Sehnsucht nach Zypern. Julia Lehnen

Sehnsucht nach Zypern - Julia Lehnen


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das für mich, weil er ohnehin da ist – und wenn wir mal ausgehen wollen, dann kommt er zu uns und passt auf die Kinder auf.«

      ***

      Abends im Forsthaus schaute Marie sich im Büro um, es gab außer den zwei Schreibtischen noch einen großen Metallschrank.

      Sie betrachtete die Poster und Fotografien. Auf einem waren Wildblumen des Troodos-Gebirges abgebildet, ein anderes zeigte Raub- und Zugvögel. Auf den Fotos waren das Gebirge im Schnee, ein Wasserfall, ein Mufflon und eine alte Ansicht von Plateia Troodous zu sehen, wie die Bildunterschrift verriet.

      Als sie vor einem Schlangenposter stand, bemerkte Alexandros:

      »Schließ gut die Haustür, wenn du vermeiden willst, dass Schlangen ins Haus kommen. Sie wärmen sich nachts drinnen auf. Menschen und Schlangen können gut zusammenleben, wir haben hier im Haus allerdings kein Gegengift gegen Schlangenbisse.«

      Unwillkürlich suchte Marie mit den Augen die Ecken ab.

      »Die Tür geschlossen zu halten, ist auch wichtig wegen der Mäuse. Und nachts sollte man die Fenster nicht öffnen, weil Fledermäuse hineinfliegen könnten.«

      Nachdem Marie das ganze Zimmer kritisch gemustert hatte, setzte sie sich an einen der Schreibtische. Auf dem anderen hatte Alexandros zahlreiche Bücher verteilt.

      Er schrieb teils am Laptop, teils auf Papier und wirkte konzentriert. Marie schaute auf sein dunkelgrünes Poloshirt, das an der Brust geflickt war, und auf seine Hände, mit denen er den ganzen Tag Bäume pflanzte.

      Wenn sie herausfinden wollte, warum der Wanderweg gestoppt wurde, dann musste sie mit den Zyprioten in ihrer Sprache reden können.

      »Ich habe mal eine Frage: Ich würde gerne mehr Griechisch lernen. Kennst du jemanden, der mir Unterricht geben kann?«

      Alexandros schaute auf.

      »Schön, dass du dich dafür interessierst, aber mach dir klar, dass wir hier den zypriotischen Dialekt sprechen. Die Aussprache und manche Wörter sind anders als im Griechischen. Ich persönlich habe keine Zeit, vielleicht suchst du dir jemanden aus dem Ort. Solange wirst du gut mit Englisch zurechtkommen.«

      Plötzlich drehte Alexandros seinen Stuhl zu ihr und lächelte sie an.

      »Um Griechisch zu lernen, solltest du nach Limassol ziehen, da kannst du Unterricht nehmen. Machst du gerne Sport?«

      »Zumba, warum fragst du?«

      »Es gibt da ein tolles Fitnessstudio mit Blick aufs Meer, direkt am Yachthafen. Die bieten jede Menge Kurse an. Dort kannst du Leute kennenlernen und griechisch sprechen.«

      Er schien ganz begeistert von seinem Vorschlag und hatte wahrscheinlich sogar Recht.

      »Ich würde gerne hier bleiben – wegen des Hauses.«

      »Das Haus ist baufällig, es muss komplett renoviert werden, die Fensterrahmen, die Balken, der Boden, das Dach.«

      »Ja, das stimmt allerdings.«

      Sie dachte an das Haus ihres Opas, bei dem sie einen Sommer lang die weißen Fensterrahmen ausgetauscht hatten, im nächsten die Dachziegel, so gab es fast jedes Jahr Renovierungsarbeiten. Das hatte ihr nichts ausgemacht, weil das Haus ihr Halt gab.

      Sie wollte sich auf keine Diskussion einlassen und fragte stattdessen:

      »Was machst du gerade?«

      »Ich arbeite an unserem neuen Wanderführer für den gesamten Nationalpark. Wir haben hier die Nature Trails, die Naturwanderwege, die sind nach griechischen Göttinnen benannt. Wir geben Hintergrundinformationen über die Wanderwege und erzählen die Sagen der Göttinnen ausführlicher als in den bisherigen Prospekten.«

      Während er sich wieder seinem Computer zuwandte, stellte er fest:

      »Zurzeit bin ich bei Persephone.«

      Marie versuchte etwas auf dem Bildschirm zu erkennen. »Persephone«, stand dort, »war eine Göttin, die ein Drittel des Jahres in der Unterwelt verbrachte, dann wurde es Winter auf der Erde.«

      »Ich bin noch nicht fertig«, betonte Alexandros.

