch, die Göttin sah gar nicht aus, als ob sie einen Mann brauchen würde. Vollkommen schön und stolz schaute sie in die Weite. Die Haltung gefiel ihr: auch ohne Mann selbstbewusst durchs Leben zu gehen.

      Am Abend schlenderte Marie durch die belebten Straßen. In einem großen Kaufhaus besorgte sie einen Duschvorhang und setzte sich anschließend in ein Café, beobachtete das Treiben der Menschen, trank ein Glas Weißwein in der warmen Abendluft und rief Corinna von ihrem Handy aus an. Dann ging sie zu der netten Pension, die Ariadne ihr empfohlen hatte.

      Am nächsten Tag erkundete sie die Altstadt, die innerhalb der venezianischen Festungsmauern lag, besichtigte die Johanneskathedrale und fuhr nachmittags mit Alexandros zurück zum Forsthaus nach Omodos.

      Auf die neue Woche freute sie sich. Sie hatte sich gut mit Ariadne verstanden, dadurch würde ihr hoffentlich auch die Zusammenarbeit mit Alexandros leichter fallen.

      6.

      Kapitel

      Als sie am nächsten Morgen den Wanderweg betrat, standen fünfzig Zedernsetzlinge vor ihr.

      Alexandros wartete mit verschränkten Armen im Schatten und schaute sie herausfordernd an. Er trug ein dunkles Muskelshirt, das seine kräftigen Arme freiließ. Er war wirklich sehr breitschultrig. Wollte er demonstrieren, dass er der Arbeit besser gewachsen war als sie? Kein Wunder, dass er durchtrainiert und braungebrannt war, wenn er Tag für Tag draußen arbeitete.

      »Hör zu, wir sind hier nicht zum Spaß. Es geht um was! Wenn du ernsthaft in diesem Projekt arbeiten willst, ist das dein Tagespensum.«

      Immerhin, er zog die Möglichkeit in Betracht, dass sie bleiben würde, das war ein Fortschritt.

      Dann rechnete sie im Geiste nach: das bedeutete alle zehn Minuten eine Zeder pflanzen.

      Auf einmal dachte Marie an ihren ersten Lehrer in der Ausbildung, der behauptet hatte, Frauen würden sich nicht für die Forstwirtschaft eignen. Sie fühlte wieder die dreißig Augenpaare der männlichen Klassenkameraden auf sich, die beobachteten, ob der Lehrer Recht behalten würde.

      Von wegen! Sie hatte die Ausbildung abgeschlossen und dann das Studium begonnen. Genau so würde sie es Alexandros zeigen!

      »Das ist kein Problem.«

      Sie begann sofort, nahm sich eine Hacke und fing an Löcher auszuheben. Sie wollte Alexandros beweisen, dass sie genauso schnell arbeiten konnte wie er. Auf der anderen Seite des Wanderweges pflanzte er. Immer wieder schaute sie herüber, um mit seinem Tempo schrittzuhalten.

      Nach einer Stunde schmerzte ihr Rücken, doch sie arbeitete unermüdlich weiter.

      Alexandros kam plötzlich zu ihr. Vielleicht würde er ein Wort der Anerkennung äußern.

      »Tut mir leid, aber die letzten drei kannst du neu pflanzen, ich finde, sie stehen zu eng. Stell dir vor, wie viel Platz die Pflanzen in Anspruch nehmen, wenn sie ausgewachsen sind.«

      Mist, das hatte sie in ihrem Arbeitseifer vergessen. Er hatte Recht.

      Sie verkürzte die Mittagspause, um weiter zu pflanzen. Loch hacken, Zeder einsetzen, zuschütten, wässern. Diese Arbeitsschritte wiederholte sie unermüdlich.

      Um fünf Uhr hatte sie immer noch drei Pflanzen vor sich. Beim Bücken schmerzte der untere Rücken, beim Einhacken auf die knochentrockene Erde taten Knie und Schulter weh.

      Sollte sie aufhören? Ihn um Hilfe bitten? Sie starrte nur auf die staubige Erde vor sich, und mit der letzten Wut und Kraft, die sie im Körper hatte, hackte sie das nächste Loch.

      Als sie die kleine Zeder greifen wollte, war keine mehr da. Sie schaute zu ihm herüber, offensichtlich hatte er sie auf seiner Seite eingepflanzt. Wenn sie nicht so erschöpft gewesen wäre, hätte sie sich darüber gefreut.

      Nachdem sie ihre Hacke in den Schuppen gebracht hatte, stapfte sie an Alexandros vorbei, der im Büro saß und telefonierte. Er flüsterte Wortfetzen wie »Moro mou«, doch sie hatte keine Lust, die Ausdrücke nachzuschlagen, ihr tat alles weh.

      Sie brauchte dringend eine heiße Dusche. So betrat sie das Bad mit dem überdimensionalen Wasserboiler. Den Boden hatte sie schon geputzt und den Duschvorhang, den sie in Nikosia gekauft hatte, aufgehängt. Hoffentlich gelang es ihr, den Boiler in Gang zu setzen.

      Behutsam legte sie mehrere Holzscheite hinein und zündete das Feuer an. Das Holz war sehr trocken, sodass die Flammen sich zügig ausbreiteten. Das Wasser wurde schnell warm, sie cremte sich mit Olivenduschgel ein, massierte besonders ihre schmerzenden Schultern. Dann ließ sie das heiße Wasser über den Kopf am Körper herunterlaufen.

      Sie stieß einen tiefen Seufzer aus, denn die Schmerzen ließen nach, wohlige Mattigkeit breitete sich in ihrem Körper aus. Es gelang ihr, sich ganz zu entspannen.

      »Komm endlich raus! Ich möchte mich auch waschen.«

      Alexandros klopfte gegen die Tür.

      Marie zuckte vor Schreck zusammen und stellte das Wasser ab.

      »Einen Moment noch!«

      Sie schlüpfte in ihren Bademantel. Warum regte er sich auf? Sie fühlte sich gedrängt und hatte das Gefühl, dass sie sein komplettes Leben störte, dabei hatte sie nur geduscht.

      Sie öffnete die Tür und schon drängte sich Alexandros an ihr vorbei, um zur Dusche zu gelangen.

      »Das nächste Mal blockierst du das Bad bitte nicht so lange.«

      Am liebsten hätte Marie ihm Paroli geboten, aber sie war zu erschöpft für einen Streit. Deshalb zog sie sich wortlos in ihr Zimmer zurück und legte sich hin.

      Die Matratze war schmal und hart. Obwohl sie müde war, konnte sie nicht einschlafen. Zu viele Gedanken gingen ihr durch den Kopf.

      Will ich bleiben? Vier Monate mit diesem Kollegen Bäume pflanzen? Ich habe zuhause versucht mein Englisch zu verbessern, Griechisch zu lernen, Bücher über Kultur und Natur in Zypern gelesen.

      Am liebsten würde ich in


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