Tanz der Finanzen. Thomas Neiße

Tanz der Finanzen - Thomas Neiße


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auch ohne diese internationale Bankenallianz tragfähig? Was wären eventuelle Alternativen und wie schnell könnten die umgesetzt werden? Das sind so die Fragen, die mich interessieren. Und ich brauche möglichst schnelle Antworten.«

      »Wie schnell?«

      »Gestern.«

      »Verstehe, dann ist es wohl besser, wenn ich hier nicht länger herumhänge.«

      Donaldson machte eine zustimmende Handbewegung und rief etwas später Hank Morris, seinen Chef von der Handelsabteilung an.

      »Hank, Luke hier, check mal die Bedingungen am deutschen Aktienmarkt für Leerverkäufe bei der Wertebank. Und der Teufel soll dich holen, wenn davon auch nur die leiseste Andeutung nach draußen dringt. Ich hoffe, wir verstehen uns.« »Vollkommen, Luke, wird erledigt.«

      Luke Donaldson trank seinen letzten Schluck Kaffee und entspannte sich dabei ein wenig. Er hatte nun alle notwendigen Schritte unternommen und konnte jetzt nur noch auf die Ergebnisse warten. Die Entspannung war allerdings nur von kurzer Dauer.

      »Der Washborne ist jetzt da.«

      Donaldson sah Lydia Cummings zwar missbilligend an, winkte den Wirtschaftsprüfer aber in sein bescheidenes Büro. Es war offensichtlich, dass der mehr als nervös war. Das konnte nur extrem schlechte Nachrichten bedeuten.

      »Also, Herr Washborne, was kann ich für Sie tun?«

      »Nun, Herr Donaldson, wir haben über die Bewertungen Ihrer Fonds ja schon öfter gesprochen. Das Problem ist aber nach wie vor gegeben. Bei der Bewertung der Einzelpositionen in Ihren Fonds benutzen Sie für asiatische Werte die Schlusskurse des vorherigen Handelstages, für die europäischen Werte die Mittagskurse und für die amerikanischen Werte die Eröffnungskurse, da die Zeitdifferenz in die USA fünf Stunden beträgt. Das bedeutet in letzter Konsequenz, dass die Wertstellung der Fondsanteile willkürlich berechnet wird.«

      »Aber das machen doch alle Fondsgesellschaften so.«

      »Deswegen ist diese Methode aber nicht richtig. Wir brauchen ein Verfahren, welches zu einem bestimmten Zeitpunkt alle Kurse weltweit erfasst. Wie das genau aussehen soll, wird derzeit in einer Arbeitsgruppe des Finanzministeriums erarbeitet. Auch ich gehöre dieser Gruppe an und ich bin beauftragt worden, Sie zu fragen, ob Sie dieser Arbeitsgruppe beitreten wollen.«

      »Na, wenn das Ihr einziges Problem ist, dann ist das einfach zu lösen. Selbstverständlich werde ich dabei mitarbeiten. Vielleicht ersetzt mich hier und da einer meiner Mitarbeiter, aber im Prinzip bin ich natürlich dabei.«

      Jake Washborne ignorierte die unausgesprochene Verabschiedung, er hatte offensichtlich noch etwas auf dem Herzen. »Herr Donaldson, wir sollten uns dann auch überlegen, wie wir folgendes Problem aus der Welt schaffen. Wie gesagt, Sie bewerten mittags unserer Zeit mit allen Unzulänglichkeiten, über die wir ja schon gesprochen haben. Veröffentlicht werden die Preise für die Fondsanteile aber manchmal erst um 16 Uhr. Dazwischen liegen also mehrere Stunden, in denen faule Orders abgewickelt werden können.«

      »Wollen Sie damit andeuten, dass bei unseren Fonds unsaubere Handelspraktiken angewandt werden?«

      »Ich will gar nichts andeuten. Ich will nur darauf hinweisen, dass, wenn jemand den Wert der Mittagsberechnung kennt, dieser dann aber erst Stunden später veröffentlicht wird, er mehrere Stunden Zeit hat, nämlich bis zur Veröffentlichung, daraus einen Nutzen zu ziehen.«

      Der Tag war zwar erst wenige Stunden alt, aber Luke Donaldson fühlte sich bereits unendlich müde.

      »Danke, Herr Washborne, ich werde das zunächst mit meinen Mitarbeitern diskutieren und komme dann auf Sie zu.«

       ANPFIFF

      Das war ja ein hoch interessantes Telefonat gewesen, sowohl was das Gespräch an sich als auch den Inhalt und die daraus resultierenden Schlussfolgerungen anging. Dieter Krämer schlürfte seinen heißen Frühstückskaffee und rekapitulierte das soeben Gehörte.