      Marie schaute auf die Wanduhr.

      »Zwanzig Uhr, ich würde gern Nachrichten schauen, wenn das in Ordnung ist.«

      Als Alexandros zustimmte, ging sie ins Wohnzimmer, stellte den Fernseher an und war direkt auf dem richtigen Sender. Sie versuchte etwas zu verstehen, was ihr schwerfiel. Auf die Nachrichten folgte eine Serie. Marie konnte der Handlung erstaunlich gut folgen und war begeistert.

      »Mach die Tür zu oder schaff dir Kopfhörer an, ich kann so nicht arbeiten.«

      Alexandros war ins Wohnzimmer gekommen und starrte auf den Bildschirm.

      »Siehst du gerne Serien?«

      »Nein, in Deutschland nicht, da sind sie mir oft zu simpel. Aber hier ist es etwas anderes und obwohl ich kein Griechisch spreche, verstehe ich die Handlung.«

      »Ich kann mir das nicht ansehen. Auf dem anderen Sender läuft eine richtig gute Satiresendung.« Er schaltete um.

      Zwei Männer saßen in einem Studio und unterhielten sich auf Griechisch. Als Bilder von Politikern eingeblendet wurden, redeten die Männer darüber und lachten.

      Alexandros schaute eine Weile zu und lachte mit.

      Marie verstand kein Wort. Warum musste er sich überall einmischen? Kommentarlos verließ sie das Wohnzimmer, setzte sich wieder an den Schreibtisch und begann in den Büchern zu blättern.

      Nach einer Weile kam auch Alexandros zurück und setzte sich an seine Arbeit. Sie hielt inne, schaute ihn abwartend an und sagte schließlich:

      »Das hat doch überhaupt nichts mit Forstwirtschaft zu tun.«

      »Nein, hat es nicht, nicht direkt, aber wir machen es trotzdem, weil es jetzt ansteht. Wir leben auf einer Insel, und es gibt nicht unendliche viele Kollegen. Wir haben auch keine eigene Abteilung, die uns das abnimmt.«

      Während er in ihre Richtung blickte, schien ihm eine Idee zu kommen:

      »Warte mal ... du bist zwar nicht fest angestellt, aber du könntest trotzdem eine Göttin übernehmen. Du bekommst ...«, er blätterte in seinen Unterlagen. »Den Aphrodite Nature Trail, den hat noch keiner bearbeitet. Hier ist der alte Wanderführer, den kannst du ergänzen und ins Deutsche übersetzen.«

      »Tut mir leid, aber damit kenne ich mich nicht aus. Ich interessiere mich nicht so für Kunstgeschichte. Das ist überhaupt nicht mein Fachgebiet.«

      »Macht ihr das bei euch nie: Wanderwege beschreiben, Informationen über die Geschichte und die Hintergründe geben?«

      »Doch schon aber ...«

      Alexandros nahm das Telefon, wählte eine Nummer und hielt ihr den Hörer hin.

      »Also, klär das mit Stavros!«

      »Was gibt’s?«, fragte Stavros.

      »Stavros, soll ich wirklich den Aphrodite-Wanderführer überarbeiten oder ist das nur so eine Laune von Alexandros? Mein Studium geht in Richtung Forstingenieurwesen. Ich kenne mich mit griechischen Göttern überhaupt nicht aus.«

      »Also, wenn dir das zu viel wird – Loukas, du gehst jetzt ins Bett! – Sorry, Marie, er will einfach nicht schlafen gehen. Ich bin jetzt dabei den Atalante-Führer zu überarbeiten, danach beginne ich den Artemis-Führer. – Katharina, du machst nicht den Fernseher an! – und dann kann ich ... Wo waren wir stehen geblieben?

      »Beim Aphrodite-Wanderführer.«

      Getöse verbreitete sich im Hintergrund.

      »Den versuche ich dann auch noch zu schreiben. Ich mache das immer abends, wenn die Kinder im Bett sind. Ich kann jetzt leider auch nicht mehr lange ...«

      Ein dumpfes Poltern verriet, dass ein schwerer Gegenstand heruntergefallen war.

      »Ist


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