Tanz der Finanzen. Thomas Neiße

Tanz der Finanzen - Thomas Neiße


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uns, Herr Minister, wir haben die Spezialisten für so etwas.«

      Aha, dachte Dieter Krämer, jetzt ist die Katze aus dem Sack. Aber warum auch nicht. Die Wertebank will sich neue Geschäftsmöglichkeiten erschließen, das ist durchaus legitim. Sein Minister war aber offenbar anderer Meinung: »Sie wollen, dass ich einen weiteren Schattenhaushalt einrichte?«

      »Ich bevorzuge den Begriff der Spardose, Herr Minister.«

      »Meine Herren, das können wir doch nicht im stillen Kämmerlein beschließen. Wenn wir so etwas machen, muss, entsprechend unseren Gepflogenheiten, eine Ausschreibung her, so dass alle Asset Manager die Chance haben; sich zu bewerben.«

      Niels Werner konnte sein Entsetzen gerade noch so kaschieren: »Herr Minister, wenn Sie das Vorhaben öffentlich werden lassen wollen, sollten Sie von der Idee gleich vollständig Abstand nehmen. Wenn der Kapitalmarkt auch nur ansatzweise Wind von dem Vorhaben bekommt, wird er sich entsprechend verhalten. Das bedeutet, in einem ersten Schritt steigen die Zinsen, damit wäre Ihr Budget doch tangiert, und in einem zweiten Schritt steigen die Aktienkurse. Damit müssten bei Investments an der Börse deutlich höhere Preise gezahlt werden.« »Wenn ich Sie nun richtig verstehe, bin ich Ihnen irgendwie ausgeliefert, ich meine, falls ich der Sache zustimme«, hier hob er abwehrend die Hände, »bitte, ich weiß ja noch gar nicht, ob das überhaupt umsetzbar ist, politisch, meine ich. Wenn ich das aber auch nicht herausfinden will, ist meine einzige Chance, Ihren Vorschlag abzulehnen.«

      Die Antwort von Niels Werner war brutal ehrlich: »Das fasst es ziemlich korrekt zusammen.«

      Dieter Krämer bekam allmählich eine gewisse Hochachtung vor den Wertebank-Leuten. So gegenüber dem als leicht cholerisch verschrienen Finanzminister aufzutreten, dazu gehörte schon einiges. Aber er spürte auch, dass sein Chef ebenfalls beeindruckt war. Allerdings war die politische Durchsetzung in der Tat ein Problem. Derartige Aktionen mussten vom Haushaltsausschuss des Bundestages genehmigt werden, der traditionsgemäß von einem Mitglied der Oppositionspartei geleitet wurde. Entsprechend störrisch verhielt sich daher bei manchen Ausgabeplanungen der Ausschuss. Da konnte er aber wahrscheinlich helfen, schließlich war er im Besitz einer Akte, die Bilder des aktuellen Vorsitzenden in einer mehr als nur anrüchigen Bar in New York beinhaltete. Der Zweck heiligt ja bekanntlich die Mittel, und die andere Seite war auch nicht immer fein unterwegs.

      Erst jetzt merkte er, dass der Minister offenbar auf einen Kommentar von ihm wartete. Er hatte nur keine Ahnung, worauf.

      »Ich denke, Ihre Idee hat viel Charme, meine Herren.«

      Nun ergriff noch einmal Peter Nehmer das Wort, der spürte, dass jetzt der Plan aus den buchhalterischen Niederungen gehoben werden musste. Schließlich hatten sie es hier mit Politikern zu tun.

      »Herr Minister, Herr Ministerpräsident, Herr Staatssekretär, dieser Fonds hat viel mehr als nur Charme. Mit diesem Fonds emanzipiert sich Deutschland ein Stück weit von den die Kapitalmärkte dominierenden Amerikanern. Damit emanzipiert sich auch Europa, insbesondere, wenn andere Länder auf diesem Kontinent dem Beispiel Deutschlands folgen würden, was sehr wahrscheinlich ist. Sie können mit diesem Fonds auch bei heimischen Unternehmen als Ankerinvestor auftreten, um feindliche Übernahmen aus dem Ausland zu verhindern. Sie bekommen ein Instrumentarium an die Hand, um bei Krisen gegensteuern zu können. Ja, Sie könnten sogar durch diesen Fonds auf Jahre hinaus eventuelle Rentenlücken im Haushalt schließen. Dieser Fonds eröffnet der deutschen Regierung ganz neue Perspektiven und Handlungsmöglichkeiten.«

      Wow, dachte Krämer, gut gebrüllt, Löwe. Sein Chef war jedenfalls schwer beeindruckt, so viel konnte er feststellen. Nicht umsonst hatte er sich eifrig Notizen gemacht. Auch der so schweigsame Ministerpräsident hatte auf einmal glänzende Augen, er malte sich wahrscheinlich schon all die neuen Perspektiven aus.

