Sehnsucht nach Zypern. Julia Lehnen

Sehnsucht nach Zypern - Julia Lehnen


Скачать книгу
Marie legte auf.

      Alexandros grinste.

      »Super! Sie ist ziemlich komplex, hat Vorläuferinnen im Nahen Osten, die phönizische Fruchtbarkeitsgöttin Astarte und Isis aus Ägypten. Außerdem gibt es jede Menge Ausgrabungsstätten: Kition, Kouklia, Amathous, ...«

      Er schob ihr mehrere Bücher über griechische Götter im Allgemeinen und Aphrodite im Besonderen zu, schien sie schon durchgeblättert zu haben und erleichtert zu sein, dass er diese Aufgabe Marie übergeben konnte.

      ***

      In ihrem Zimmer machte Marie alle Lampen an und schaute mit einer Taschenlampe unter das Bett. Keine Schlange zu sehen! Und wenn schon, dann waren sie sicher ähnlich schreckhaft wie in Deutschland!

      Sie leuchtete in den Kamin, doch an den rußigen Wänden hing keine Fledermaus. Sie fand es ungewöhnlich, dass diese Tiere ins Haus kamen.

      Hatte Alexandros die Wahrheit gesagt? Sie würde ihren Chef danach fragen. Meinte Alexandros ernsthaft, er könnte sie durch solche Bemerkungen aus dem Haus vertreiben? Von wegen!

      Als sie im Bett lag, war an Schlaf nicht zu denken. Die hölzernen Schlagläden klapperten, und etwas schlug in unregelmäßigen Abständen gegen das Dach.

      Marie zuckte zusammen, weil sie die Umgebung zu wenig kannte und die Geräusche nicht einordnen konnte. War es so windig? Rieben sich Tiere an den Fensterläden oder waren das Einbrecher? Sollte sie Alexandros wecken?

      Sie zögerte, denn sie wollte ihm an diesem Abend nicht noch einmal begegnen. Deshalb zog sie die Decke bis zum Kinn und konzentrierte sich nur auf den Geruch nach Holz. Das alte Haus, das ihr sonst so viel Sicherheit gab, kam ihr auf einmal unheimlich vor.

      Da! Wieder schlug jemand heftig gegen die Fensterläden. Pause. Es folgten mehrere heftige Schläge gegen das Dach.

      Jemand machte sich an einer Dachziegel zu schaffen, er ruckelte intensiv daran, immer wieder, direkt über Alexandros Zimmer. Das könnten Einbrecher sein, vielleicht besaß Alexandros Wertsachen? Wenn man flüchtig in sein Zimmer hineinschaute, sah es zwar nicht danach aus, aber man konnte nie wissen. Oder ...?

      Marie setzte sich auf. Natürlich! Die Gewehre im Waffenschrank! Darauf hatten es die Einbrecher abgesehen. Szenen aus Abenteuerfilmen tauchten vor ihrem inneren Auge auf. Ruhig Blut bewahren! Ob sie Alexandros verständigen sollte? Nein, sie wollte selbst Herrin der Lage bleiben. In ihrer Heimat würde sie einfach draußen nachsehen, was los war. Und genau so konnte sie es hier auch tun. Sie hatte einen Jagdschein, und bevor Kriminelle ins Haus eindrangen, würde sie sich ein Gewehr holen.

      Sie machte das Licht im Flur an und ging ins Büro. Hinter der Tür war der stählerne Waffenschrank. Wieder ertönte ein Ruckeln am Dach, das das ganze Haus erzittern ließ. Passte einer der vierzig Schlüssel vom Schlüsselbrett? Sie griff nach einem der wenigen silbernen Schlüssel, der von der Größe passen könnte.

      Ja tatsächlich! Zügig schloss sie den Schrank auf und packte das mittlere der drei Gewehre. In Deutschland hatte sie eins, das speziell für Frauen angefertigt war, diese Flinte fühlte sich dagegen zu groß und zu schwer an. Trotzdem nahm sie die Waffe und schlich Schritt für Schritt in Richtung Verandatür.

      Als sie den Fuß auf die Terrasse setzte, hatte sie das Gefühl, als würden tausend Augen sie ansehen. Da huschte etwas durchs Unterholz, von dem Milchnapf weg, das Alexandros für die Katzen aufgestellt hatte. Vielleicht ein Fuchs?

      Hinter dem Haus war nichts zu erkennen, was die Geräusche hätte auslösen können. Sie schlich an der Hauswand entlang und schaute um die Ecke auf den Lichtschein, der aus ihrem Fenster strahlte. An der Außenwand zwischen ihrem Zimmer und dem von Alexandros befand sich eine Leiter. Sie ging näher heran.

      Ob sie sofort einen Warnschuss abgeben sollte?

