Tanz der Finanzen. Thomas Neiße

Tanz der Finanzen - Thomas Neiße


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diskreditieren. Wir müssen nur in Berlin die Tatsache betonen, dass nun ein verurteilter Mörder die Repräsentanz der Wertebank in Berlin darstellt.«

      Max Snyder nickte beifällig. »Wer soll die deutschen Politiker und die Öffentlichkeit darauf stoßen? Unser Botschafter?«

      »Nein, der ist schon zu oft in diplomatische Fettnäpfchen getappt. Dem hört keiner mehr zu. Das gilt leider auch für unseren Präsidenten. Auch den können wir hier nicht einsetzen, von wegen direkter Draht zum deutschen Kanzler. Ich denke, wir sollten dafür den Wirtschaftsattaché benutzen. Der hat doch gute Beziehungen ins Finanzministerium, insbesondere zu diesem Staatssekretär, diesem …«

      »Du meinst diesen Kerl, der früher selber mal hier in Wall Street gearbeitet hat, diesen Herrn, wie war doch gleich der Name, Keller, Koller, nein, Krämer, Dieter Krämer.«

      »Genau den meine ich, dein Namensgedächtnis ist besser als meines.«

      »Vorhin hast du von einem weiteren Angriffspunkt gesprochen?«

      »Ja, Max, wie gesichert ist mittlerweile das Scheitern der Bankenallianz?«

      »Ziemlich gesichert. Sowohl die Allamo Trust als auch die chinesischen Freunde haben der Wertebank ihren Rückzug aus dieser globalen Allianz mitgeteilt.«

      »Mitgeteilt. Wie haben sie das gemacht? Verbal oder auch schriftlich?«

      »Soweit ich weiß, erst einmal nur verbal. Warum ist das so wichtig?«

      »Das will ich dir sagen. Wenn ein börsennotiertes Unternehmen Kenntnis von einem kursbeeinflussenden Ereignis erhält, ist es gesetzlich verpflichtet, dies in einer sogenannten Ad-hoc-Mitteilung allen anderen Börsenteilnehmern zukommen zu lassen. Der Sinn dieser Regelung ist, dass alle Marktteilnehmer bei Kauf oder Verkauf von Aktien den gleichen Wissensstand haben sollen. Niemand darf im Besitz von privilegierenden Informationen sein.«

      »Lass mich raten, die Wertebank hat noch keine derartige Mitteilung veröffentlicht.«

      »So ist es. Der legale Grund dafür kann nur das Fehlen eines offiziellen schriftlichen Dokumentes sein. Lediglich auf Grund von verbalen Informationen gibt kein Unternehmen eine Adhoc-Mitteilung heraus. Du weißt ja selbst, wieviel Unsinn in unserer Branche jeden Tag geredet wird, wenn man da jedes Mal …«

      Silberstein ließ den Rest des Satzes in der Luft hängen und nahm die Betrachtung der Decke seines Büros wieder auf. Max Snyder ließ ihn zunächst gewähren, er kannte ja dessen Marotten mittlerweile. Aber nach einer Weile wurde er dann doch ungeduldig.

      »Das bedeutet, wir schwärzen die Wertebank auch damit an?« Silberstein sah ihn mitleidig an. »Nein, wir machen das viel schlauer. Das entscheidende Asset der Wertebank ist ihr Aktienkurs, und wir, mein Freund, spekulieren auf fallende Kurse.«

      »Und wie soll das gehen?«

      »Max, hast du denn gar nichts von mir gelernt? Wir machen Shorts auf und lassen das die Börse wissen. Genauer gesagt, wir lassen Shorts aufmachen. Mit anderen Worten, wir sorgen für Leerverkäufe in Wertebank-Aktien. Das heißt, jemand verkauft deren Aktien auf Termin, sagen wir auf drei Monate, obwohl er die noch gar nicht besitzt. Er muss also erst die Aktien in drei Monaten liefern. Fällt bis dahin der Kurs, kann er die Papiere günstiger an der Börse kaufen.«

      »Und das funktioniert?«

      »Natürlich, das ist doch auch nichts anderes, als wenn du heute zehn Liter Wein verkaufst, gleichzeitig aber auch das Recht erwirbst, dem Kunden den Wein erst in drei Monaten zu liefern. Sinkt der Weinpreis, kannst du die zehn Liter billiger einkaufen und den Wein liefern. Die Differenz zwischen deinem Verkaufspreis plus die Gebühr für das spätere Liefern und dem von dir dann tatsächlich zu zahlenden Preis für den Wein ist dein Gewinn.« »Und wenn der Preis steigt?«