      »Tja, das sind in der Tat faszinierende Aussichten«, der Minister war immer noch dabei, in die Realität zurückzufinden, »aber ich muss doch ein wenig Wasser in den Wein schütten. Wie bekommen wir das durch den Haushaltsausschuss? Dessen Vorsitzender zerschießt das doch sofort.«

      »Nun, Herr Minister, ich denke, hier könnte ich durch ein persönliches Gespräch mit Herrn Müller helfen.«

      Sein Chef sah ihn zwar erstaunt an, ließ das Ganze aber auf sich beruhen.

      »Wie mir ein Blick auf meine Uhr verrät, meine Herren, rufen mich jetzt andere Pflichten. Bitte lassen Sie sich nicht stören und diskutieren Sie mit meinen Kollegen weiter. Ich möchte nur noch kurz mit meinem Staatssekretär einige Worte wechseln. Ich wünsche Ihnen eine gute Heimreise. Bis bald.« Krämer folgte seinem Chef in dessen Büro. Ihm gefielen die Wertebank-Leute und ihr Vorschlag war, richtig umgesetzt, zukunftsweisend für Deutschland. Er war sich allerdings nicht sicher, ob der Minister seine Einschätzung teilte, der war bisher noch nie durch unternehmerisches Denken aufgefallen. Aber er war durchaus eitel und vielleicht war das der Hebel, ihn positiv zu stimmen.

      »Was meinen Sie, Krämer?«

      »Ich halte die Idee für ausgezeichnet und auch für durchführbar. Ob wir dadurch international an Einfluss gewinnen, wird sich zeigen. Auf alle Fälle würde das Finanzministerium innerhalb der Regierung noch wichtiger. Ich denke, die Zeiten, in denen der Außenminister stellvertretender Regierungschef wird, wären endgültig vorbei, ohne den Finanzminister geht dann künftig gar nichts.«

      Das Nicken des Ministers wurde immer heftiger.

      »Und bedenken Sie, wir könnten über den Fonds und dessen Beteiligungen an Unternehmen über die damit verbundenen Aufsichtsratsmandate dann aktive Industriepolitik machen, etwas, was Sie schon immer wollten. Und Ihre Popularität in der Bevölkerung würde deutlich steigen. Sie wären es, der zum ersten Mal in der Geschichte unseres Landes für den Bürger endlich Werte schafft. Sogar die Gewerkschaften dürften applaudieren.«

      »Was würde ich nur ohne Sie machen, Krämer«, sein Chef klopfte ihm auf die Schulter. »Sie haben mal wieder den Nagel auf den Kopf getroffen. Also gut, signalisieren Sie der Wertebank mein Wohlwollen, allerdings müssten wir über das Volumen des Fonds noch einmal diskutieren. 500 Milliarden halte ich als Anfangskapital für deutlich zu hoch, mir würden da in einem ersten Schritt 100 Milliarden vorschweben. Und dann sehen wir erst einmal, wie die Dinge laufen. Ich werde die Idee morgen mit dem Kanzler besprechen.«

      »Vergessen Sie Ihren Kollegen Wirtschaftsminister nicht, für dieses Vorhaben brauchen wir alle politische Unterstützung, die wir bekommen können.«

      Der Finanzminister nickte nachdenklich.

      »Ja, danke, wir sollten auch den Kanzleramtsminister nicht übergehen. Er hat das Ohr des Kanzlers.«

      Als Krämer sich zum Gehen wandte, holte ihn die Stimme seines Chefs wieder ein: »Wie kommen Sie darauf, den Miesepeter Müller positiv stimmen zu können?«

      »Herr Minister, es ist besser, wenn Sie das nicht wissen.«

       SIGNALE

      Die letzten zwei Stunden hatten ihn total geschafft. Es war ja immer schwierig, mit Fondsmanagern über ihr Portfolio zu diskutieren, aber heute war es besonders ermüdend gewesen. Die Geschichte war immer die gleiche. Da wurden über die Jahre verschiedene Aktienpositionen aufgebaut, von denen einige später überdurchschnittliche Kurssteigerungen aufwiesen und einige eben nicht.

      Um letztere hatte sich die Diskussion der zurückliegenden zwei Stunden gedreht, mit einem besonderen Augenmerk auf Aktien, welche, verglichen mit dem Kaufzeitpunkt, sogar Kursverluste aufwiesen. Da Fondsmanager auch nur Menschen waren, starb auch bei ihnen die Hoffnung zuletzt. Darüber hinaus hatte jeder eine natürliche Scheu, Kursverluste zu realisieren und damit frühere Fehler einzugestehen. Dabei geht es bei derartigen Kursflops nur um die Frage, ob ich heute mit meinem Wissen die Aktien noch einmal kaufen würde. Wenn das nicht der Fall ist, bleibt nur der harte Schnitt, das bedeutet: Verkauf der Position. Die Kursverluste mussten dann halt mit Kursgewinnen anderer Aktien wieder ausgeglichen werden. Offenbar war das aber schwer zu verstehen.

      Niels Werner hatte derartige Debatten in seinem Berufsleben schon


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