      Plötzlich leuchtete ihr eine Taschenlampe so hell ins Gesicht, dass sie nichts mehr sah. Gleich würde ihr Gegenüber den Schusswechsel eröffnen.

      Marie warf sich bäuchlings auf den Boden.

      »Alles okay, Marie?« Es war Alexandros‘ Stimme. »Sorry, ich habe dich geblendet. Kannst du mal kurz die Taschenlampe halten?«

      Marie stand auf, sie war ganz benommen, schwarze Sternchen wirbelten vor ihren Augen. Mühsam griff sie nach der Stabtaschenlampe und leuchtete Alexandros an. In der rechten Hand hielt er ein helles Fellbündel.

      »Irgendwie hat sich die Katze mit ihrer Pfote in dieser kaputten Dachziegel verfangen.«

      Tatsächlich, Alexandros hielt eine von den Katzen in der Hand, die tagsüber um das Haus herumstrichen.

      »Ist sie verletzt?«

      »Nein, ich glaube, es ist alles okay!«

      Alexandros stieg vorsichtig die Leiter herunter.

      Marie konnte ihre Augen nicht von dem Tier lassen.

      »Sie ist so dünn, bring sie doch zur Milchschale!«

      Alexandros setzte sie genau dort ab, doch das Fellbündel huschte in die Dunkelheit. Am liebsten hätte Marie Alexandros geknuddelt, Katzen von Dächern oder Bäumen retten, genau so etwas hatte sie früher auch getan.

      Doch dann blieb Maries Blick an seinem Pyjamaoberteil hängen. Er trug ein weißes T-Shirt, auf dem »Chainsaw« stand. Es war das Logo der Kettensäge, mit der sie tagsüber arbeiteten. Ein Katzenretter, der Kettensägen-Shirts trug – sie wurde einfach nicht schlau aus diesem Mann. Kopfschüttelnd ging Marie ins Haus und brachte das Gewehr in den stählernen Schrank zurück.

      8.

      Kapitel

      Zwei Tage später bat Marie Stavros ihr am Nachmittag das Motorrad zu leihen, damit sie zum Visitors‘ Centre nach Plateia Troodous fahren konnte.

      Sie wollte herausfinden, warum das Projekt bedroht war. Vielleicht waren die Kollegen im Nationalparkhaus besser informiert. Es gefiel ihr überhaupt nicht, wenn sie nicht Bescheid wusste. Bei ihr zuhause erkundigte sie sich so lange, bis sie verstand, was los war, und das konnte sie hier auch tun.

      Über die kurvigen Straßen fuhr sie an Platres vorbei bis zum Besucherzentrum. Sie wunderte sich über die zahlreichen Baustellentoiletten, die vor dem Eingang standen. Noch befremdlicher erschienen ihr zwei nagelneue Tennisplätze und eine riesige Baugrube neben einem Spielplatz. Ein Bagger schachtete diese immer tiefer aus. Bauarbeiter walzten den Boden neben der Grube und mischten Beton.

      Marie durchschritt die beiden Türen zum Besucherzentrum. Drinnen hörte man den Baulärm nicht. Hinter der Theke saß ein Kollege mit dunkelblonden, gelockten Haaren und blaugrünen Augen, der sie freundlich begrüßte, als sie sich als Praktikantin vorstellte.

      Zuerst empfahl er ihr den Film über die Entstehung des Gebirges. Er begleitete sie in den Kinosaal und stellte ihr die DVD an. Sie lauschte aufmerksam den erdgeschichtlichen Informationen und ließ dann die Bilder der Pflanzen- und Tierwelt auf sich wirken.

      Im Anschluss daran kam der Kollege hinter dem Tresen hervor und erklärte an einem riesigen dreidimensionalen Modell, wo die Wanderwege verliefen. Er drückte einzelne Tasten und kleine Lämpchen zeigten den Verlauf der Wege.

      Zum Schluss fragte sie:

      »Was wird eigentlich hier draußen direkt vor dem Besucherzentrum gebaut? Das scheint ja eine Großbaustelle zu werden.«

      Er kratzte sich verlegen seine blonden Locken.

      »Eigentlich müsste ich dir jede Frage zum Nationalpark beantworten können, aber darüber habe ich keine Information. Letzte Woche kamen die Arbeiter, sie sprechen kaum Englisch, geschweige denn Griechisch ... Ich glaube, sie erneuern den Spielplatz.«

      Marie schaute ihn skeptisch an, seine Theorie überzeugte sie nicht wirklich.

      »Mach dir keine Gedanken, wir hatten hier noch nie wirkliche Probleme. Wenn es Schwierigkeiten gab, haben die sich meist nach ein paar Wochen von selbst geklärt.«

      Als neue Besucher kamen,


Скачать книгу