      »Dann bist du gekniffen und machst einen fetten Verlust. Also müssen wir für fallende Kurse sorgen. Das passiert einmal durch die Leerverkäufe an sich. Wenn diese ein Volumen von einem halben Prozent des Grundkapitals, in diesem Fall der Wertebank, ausmachen, greift die Meldepflicht. Das bedeutet, die Position wird öffentlich gemacht. Wenn wir nun mehrere Asset Manager dazu bringen, derartige Leerverkäufe zu tätigen, diese dann ihre Positionierung offenlegen müssen, wird die sehr hellhörige Börse Probleme bei der Wertebank wittern und sich entsprechend verhalten. Sie werden also keine Wertebankaktien mehr kaufen, vermutlich ihre Bestände sogar verkaufen. Das allein bringt den Kurs schon nach unten. Und dann kommt von uns zusätzlich der Hinweis auf das Scheitern der Bankenallianz und die fehlende Ad-hoc-Mitteilung. Dann bleibt der Bank nichts anderes übrig, als unsere Meldung zu bestätigen. Das dürfte dem Kurs den Rest geben.«

      »Du bist ganz schön raffiniert, Ilan. Das wird die Wertebank ordentlich ins Schwitzen bringen.«

      »Natürlich. Je niedriger der Aktienkurs, desto niedriger der an der Börse gehandelte Unternehmenswert, desto größer die Wahrscheinlichkeit einer Übernahme durch Andere. Lass mich mal mit Steve Burner vom Pensionsfonds Relax reden, vertraulich natürlich. Und du sorgst dafür, dass die schriftliche Allianzabsage noch einige Wochen auf sich warten lässt. Wir brauchen ein wenig Zeit.«

      Als Max Snyder den Rückflug nach Washington DC antrat, hatte sich seine Laune merklich gebessert.

       DETAILS

      An diesem Tag ging ihm das Wetter in London mal wieder so richtig an die Nerven. Es regnete in Strömen und Luke Donaldson hatte trotz seines großen Schirms Mühe, sich halbwegs trocken zu halten. Da das Auto nicht in Frage kam, trotz der Londoner City-Maut war der Verkehr ein Alptraum, war er im Wechsel mit Bus und U-Bahn unterwegs. Endlich an der Station Liverpool Street angekommen, verließ er erleichtert die durch die vielen durchnässten Leute muffige Luft der Bahn und strebte seinem Bürokomplex entgegen. Schon von weitem konnte er das erleuchtete Logo seiner Firma erkennen, das Licht der goldenen Buchstaben TRIN widerstand selbst dem durch den prasselnden Regen verursachten, die Sicht reduzierenden Dunst. Gottseidank war der Rest des Weges durch Arkaden weitgehend überdacht.

      An seinem Gebäude angekommen, verriet ihm ein Blick auf die große Uhr in der Eingangshalle, dass er bis zum Beginn der Videokonferenz noch genügend Zeit hatte, um sich beim im Parterre befindlichen Starbucks einen Kaffee zu holen. Der ansonsten überall erhältliche typische englische Kaffee war für ihn, wie für fast alle Schotten, ungenießbar. Während er im Starbucks vor dem Counter Schlange stand, kreisten seine Gedanken bereits um die anstehende Online-Konferenz.

      Er hatte keine Ahnung, warum Steve Burner mit ihm sprechen wollte. Er hatte seit dem Tod von Gerd Brauner nichts mehr von ihm gehört, und nun, urplötzlich, wollte er mit ihm konferieren. Laut Lydia würde auch Francois Monterrin der Dritte im Bunde sein. Und das, obwohl, wie er hundertprozentig wusste, Francois den lieben Steve am liebsten auf den Mond schießen würde. Zwischen den beiden gab es irgendeine Unstimmigkeit noch aus gemeinsamen New Yorker Zeiten. Donaldson zuckte innerlich mit den Schultern. Letztendlich war das nicht sein Problem. Aber dass Francois dabei sein würde, verdeutlichte die Wichtigkeit dessen, was Steve ihnen mitzuteilen hatte. Und es schien dringend zu sein, denn in New York dürfte es gerade mal vier Uhr morgens sein, selbst für den notorischen Frühaufsteher Burner war das sehr früh.

      Als er mit dem Kaffee seinen Flur erreichte und das Großraumbüro betrat, signalisierte ihm seine Assistentin Lydia Cummings schon von weitem mit gespreizten Fingern die 10 Minuten bis zum Konferenzbeginn. Er warf ihr einen ironischen Handkuss zu und steuerte seinen, nur durch Glaswände abgetrennten, Schreibtisch an. Dann winkte er sie herein.

      »Morgen, irgendetwas Wichtiges in den Mails?«

      »Nichts, was nicht warten könnte. Du bist spät dran heute, irgendein Problem, abgesehen vom Wetter?« Und als keine Antwort kam: »Der Wirtschaftsprüfer will dich sprechen. Es sieht so aus, als ob er ein Problem mit der Bewertung unserer Fonds hat.«

      »Hat er sich genauer geäußert?«

      »Nö, aber er hat sehr geheimnisvoll getan.«

      Donaldson schnaubte verächtlich. »In welchem Raum ist die Konferenz?«


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