      Erstens, der Wirtschaftsattaché der amerikanischen Botschaft rief früh am Morgen ihn, den Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, auf dessen geheimer Handynummer an. Womit sich die Frage stellte, wie die Amis an diese Telefonnummer gekommen waren und wieso der Anruf nicht hatte warten können. Offenbar hatten sie Wind von seinem Meeting heute Vormittag mit den Leuten von der Wertebank bekommen, was wiederum für ihre exzellenten Informationsquellen sprach.

      Zweitens, der Inhalt des Gespräches war zumindest teilweise relativ banal. Und die Themen Konrad Pair sowie Bankenallianz hätte er im Gespräch mit den Bankern ohnehin angesprochen.

      Drittens, offensichtlich hatte die amerikanische Regierung etwas gegen die Wertebank, und, ebenso offensichtlich, sie wussten bereits etwas über das Anliegen seiner Besucher. Warum sonst hätten sie versucht, auf diesem ungewöhnlichen Weg diese anzuschwärzen?

      Krämer schenkte Kaffee nach, trat ans Fenster und sah in das regentrübe Berlin hinaus. Eines hatten die amerikanischen Freunde in jedem Fall erreicht, er sah dem bevorstehenden Treffen nun sehr erwartungsvoll entgegen. Er schnappte sich wieder sein Handy und rief in seinem Büro an. Prompt meldete sich seine Sekretärin: »Guten Morgen, Herr Krämer.«

      »Sind Sie etwa schon im Büro?«

      »Nein, aber auf dem Weg dorthin. Das Telefon habe ich auf mein Handy umgeleitet.«

      »Gut, wann ist das Meeting mit der Wertebank?«

      »Um zehn Uhr.«

      »Irgendetwas Neues vom Minister?«

      »Nicht, dass ich wüsste. Er hat gestern noch einmal seine Teilnahme bestätigen lassen.«

      »Gut, Frau Schrader, ich mache mich dann auch auf den Weg. Bis gleich.«

      Krämer kippte den Rest seines Kaffees in die Spüle und stellte die Tasse in die Spülmaschine. Dann zog er sein Jackett an, schnappte sich seine Aktentasche und verließ sein kleines Appartement in der Friedrichstraße. Während des kurzen Weges in die Wilhelmstraße hörte der Regen dankenswerterweise endgültig auf. Als er das Finanzministerium sah, stimmte er heimlich mal wieder mit den Kritikern überein, die dieses Gebäude als das hässlichste in ganz Berlin bezeichneten. Es hatte in der Tat den Charme eines nationalsozialistischen Protzbaus, was es ja letztendlich auch war.

      Nachdem er die Sicherheitsschleuse am Eingang passiert hatte, steuerte er schnurstracks den Paternoster an, der ihn direkt zu seinem Büro bringen würde. Dort angekommen wartete schon seine Sekretärin Bärbel Schrader ungeduldig auf ihn.

      »Der Herr Minister wollte Sie gerade sprechen.«

      »Will er sich vor dem Meeting drücken?«

      »Nein, keineswegs, er wollte nur den bayerischen Ministerpräsidenten ankündigen. Der kommt heute in Berlin an und würde gerne am Meeting teilnehmen. Sie brauchen den Minister nur dann zurückzurufen, wenn Sie damit ein Problem haben.«

      »Warum sollte ich«, knurrte Krämer, »der hat doch das Treffen überhaupt erst arrangiert. Nee, nee, kein Problem damit. Was steht an, Frau Schrader?«

      »Auf Ihrem Schreibtisch liegt seit geraumer Zeit der Entwurf zur Reform des Länderfinanzausgleichs.«

      »Schon gut, ich habe verstanden.«

      Seufzend setzte sich Krämer und öffnete den bezeichnenderweise roten Ordner. Am besten würde man den ganzen Quatsch völlig abschaffen und stattdessen ein neues Steuersystem einführen, in dem innerhalb gewisser Grenzen Gemeinden, Länder und der Bund eigene Steuern erheben würden. Aber wie so oft war für Logik in der Politik kein Platz. Entsprechend nervtötend war das Studium der Vorlage und er war heilfroh, als die Schrader ihm signalisierte, dass die Zeit für das Meeting gekommen war. Außerdem informierte sie ihn über die Verspätung des bayerischen Politikers und es war klar, dass dann auch der Minister später zum Gespräch dazu stoßen würde. Aber egal, Hauptsache, er konnte dieser Vorlage entkommen.

      Im Besprechungszimmer erhoben sich bei seinem Eintritt drei Männer


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